Merkel, die Dritte: Am Macht-Olymp

Angela Merkel
Angela Merkel(c) Reuters
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Mit der Angelobung startete eine übergroße Vier-Fünftel-Koalition. Der Kanzlerin ist das nur recht: Der Rückhalt durch die SPD verschafft ihr noch mehr Einfluss in Europa.

Berlin. Blumen, strahlende Gesichter, freundliche Worte: Am Tag ihrer Angelobung übten schwarze und rote Politiker in Berlin beflissen die neue Harmonie. Nach den bisher längsten Verhandlungen für den bisher umfangreichsten Koalitionsvertrag ging am Dienstag alles reibungslos: Der Bundestag wählte Angela Merkel auf Anhieb zum dritten Mal zur Kanzlerin. Präsident Gauck lobte die alte neue Regierungschefin kurz und bündig an, die Minister folgten. Die Opposition aus Grünen und Linken, die sich mit einem kärglichen Fünftel der Parlamentssitze gegen die übergroße Koalition Gehör verschaffen soll, lächelte höflich mit.

Ein Wermutstropfen für die Großkoalitionäre in Amt und Würde: Mindestens 23 Abgeordnete aus den eigenen Reihen, etwa zwölf Prozent der Sozialdemokraten, haben gegen Merkel gestimmt – wohl wissend, dass die Mehrheit ohnehin gewaltig sein würde. Andrea Nahles, bisher SPD-Generalsekretärin, nunmehr Sozialministerin und ganz auf „GroKo“ gepolt, war darüber enttäuscht. 2005 gab es allerdings mehr Abweichler bei einem kleineren Parlament.

Schon am Mittwoch in Paris

Wie haltbar ist das Zweckbündnis wirklich? Für Merkel soll Schwarz-Rot „große Aufgaben“ bewältigen. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel ist die Große Koalition für die „kleinen Leute“ da. In der Logik der Kanzlerin liegt darin kein Widerspruch. Sie sieht die „großen Aufgaben“ nicht zuhause; von weiter reichenden Reformen findet sich nichts im Koalitionspakt. Merkel will Europa nach deutschem Vorbild für den globalen Wettbewerb wappnen. Brüssel braucht sie dazu nicht, wohl aber Finanzminister Schäuble. Um ihre Pläne gegen Widerstände Frankreichs und der südeuropäischen Länder durchzusetzen, ist ihr die massive Mehrheit nur recht. Schon am Mittwoch reist sie mit dieser Rückendeckung zum ersten Auslandsbesuch nach Paris.

Gabriel darf sich unterdessen im Inland um die „kleinen Leute“ kümmern und die beschlossenen finanziellen Wohltaten unters Volk, vor allem unter die Pensionisten, bringen. Sein Verhältnis zur Kanzlerin ist gut. „Ich mag die ja“, hat der neue starke Mann der SPD schon öfters fallen lassen. Merkel schätzt den pragmatischen Gegenspieler; als Umweltminister von 2005 bis 2009 hat sie ihn in guter Erinnerung. Sie gönnte ihm in den Verhandlungen überraschend viele Erfolge. Vom Koalitionspakt bis zu den Personalien haben die Sozialdemokraten dieser Koalition den Stempel aufgedrückt. Die parlamentarische Machtfülle kann Merkel nur nutzen, wenn die Regierung stabil ist. Der Preis dafür war das Einverständnis der roten Basis, die den Pakt mit großer Mehrheit abgesegnet hat. Dass die SPD schon bald abspringen könnte und ihr Heil in Rot-Rot-Grün sucht – davon spricht in Berlin nun niemand mehr. Aus heutiger Sicht sollte das Bündnis bis 2017 halten.

Revoluzzer als Generalsekretär

Merkel wird es vermutlich so steuern wie die Koalitionsverhandlungen: im Hintergrund, moderierend, nur dann eingreifend, wenn es brennt. Auch hier setzt sie auf Schäuble: Der Schatzmeister der Republik kann eine übermäßige Spendierfreude von SPD-Ministern jederzeit mit einem „Finanzierungsvorbehalt“ in die Schranken weisen – auch das steht im Vertrag.

Das schwarze Credo des „Weiter so“ und „Nicht zu viel“ dürfte zu Friktionen führen. Die SPD zeigt mit ihren Personalien, dass sie voller Ehrgeiz in diese Regierung geht. Nachwuchshoffnung Manuela Schwesig, die in den Verhandlungen mit Abbruch drohte, will den familienpolitischen Kurs korrigieren. Die zweite SPD-Reihe der Staatssekretäre ist üppig besetzt: Jörg Asmussen, durch seine EZB-Episode international vernetzt, kann sich als Sozial-Außenminister profilieren. Mit Verbraucherschützer Gerd Billen holt sich das Justizministerium einen ausgewiesenen Experten für das im Verhandlungspoker gewonnene Aufgabengebiet.

Dieser Aufbruchstimmung setzt Merkel wenig entgegen. Immerhin nimmt sie sich mit Peter Tauber als neuem Generalsekretär einen fast noch jugendlichen Revoluzzer zur Brust. Vor einer Woche forderte der hessische Abgeordnete noch, zusammen mit 53 jüngeren Mitstreitern, eine neue Orientierung für eine inhaltlich verblassende Union. Jetzt liegt sie in seiner Verantwortung – soweit „Mutti“, mächtig wie noch nie, es zulässt.

AUF EINEN BLICK

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Dienstag ihre dritte Amtszeit angetreten. Nach der Wahl im Deutschen Bundestag und der Ernennung durch Bundespräsident Joachim Gauck leistete sie am Mittag im Parlament ihren Amtseid. Die 59-jährige CDU-Vorsitzende regiert Europas größte Volkswirtschaft seit November 2005.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2013)

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