EU legt Ukraine-Abkommen auf Eis

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Oppositionsführer Klitschko rief zum "Marsch der Millionen". Gekommen war auch US-Senator McCain, der Kiew zur Hinwendung nach Europa aufforderte.

Wien/Kiew. Die Protestwelle in der Ukraine riss auch an diesem Wochenende nicht ab – ganz im Gegenteil: Oppositionsführer Vitali Klitschko hatte für Sonntag zum „Marsch der Millionen“ gegen Präsident Viktor Janukowitsch aufgerufen. Ganz so viele sollten es dann doch nicht werden. Schätzungen zufolge versammelten sich aber wieder mindestens 200.000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz im Kiewer Stadtzentrum. Dabei hielt auch US-Senator John McCain überraschend eine Rede. Er forderte die Bürger der ehemaligen Sowjetrepublik auf, sich Europa statt Russland zuzuwenden. „Die Ukraine wird Europa verbessern und Europa die Ukraine“, sagte der republikanische Außenpolitiker. Am Samstag hatte der US-Senator sich mit Klitschko, aber auch mit Jewgenija Timoschenko, der Tochter der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko getroffen. „Wir stehen auf der Seite des ukrainischen Volkes“, sagte McCain nach einer Mitteilung von Timoschenkos Vaterlandspartei.

Der EU ist der Geduldsfaden allerdings bereits gerissen: Die Kommission will die Arbeiten an einem Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine ab sofort aussetzen. „Ich habe Vize-Premier Sergej Arbusow in Brüssel gesagt, dass weitere Diskussionen von einer klaren Verpflichtung zur Unterschrift abhängen. Arbeit eingestellt, keine Antwort“, teilte Erweiterungskommissar Štefan Füle am Sonntag über den Kurznachrichtendienst Twitter entschieden mit.

Kiew will weiterverhandeln

Die EU und die Ukraine hatten über Jahre hinweg ein Assoziierungsabkommen vorbereitet. Janukowitsch hatte jedoch nach erheblichem Druck aus Russland die Unterzeichnung kurzfristig abgesagt. Die EU betonte trotz der Kehrtwende zunächst, dass die Tür für die Ukraine weiterhin offen stehe und stellte finanzielle Hilfen für das wirtschaftlich angeschlagene Land in Aussicht.

Doch diese Tür scheint sich nun langsam zu schließen – wenngleich der Sprecher von Regierungschef Mikola Asarow am Sonntag mitteilte, mit der EU weiter über das Partnerschaftsabkommen verhandeln zu wollen. Die Regierungsgegner demonstrieren seit mehr als drei Wochen für einen Westkurs der früheren Sowjetrepublik und gegen Janukowitsch, der bisher allerdings von Rücktritt nichts wissen will.

Zur gleichen Zeit wie die prowestlichen Demonstranten versammelten sich auch etwa 15.000 Anhänger des prorussischen Janukowitsch in einem Park. Sie behaupten, eine Annäherung an die EU würde dem Land schweren Schaden zufügen, und werfen dem Staatenbund Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Die regierende Partei der Regionen hatte die Kundgebung kurzfristig verlegt, die im Abstand von nur 300 Metern zur Opposition geplant gewesen war.

Klitschko setzt auf Deutschland

Klitschko setzt in dem Konflikt nun in erster Linie auf die deutsche Diplomatie. „Deutschlands Wort hat hier großes Gewicht“, sagte er in einem Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Ich wäre froh, wenn sich die Bundesregierung als Vermittlerin einschalten würde.“ Der Oppositionspolitiker warnte zudem vor einer Eskalation der wochenlangen Proteste gegen Präsident Viktor Janukowitsch vonseiten der Sicherheitskräfte. Sollte es zu einem Polizeieinsatz kommen, würde das „schlimme Folgen“ für das Land und für den Präsidenten haben.

Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen äußerte sich besorgt über die Lage in der Ukraine. „Wir erwarten, dass alle Seiten keine Gewalt mehr anwenden“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“. Gleichzeitig erinnerte er auch an ein 1999 unterzeichnetes Dokument der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Danach können alle Nationen frei entscheiden, welchem Bündnis sie sich anschließen wollen. „Mein Punkt ist, dass die Ukraine ohne Druck von außen entscheiden können muss, welchem Sicherheitsbündnis sie angehören will.“ (APA/Reuters/dpa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2013)

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