Vordernberg: Private "Betreuung" für staatliche Schubhäftlinge

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Das Schubhaftzentrum Vordernberg lässt Häftlinge durch einen Wachdienst "betreuen". Dies soll aber keine "Überwachung" sein. Die ÖVP-Innenministerin versucht nun die Begriffe zu klären - und lässt Fragen offen.

Das Grundproblem, die mögliche Verletzung des staatlichen Gewaltmonopols, liegt auf der Hand. Und wird auch durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nicht beseitigt: Darin geht es um das Schubhaftzentrum im steirischen Vordernberg. Dort passt der private Sicherheitsdienstleister G4S auf die Häftlinge auf. „Reine Betreuungstätigkeit“, sagt das Innenressort. „Reine Kontrolle“, kontert Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. Diese hatten die Anfrage eingebracht.

Wälzt also der Staat durch das Heranziehen von Privaten (diese sind im Vergleich zu Beamten kostengünstiger) Hoheitsakte ab? Das Innenressort dementiert. Es sei ja auch Polizei dort. Ein Blick in die Anfrage weckt zumindest Skepsis. Eine Frage lautet: „Werden Kontrollgänge auch von G4S-Mitarbeitern durchgeführt werden? (...) Werden diese von Polizisten dabei begleitet (...)?“

Mikl-Leitner antwortet umsichtig: „Begehungen im Bereich des offenen Vollzuges werden bei Bedarf grundsätzlich gemeinsam mit Exekutivbediensteten durchgeführt werden. Reine Betreuungstätigkeit wird von der G4S ohne Begleitung durch Exekutive durchgeführt. Um circa 21Uhr erfolgt ein gemeinsamer Rundgang von G4S und Exekutive, anschließend erfolgt die Verbringung der Insassen in die Wohneinheiten durch Exekutive. In der Nacht (22 bis sieben Uhr) werden die Kontrollgänge ausschließlich durch Exekutivorgane durchgeführt werden (...).“

Also wenn nur die privaten Wachleute am Werk sind, heißt das „Betreuung“. Wenn Private Schulter an Schulter mit Polizeibeamten unterwegs sind, wird von „Begehung“ oder „Rundgang“ gesprochen. Und wenn die Polizei allein unterwegs ist – nur dann ist dies ein „Kontrollgang“. An anderer Stelle heißt es in der Beantwortung: „Die Betreuung der angehaltenen Menschen im offenen Vollzug obliegt grundsätzlich der G4S, die Überwachung der Exekutive.“

Abgrenzung schwer möglich

Dass diese Formen privaten und staatlichen Handelns in der täglichen Praxis eines Gefängnisses kaum noch voneinander abzugrenzen sind, scheint offenkundig. Dazu kommt, dass der Begriff „Betreuung“ – so wie er vom Innenressort gemeint ist – sehr wohl auch Anlass zu Kritik bietet: In den (der „Presse“ vorliegenden) Angebotsbestimmungen des Vertrages zwischen dem Bund und der Gemeinde Vordernberg werden unter dem Punkt „Betreuungsmanagement/Sicherheitsdienste“ auch Tätigkeiten wie „Begleitung von Angehaltenen im Haus“ oder „Zeitplanung für Personenbewegungen“ aufgelistet. Da hakt die Volksanwaltschaft ein. In einem Zwischenbericht heißt es: „Soweit einem privaten Unternehmen die Befugnis eingeräumt wird, eine Tagesstrukturierung für die Angehaltenen festzulegen und durchzusetzen, kann von einem befehls- und zwangsfreien Umgang mit den Insassen nicht mehr gesprochen werden.“

„Raus aus diesen Verträgen“, fordert nun Korun. „Sonst gehen die Grundrechte baden.“ Hingegen hat der Chef von G4S Österreich, Matthias Wechner, klargemacht, dass er Interesse daran habe, mit seinen Leuten künftig auch in Strafvollzugsanstalten tätig zu werden. In welche Richtung das Pendel ausschlägt, ist offen. Die Frage wird sein, wie gut Vordernberg funktioniert – derzeit läuft das für bis zu 220 Gefangene ausgelegte Zentrum klaglos. Angemerkt sei aber, dass sich derzeit erst gezählte neun Häftlinge dort aufhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2014)

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