Was die grüne Abgeordnete zu sagen hat, füllt im Kosovo die Titelseiten der Zeitungen.
„Wollten Sie mir nicht eine Frage stellen?“, meint Ulrike Lunacek. Die beiden kosovarischen Journalisten wirken geistesabwesend. Dann gestehen sie der grünen Europaabgeordneten, warum sie sich nicht konzentrieren können. „Es ist wegen einer Frau.“ Lunacek lächelt. Und die beiden Journalisten öffnen ihr Herz. Beide sind in dieselbe Frau verliebt. Doch die interessiert sich nicht für Männer. Sie interessiert sich nur für Frauen. Lunacek versucht die Journalisten ein wenig zu trösten. Und dann sagt sie: „Es wird immer verschiedene Arten von Menschen in jeder Gesellschaft geben. Wichtig ist, dass Toleranz zwischen allen herrscht.“
Dieses Gespräch war nicht Teil eines wirklichen Interviews. Es stammt aus dem Plot einer Folge der Serie „Seeing is Believing“, die im kosovarischen Sender RTK 1 läuft. Und Ulrike Lunacek spielte Ulrike Lunacek.
Die grüne Politikerin mag in Österreich – gemäß dem Schicksal von Europaabgeordneten – vielen nicht bekannt sein. Im Kosovo ist sie jedoch ein Medienstar, der auch zu Gastauftritten in verschiedene Soap Operas geladen wird. In einer Folge von „Kafeneja Jonë“ (Unser Café) etwa überzeugt sie einen jungen Kosovaren davon, nicht zu versuchen, über eine fingierte Ehe in die EU zu gelangen, sondern besser im Kosovo zu bleiben und mitzuhelfen, das Land aufzubauen.
Lunacek ist für die Öffentlichkeit des Kosovo mittlerweile fast so etwas wie eine moralische Instanz – nicht nur in fiktiven Serien. Was sie als Berichterstatterin des Europaparlaments zu sagen hat, hat Gewicht und füllt die Titelseiten der wichtigen Zeitungen des Kosovo. Spitzenpolitiker wie Premier Hashim Thaçi verfolgen peinlich genau, wie Lunacek in ihren Interviews in Kosovos TV-Sendern etwa die Leistung der Regierung bewertet. Und mit ihren kritischen Aussagen zu Korruption und organisierter Kriminalität machte sichLunacek im jüngsten Staat Europas nicht nur Freunde.
Als außen- und entwicklungspolitische Sprecherin der österreichischen Grünen beschäftigte sich Lunacek seit vielen Jahren mit internationaler Politik. 2009 wechselte sie ins Europaparlament, seit September 2009 ist sie Berichterstatterin des EU-Parlaments für den Kosovo. Und auch Abseits des Themenbereichs Südosteuropa formt die Österreicherin die außenpolitischen Ideen der europäischen Grünen mit. Lunaceks Gespräche mit Politikern des Kosovo halfen, den Boden für den Dialog zwischen Belgrad und Prishtina aufzubereiten, der die Voraussetzung für die Annäherung Serbiens und des Kosovo an die EU ist.
Serbien hat im Jänner mit den EU-Beitrittsgesprächen begonnen, der Kosovo muss noch warten. Ein erster Schritt wäre die Liberalisierung des Visaregimes. Lunacek setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Kosovos Staatsbürger ohne Visa in die EU reisen dürfen. „Die organisierte Kriminalität braucht keine Visafreiheit, die schafft es auch so über die Grenzen“, meint Lunacek. Visafreiheit sei vor allem für junge Leute wichtig, um reisen und der Isolation entfliehen zu könnten. Und viele Junge im Kosovo verfolgen genau, was Lunacek ihnen zu sagen hat – ob in den Fernsehnachrichten oder in TV-Serien.