Motorsport - aus der Steckdose

Jean Todt
Jean Todt(c) APA/EPA/TOBIAS HASE
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Von 0 auf 100km/h in drei Sekunden, 270 PS per Knopfdruck, weitaus billiger und absolut umweltfreundlich. Im September startet eine revolutionäre Rennserie, die der Formel 1 mit Hollywood-Stars und Ex-Piloten den Kampf ansagt.

Wien. Motorsport ist gleichbedeutend mit aufheulenden Motoren, rauchenden Reifen und Höchstgeschwindigkeiten. Als Prunkstück wird die Formel 1, eine Unsummen verschlingende Rennserie mit elf Teams, angepriesen. Sie dominiert die PS-Sparte, Stars wie Sebastian Vettel sind weltberühmt, und wo auch immer der Tross von Bernie Ecclestone Station macht, drängen sich VIP-Gäste und Starlets. Diese oft steril anmutende Benzinshow erhält heuer Konkurrenz. Umweltschonend, billiger und spektakulär– die Erwartungen an die am 13.September in Peking startende Formel E sind hoch.

Abstriche sind aber gewiss. Der Sound der Elektromotoren ist milder, leiser als der des klassischen Formel-1-Boliden. 80 Dezibel werfen die (per Knopfdruck) maximal 270 PS starken E-Renner aus, im Vergleich: Die F1 liefert Spitzen von bis zu 130 Dezibel. Für Anwohner bei Rennstrecken mag das für Erleichterung sorgen, für PS-Fans ist es eher gewöhnungsbedürftig.

„Grüne“ Rennen in Metropolen

225km/h sollen für die 800 Kilogramm schweren Autos trotzdem möglich sein, und weil sie vom Strom einer Lithiumionen-Batterie (30kWh, 200kg schwer) betrieben werden, wurde anfangs die Option des „Nachladens“ erwogen, aber schnell verworfen. Nach ca. 25 Minuten wird der Wagen getauscht. Zumindest sind, aus diesem Blickwinkel, sinnvolle Boxenstopps gewiss.

Auch weitere Zahlen lassen aufhorchen, die Beschleunigung ist enorm. Diese Autos schaffen es von 0 auf 100 in knapp drei Sekunden. Der Preis überzeugt noch schneller: Der Sprit für ein Formel-1-Rennen kostet pro Auto 1500 Euro. Das E-Mobil braucht 60Kilowattstunden. Kosten? Vielleicht 20 Euro. Ein Formel-1-Team gibt im Durchschnitt 190 Millionen Dollar für jedes WM-Jahr aus, in der Formel E sollen es nur fünf Millionen Dollar (3,5 Millionen Euro) sein.

Insgesamt 42 E-Renner von Spark Racing Technology werden gebaut, verrät Alejandro Agag, Geschäftsführer der Formel-E-Holding. Den Antrieb liefern Experten von McLaren, die Elektronik kommt von Renault oder Abt Audi, für die Einheits-Chassis wurde Dallara gewonnen, erste Bilder zeigen äußerlich kaum Unterschiede zu anderen Rennautos. Als Reifenpartner wurde Michelin gewonnen.

Die Formel E soll nicht die Fehler ihrer Vorgänger wiederholen, es gibt also strikte Etats. Drei Millionen Dollar, also knapp 2,2Millionen Euro, sind für operative Belange der Teams genehmigt worden. Bei der Entwicklung jedoch ist kein Limit in Sicht, und das weckt Einfallsreichtum und die Chance, dass diese Serie Anklang finden kann. „Wer seinen Wagen an ein anderes Team verkauft, darf maximal 350.000 Euro verlangen“, erklärte Agag der Motorsportplattform f1-total.com. „Ein Wettrüsten ist ausgeschlossen.“ Die Serie an den Start zu bringen aber war kostspielig: 70 Millionen Euro flossen in Logistik, Reisen, Planung etc.

DiCaprio als Teambesitzer

Die Rennen der Formel E werden auf Stadtkursen in Peking, Berlin (Flughafen Tempelhof), Rio de Janeiro, Punta del Este, Buenos Aires, Miami, Monte Carlo, London oder Los Angeles stattfinden. Dies soll einerseits die Nähe zum innerstädtischen Verkehr symbolisieren, auf großen Rennstrecken ist andererseits die Skepsis der Anziehungskraft der Elektroserie noch gehörig groß. Der Automobil-Weltverband FIA hält, wohl auf nachhaltigen Zuspruch der Industrie, viel von diesem Pilotprojekt. Ein „grüner“ Motorsport, lobt Präsident Jean Todt, sei „keine Utopie mehr“.

Dienten zuletzt vorwiegend Rallyefahrer als „Versuchskaninchen der Industrie“ – sie testeten ABS, Aufprallschutz, etc. –, soll nun die Formel E letzte Zweifel an dieser Form der Fortbewegung ausräumen. Tests und Beispiele, wie effektiv Elektromotoren sein können, gibt es sonder Zahl. Auch zig Hersteller preisen ihre Autos längst im Handel an – was fehlt, ist ein Zugpferd, die Formel E.

Um rasant an Fahrt und Popularität zu gewinnen, ist das Zutun prominenter Namen unerlässlich. Hollywood-Star Leonardo DiCaprio ist Mitbesitzer des Venturi-Teams, Alain Prost ist für das E.dams-Team aktiv. Andretti Autosport, Super Aguri und Virgin Racing bürgen für PS-Qualität und Know-how. Als Fahrer wurden Indycar-Pilot Marco Andretti (USA), die ehemaligen Formel-1-Fahrer Bruno Senna, Sébastien Buemi, Karun Chandhok, Vitantonio Liuzzi, Lucas di Grassi und Takuma Sato präsentiert.

Formel-1-Champion Sebastian Vettel will mit Einschätzungen erst zuwarten, die ersten Rennen sehen– und hören. „Vielleicht bin ich altmodisch. Aber für mich müssen Autos laut sein, die Erde beben lassen.“ Puristen wie Jack Stewart vergleichen diese Serie aber mit den „Beatles, die ohne Instrumente auftreten“.

Aufzuhalten scheint die Formel E aber keineswegs – sie ist billiger, leiser, geruchsneutraler und wirkt trotzdem auf den ersten Blick wie die Formel 1.

Auf einen Blick

Die Formel E, eine Serie mit Elektromotoren betriebener Rennautos, nimmt im September ihren Betrieb auf. Pro Team (insgesamt zehn) gibt es zwei Fahrer und vier Autos – nach knapp 30Minuten muss der Wagen in der Box getauscht werden, nur so lange hält die Batterie. Ein Highspeed von 225km/h – dank 270 PS – ist möglich.

Als Alternative zur Formel 1 sieht der Weltverband FIA diese Serie, sie ist vor allem umweltfreundlicher und weitaus kostengünstiger. Die Etats der Teams belaufen sich auf 3,5 Millionen Euro – zum Vergleich: Eine F1-Saison kostet im Durchschnitt 150 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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