Stärke 6,8

Über 1000 Tote nach schwerem Erdbeben in Marokko

Bei einem schweren Erdbeben in Marokko sind über 1000 Menschen ums Leben gekommen.
Bei einem schweren Erdbeben in Marokko sind über 1000 Menschen ums Leben gekommen.APA / AFP / Fadel Senna
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Teile Marokkos sind in der Nacht von einem schweren Erdbeben der Stärke 6,8 erschüttert worden. Mindestens 1000 Menschen kamen dabei laut Regierungsangaben ums Leben, mindestens 1204 Menschen sind verletzt. Österreicherinnen und Österreicher seien bislang nicht verletzt.

Bei einem schweren Erdbeben in Marokko sind am späten Freitagabend (Ortszeit) 1037 Menschen ums Leben gekommen, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Nachmittag unter Berufung auf den staatlichen Rundfunk berichtete. Mindestens 1204 Menschen seien verletzt worden, teilte das marokkanische Innenministerium mit. In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt.

Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. „Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist“, sagte Hernan. Die historische Altstadt von Marrakesch, die auch Medina genannt wird, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen und gilt als Unesco-Weltkulturerbe.

Rund 215 Auslandsösterreicher in Marokko

Österreicherinnen und Österreicher seien nach bisherigem Wissensstand nicht verletzt worden, teilte das Außenministerium am Samstagvormittag mit. Aktuell seien rund 60 Personen reiseregistriert, hieß es. Laut Ministerium befinden sich aktuell rund 215 Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher in Marokko. „Sie wurden noch in der Nacht per SMS und Email kontaktiert und werden aktuell von der Botschaft durchgerufen“, sagte eine Sprecherin. In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei. Der Flughafen in Marrakesch funktioniere derzeit normal und es gebe genügend Flüge, um zurück nach Österreich zu kommen, teilte das Außenministerium mit.

Das österreichische Rote Kreuz rief am Samstag zu Spenden für die Erdbebenregion auf. „Verletzte und Menschen, die alles verloren haben, brauchen jetzt rasch Hilfe“, appellierte Präsident Gerald Schöpfer. Der marokkanische Rote Halbmond unterstütze bereits mit Erster Hilfe, Psychosozialer Betreuung und mit Evakuierungs- und Transportmaßnahmen, hieß es in einer Aussendung. Ärzte ohne Grenzen betonte am Samstag in einer Mitteilung, man sei bereits in Absprache mit den lokalen Behörden, um erste Teams in die Region zu senden. Spendenaufrufe kamen ebenfalls von den beiden NGOS Care-Österreich sowie „Jugend Eine Welt“. „Die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die Familien benötigen nun am dringendsten Wasser, Nahrung, Hygieneartikel, Gesundheitsversorgung und eine sichere Unterkunft“, sagte Care-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager.

Bundeskanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) drückten am Samstag in einem gemeinsamen Statement ihre Betroffenheit über das Beben aus. „Katastrophen, wie diese, erfordern internationale Solidarität und Unterstützung. Österreich wird jederzeit helfen, wo in den Katastrophengebieten Marokkos Hilfe benötigt wird“, wurde Nehammer zitiert. „Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt“, sagte Nehammer. Das Katastrophenhilfeelement des Bundesheers, die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU), stehe jederzeit bereit betonte Tanner. Zuletzt stand ein AFDRU-Kontingent des Bundesheeres nach dem verheerenden Beben im Süden der Türkei Anfang Februar im Einsatz.

Das Beben ereignete sich am späten Freitagabend um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. In der Bevölkerung in den Großstädten brach in der Nacht teilweise Panik aus. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich.

Bilder und Videos aus sozialen Netzwerken zeigen zerstörte Gebäude in Städten und auf den Straßen sitzende Menschen. Medienberichten zufolge wurden auch historische Wahrzeichen beschädigt. Die US-Erdbebenwarte USGS teilte mit, das Beben habe eine Stärke von 6,8 gehabt und sich in einer Tiefe von 18,5 Kilometern gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch und 60 Kilometer nordöstlich der Stadt Taroudant ereignet. Das Epizentrum habe im Atlasgebirge gelegen. Das Geofon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9.

Menschen geraten in Panik

Laut Augenzeugenberichten löste das Erdbeben in Marrakesch, Agadir und anderen Städten bei Bewohnern Panik aus. Wie die Zeitung „Le Matin“ berichtete, war das Beben auch in Rabat und Casablanca zu spüren.

Marokkaner posteten Videos, auf denen zu Schutt zerfallene Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen sind, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein Unesco-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigen schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen.

Spürbar im Umkreis von 400 Kilometern

Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, bestätigte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei. Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen.

Aus Angst vor Nachbeben versammeln sich Menschen auf der Straße.
Aus Angst vor Nachbeben versammeln sich Menschen auf der Straße. Photo by Faisal Baddour / AFPTV / AFP

Zu spüren war das Beben auch im südlichen Spanien, in Portugal sowie in Algerien. Bei der Notrufzentrale in der spanischen Region Andalusien gingen kurz nach Mitternacht mehr als 20 Anrufe besorgter Bürger aus den Regionen um Huelva, Sevilla, Jaén, Málaga, Marbella und Córdoba ein, wie die Organisation auf Twitter (X) schrieb. Über Schäden oder gar Opfer sei jedoch nichts bekannt geworden. Auch die Behörden im südportugiesischen Faro, im Raum Lissabon und Setúbal hätten ähnlich berichtet, schrieb die staatliche portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa.

Internationale Gemeinschaft bietet Hilfe an

Hilfsbekundungen kamen indessen auch von der Europäischen Union (EU). „Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen“, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstagmorgen via Twitter (X). EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte ebenso ihr Mitgefühl. Sie sei angesichts des schrecklichen Erdbebens mit ganzem Herzen beim marokkanischen Volk, teilte die deutsche Spitzenpolitikerin mit. Auch UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt. Der Generalsekretär sei „tief traurig“, teilte ein Sprecher am Samstag mit. Er spreche der Regierung und dem Volk Marokkos seine Solidarität in diesen schweren Zeiten und den Familien der Opfer sein Beileid aus. Den Verletzten wünsche Guterres eine rasche Genesung. Die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos in ihren Bemühungen zu unterstützen, der betroffenen Bevölkerung zu helfen.

Am Samstag reagierten zudem zahlreiche Länder mit Hilfsangeboten für Marokko. Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni brachte am Samstag“ihre Verbundenheit und Solidarität mit Marokkos Premierminister Aziz Akhannouch, den Familien der Opfer und dem marokkanischen Volk zum Ausdruck und bekundete die volle Bereitschaft Italiens, Marokko in dieser Notlage zu unterstützen“. Das deutsche Technische Hilfswerk (THW) bereitete sich am Samstag ebenfalls darauf vor, möglicherweise in dem Katastrophengebiet Hilfe zu leisten. Auch die für Entwicklungsarbeit und äußere Angelegenheiten zuständigen deutschen Ministerinnen Svenja Schulze (SPD) sowie Annalena Baerbock (Grüne) zeigten sich betroffen. Das Schweizer Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) aktivierte in der Nacht auf Samstag den Krisenstab. Ein Hilfsangebot an das Land werde geprüft, hieß es. Auch die Nachbarländer Spanien und Portugal boten Marokko ihre Hilfe an.

Auch US-Regierung in Kontakt zu marokkanischen Behörden

Am Nachmittag äußerte sich ebenfalls US-Präsident Joe Biden. Seine Regierung sei in Kontakt zu den marokkanischen Behörden, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. „Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite Marokkos und meines Freundes König Mohammed VI. in diesem schwierigen Augenblick“, schrieb Biden. Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister James Cleverly. „Wir stehen bereit, unseren marokkanischen Freunden auf jede mögliche Weise zu helfen“, schrieb er auf Twitter.

In Isarel seien am Samstag alle Ministerien angewiesen worden, die Entsendung einer Hilfsdelegation vorzubereiten, meldeten israelische Medien unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag. Demnach wies zudem Verteidigungsminister Joav Galant die Armee an, die Entsendung von Such- und Rettungseinheiten vorzubereiten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte nach dem schweren Erdbeben in Marokko ebenfalls sein Mitgefühl aus. „Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite“, schrieb Erdogan am Samstag auf Twitter (X). In der Türkei kamen im Februar mehr als 50.000 Menschen bei einem Erdbeben ums Leben.

In einem Kondolenzschreiben, das am Samstag in Rom vom Vatikan veröffentlicht wurde, äußerte auch Papst Franziskus tiefe Trauer. Franziskus schrieb, er bete für die Verstorbenen und die Verletzten sowie diejenigen, „die um den Verlust ihrer Lieben und ihrer Häuser trauern“.

Erdbeben treten in Nordafrika nur relativ selten auf. 1960 hatte sich nach Angaben des Senders Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben gekommen waren. 2004 erschütterte ein Beben der Stärke 6,4 Marokko. Mehr als 600 Menschen kamen damals ums Leben.

(APA/dpa)

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