Wieso die Ära Berlusconi noch lange nicht zu Ende ist

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Der Cavaliere wurde zwar aus dem Parlament geworfen, seine Macht wird er trotzdem weiter ausüben.

Mein Vater sitzt zwar nicht mehr im Senat. Aber er bleibt ein Leader. Und nichts wird ihn davon abhalten, sein politisches Engagement fortzusetzen.“ Die empörten Worte von Silvio Berlusconis ältester Tochter Marina über den Rausschmiss ihres Vaters aus dem Parlament wegen Steuerbetrugs sind prophetisch. Marina, die der Cavaliere übrigens gern als seine politische Erbin sehen würde, spricht aus, was viele befürchten: dass das Senatsvotum noch lange nicht das Ende der zwanzigjährigen Ära Berlusconi ist.

Hier einige Indizien dafür:

Medienmacht
Der Cavaliere kann über sein Quasi-Medienmonopol die öffentliche Meinung weiterhin lenken: Er besitzt die drei wichtigsten Privat-TV-Kanäle und hat in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass aus der öffentlich-rechtlichen RAI allzu lästige Journalisten entfernt werden. Laut Umfragen informieren sich auch im Internet-Zeitalter die meisten Italiener weiterhin über das TV. Außerdem kontrolliert der Cavaliere einen der wichtigsten Verlage des Landes mit etlichen Magazinen sowie die Tageszeitung „Il Giornale“.


Der verfolgte Oppositionelle
Der Cavaliere hat also die besten Voraussetzungen, seine politische Botschaft zu verbreiten. Und das wird eine aggressive Fundamentalopposition sein: Darauf hat er sich monatelang vorbereitet. Als politische Plattform wird ihm Forza Italia dienen, jene Partei, mit der er 1993 in die Politik gegangen ist und die er jetzt neu gegründet hat. Programmatisch wird er mit einer radikalen Anti-Euro, Anti-Europa, Anti-Deutschland, Anti-Sparkurs-Politik der Bewegung des Komikers Beppe Grillo Konkurrenz machen. Paradoxerweise könnte ihm seine Verurteilung (ins Gefängnis geht er nicht, er wird stattdessen Sozialarbeit verrichten) helfen. Dadurch kann Berlusconi noch überzeugender mit jener Rolle punkten, die er am besten spielt: jene des Opfers einer von der Linken (dabei meint er die Justiz) angezettelten Verschwörung. Da trifft der wegen Steuerbetrugs Verurteilte übrigens auf das Verständnis vieler Italiener: Auch aufgrund der höchsten Steuersätze Europas gehört Steuerhinterziehungen zu einem weit verbreiteten Delikt in Italien. Dass weitere Verurteilungen drohen könnten, passt bestens ins Bild des von der Justiz Verfolgten.

Berlusconi kann jetzt bequem gegen unbeliebte Sparmaßnahmen und Reformen, die die Regierung des verschuldeten Eurokrisenland verabschieden muss, wettern. Bei möglichen Wahlen darf er zwar nicht kandidieren, bleibt aber Drahtzieher seiner mächtigen politischen Gruppierung.


Alles bleibt in der Familie
Auch wenn es derzeit nicht so aussieht: Berlusconi hat immer noch einen Fuß in der Regierung. Mit Angelino Alfano, dem untreuen Ziehsohn, der sich mit seinen Leuten von der Berlusconi-Partei getrennt und die Große Koalition weiter unterstützt, sollen die Beziehungen nicht so schlecht sein, wie nach außen kommuniziert wird. Alfano ist schwach. Derzeit geben ihm Umfragen acht Prozent. Bisher ist es in Italien noch niemandem gelungen, als Konkurrenz zu Berlusconi eine rechtsliberale Partei zu gründen: Von Gianfranco Fini bis zu Mario Monti sind alle gescheitert. Zudem steht Alfano persönlich dem Premier nahe. Und so hält sich das Gerücht, dass die „Scheidung“ nicht mehr als eine Inszenierung – und eine „Versöhnung“ sowie Wiedervereinigung bei Wahlen beschlossene Sache sei.


Der Berlusconismo
Das System Berlusconi lebt weiter – in Form der Verfilzung zwischen Politik und Wirtschaft, nicht funktionierender Institutionen, der wuchernden Korruption und des omnipräsenten Nepotismus: Im Berlusconismo kommt der weiter, der „die Richtigen“ kennt und wählt. Kommentatorin Barbara Spinelli schreibt dazu: „Der Berlusconismo überlebt. Es wird nicht einfach sein, uns eine Droge abzugewöhnen, die nicht nur die Parteien vergiftet hat, sondern auch die Gesellschaft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)

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