Satiriker

Anzeige gegen Böhmermann: „Das ist an den Haaren herbeigezogen“

Wirklich bedenklich findet Jan Böhmermann, dass Staatsanwaltschaft und polizeilicher Staatsschutz seiner Ansicht nach instrumentalisiert werden.
Wirklich bedenklich findet Jan Böhmermann, dass Staatsanwaltschaft und polizeilicher Staatsschutz seiner Ansicht nach instrumentalisiert werden.APA / Rolf Vennenbernd
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Das „ZDF Magazin Royale“ berichtete über fragwürdige Praktiken einer Psychotherapeutin, die Polizei ermittelt. Richard David Precht und Markus Lanz werfen dem Satiriker vor: „Für Jan Böhmermann ist jeder, der rechts von der SPD steht, ganz schnell unter Nazi-Verdacht“.

Vier Debatten gibt es derzeit um den deutschen Satiriker Jan Böhmermann. Die erste entstand aufgrund der jüngsten Recherche für Böhmermanns Sendung „ZDF Magazin Royale“. Dabei ging es um eine deutsche Psychotherapeutin, die ihm zufolge Unsinn über angebliche rituelle Gewalt von Satanisten verbreite. Sie war im März bereits Thema einer großen „Spiegel“-Geschichte mit dem Titel „Im Wahn der Therapeuten“.

Noch vor der Ausstrahlung der Sendung ging bei der Kölner Polizei ein anonymer Hinweis ein, dass Informationen angeblich ausgestrahlt werden sollten, die möglicherweise auf strafrechtlich relevante Weise erlangt worden seien. Nun wird gegen Böhmermann ermittelt, bestätigte das ZDF gegenüber dem Branchenportal DWDL.de.

Böhmermann: Staatsanwaltschaft werde instrumentalisiert

„Das ist an den Haaren herbeigezogen“, wehrt sich Böhmermann in einem Gespräch mit der dpa. „Einer unserer Redakteure hat sich bei einem Online-Webinar mit Klarnamen angemeldet, um den fragwürdigen Praktiken einer Psychotherapeutin nachzugehen“, erklärte er. Wirklich bedenklich finde er, dass Staatsanwaltschaft und polizeilicher Staatsschutz seiner Ansicht nach instrumentalisiert werden, „um gegen kritische Berichterstattung vorzugehen oder diese zumindest zu diskreditieren.“

Gegen das „ZDF Magazin Royale“ würden noch andere Verfahren laufen, sagte Böhmermann. In der Sendung am Freitag scherzte er sogar: „Wenn nicht mindestens einmal im Monat eine verrückte Unterlassungsklage reinkommt, dann steht bei mir der Intendant auf der Matte.“ Im Gespräch mit der dpa wollte er sich nicht dazu äußern, welche konkreten Verfahren das sind: „Da geben sicher diejenigen gerne Auskunft, die diese angestrengt haben“, so Böhmermann.

„Ich bin ein ernstzunehmender Clown“

Er verstehe, „dass es eine reizvolle Vorstellung ist, zu unterstellen, im ,ZDF Magazin Royale säßen komplett irre Kettensägenjongleure, die leichtfertig mal eben so was raushauen und anschließend sagen: Haha, sorry, doch nicht, das war doch bloß Blödsinn“, sagt Böhmermann. „Ich bin ein ernstzunehmender Clown, kein windiger Fernsehphilosoph! Und spreche auch für meine Kolleginnen und Kollegen, wenn ich versichere: Jeder Sendungstext wird über viele Wochen vorbereitet, geschliffen, abgewogen und bis ins letzte Detail, jede Formulierung, jeden Witz, geprüft – natürlich auch juristisch. Improvisiert wird im Podcast, nicht hier.“

Die Seitenhiebe auf Podcast-Macher und Fernsehphilosophen beziehen sich auf zwei Männer, die Böhmermann jüngst kritisierten: Moderator Markus Lanz und Philosoph Richard David Precht. Sie arbeiteten sich in ihrer Podcast-Folge vom vergangenen Freitag an dem Satiriker ab.

Böhmermann nehme den „Notausgang Satire“

Precht warf Böhmermann vor, dem Begriff des Nazi die Schärfe zu nehmen: „Für Jan Böhmermann ist ja jeder, der rechts von der SPD steht, ganz schnell unter Nazi-Verdacht“. Wahre Nazis könne man dadurch nicht mehr „von ganz normalen Rechten“ unterscheiden, glaubt er. Lanz stört der Umgang Böhmermanns mit Kritik: „Du zündelst mit Argumenten, haust einen raus, und wenn du merkst, es geht daneben oder fällt dir auf die Füße, dann nimmst du den Notausgang Satire.“

Die Debatte über den Nazi-Begriff bei Böhmermann nimmt Bezug auf die dritte Debatte: Anlass war ein Witz über eine Aussage des CDU-Chefs Friedrich Merz. Dieser hatte seine Partei als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet, ein Spiel mit dem Parteinahmen der „Alternative für Deutschland“ (AfD), die mehrfach mit Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut aufgefallen ist (jüngst schrieb sie in Passau die SA-Losung „Alles für Deutschland“ auf Plakate).

Merz und der Vergleich mit der AfD

Böhmermann inspirierte der Merz-Sager zu folgendem Post: „Keine Sorge, die Nazis mit Substanz wollen nach aktuellem Stand voraussichtlich nur auf kommunaler Ebene mit Nazis zusammenarbeiten“. Zu den Vorwurf, dass Böhmermann mit dem Tweet den Eindruck erwecken, CDU und AfD gleichzusetzen, gab sich der Satiriker fast so etwas wie selbstkritisch: „Vielleicht muss ich ein bisschen mehr erklären“, sagte er, relativierte aber. „Andererseits: Ist es wirklich mein Job, mich zu erklären?“

Im Nachhinein hätten sich einige Leute aus der CDU bei ihm bedankt, dass die öffentliche Aufmerksamkeit nach den Tweet „nicht mehr bei den brandgefährlichen rhetorischen Experimenten von Herrn Merz lag, sondern sich alle über den fiesen Witz des gemeinen Clowns hermachen konnten. Gern geschehen“, so Böhmermann.

Dass sich das ZDF von dem Satz distanzierte, störte ihn nicht, er habe sich in der Vergangenheit schließlich auch das eine oder andere Mal „von meinem geliebten Heimatsender“ distanziert: „Gelebte Vielfalt von Perspektiven und Meinungen, das ist doch unser Auftrag.“

Vorwurf des Rufmords

Kritik, und damit zur Debatte Nummer vier, gibt es auch an den Folgen einer alten Sendung Böhmermanns. Vor etwa einem Jahr hatte das „ZDF Magazin Royale“ von Verbindungen des Präsidenten des deutschen Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, zu russischen Geheimdiensten berichtet. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte ihn daraufhin freigestellt. Schönbohm macht Böhmermann darum den Vorwurf des Rufmords.

„Unsere Recherche steht“, betont Böhmermann. „Und nein, wir haben keine falschen Behauptungen oder unwahre Vorwürfe erhoben. Unsere Recherche ist nicht inhaltlich widerlegt worden oder auch nur presserechtlich zu beanstanden.“ Ob die Innenministerin richtig gehandelt habe, indem sie Schönbohm abberief, müssten andere beurteilen. (her/APA/dpa)

>> Bericht von DWDL.de

>> Bericht im „Spiegel“

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