Quergeschrieben

Von Burgerkings, Kleingärtnern und Taliban-Verstehern

Angepatzt? Ist parteiübergreifend die Politik. Das Wochenmenü, das rote, schwarze und blaue Politiker und ihre Haberer serviert haben, ist – pardon – zum Kotzen.

Feind hört mit, diese Volksweisheit sollte in sozialmedialen Zeiten auch der Kanzler verinnerlicht haben. Ebenso, dass er selbst dann nicht privat ist und sudern kann, wie ihm offenbar der Schnabel gewachsen ist, wenn er sich unter (Partei-)Freunden wähnt.

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Tatsächlich steht Österreich wirtschaftlich und sozialpolitisch besser da, als es Medien und Stammtische vermuten ließen. Das soziale Netz ist eng geknüpft, auch für jene Zuwanderer, die des Lesens, Schreibens und der deutschen Sprache unkundig und auf dem Arbeitsmarkt (zunächst) nicht einsetzbar sind. Andererseits erschweren rasant steigende Nahrungsmittel- und Energiekosten längst nicht nur Mindestlohn- und Sozialhilfeempfängern ein würdiges (Über-)Leben. Die Armutsgrenze ist im reichen Österreich schneller erreicht, als so manche(r) im Akkord hackelt. Kinder können sich nicht aussuchen, in welches Umfeld sie geboren werden. Sie sind die Leidtragenden, wenn ihre Eltern mit dem Haushaltsgeld, aus welcher Quelle auch immer, nicht auskommen. Sie mit einem Hamburger-mit-Pommes-frites-Mittagessen in einer Fast-Food-Kette abzuspeisen ist buchstäblich geschmacklos.

Dass, wie Jeannine Hierländer in ihrem gewissenhaft recherchierten Hintergrundartikel zur Armutsdefinition in der „Presse“ geschrieben hat, im Alter von acht Jahren 6,7 Prozent der Mädchen und 10,1 Prozent der Buben im Jahr 2019 adipös waren, hat vermutlich viel mit der Karl Nehammer wärmstens empfohlenen Mahlzeit zu tun. Vielleicht überredet der schwarze Burgerking ja seinen Wiener Parteikollegen, Karl Mahrer, dass er dem Wiener Bürgermeister nahelegt, für die Aktion „Eine Stadt. Ein Buch“ eines der Kochbücher gratis verteilen zu lassen, die „Rezepte unter 2 Euro“ (Bettina Matthaei), „Nachhaltig kochen unter 1 Euro“ (Hanna Olvenmark) oder „Haubenküche zum Beisl-Preis. 5-Euro-Rezepte von Österreichs besten Köchen“ (Hrsg. Michael Walk) vorstellen. Das wäre zumindest gesünder als Nehammers Menüvorschlag, der ein gefundenes Fressen für SP-Chef Andreas Babler war.

Allerdings muss Babler selbst eine unappetitliche Brühe auslöffeln, die am Breitenleer Schotterteich aufgekocht ist. Dort haben der Donaustädter Bezirksvorsteher, die stellvertretende Bezirksvorsteherin von Mariahilf, eine Gemeinderätin sowie eine Nationalratsabgeordnete (alle SPÖ) Grundstücke rechtzeitig vor der Umwidmung in (teures) Bauland beneidenswert preisgünstig erworben. Abgesehen von einer angekündigten schonungslosen Aufklärung könnte Babler, der ja für freien Seezugang „für unsere Leit’“ ist, seinen Wunsch Wirklichkeit werden lassen und als ersten Schritt das Breitenleer Ufer für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Aber vermutlich hält es der SP-Chef wie mit der 32-Stunden-Woche für Parteimitarbeiter (m/w/*): Er will nicht mit gutem Beispiel vorangehen. Auch Ottakrings roter Bezirkskaiser hat, zwei Wochen bevor der Verkauf eingestellt wurde, einen Kleingarten um kolportierte 72.000 Euro auffallend wohlfeil erstanden. „Insiderhandel“ ist der dafür juristisch vermutlich nicht adäquate Begriff, trifft es aber doch. „Ohne Connections sind Kleingärten kaum zu ­haben“ (Christine Imlinger in der „Presse“) – und wenn, dann zu Preisen von 300.000 Euro aufwärts.

Wäre spannend, ob Ex-Sora-Chef Günther Ogris diese Deals der Genossinnen und Genossen wahlwerbetechnisch unter „rot ist gleich warmherzig“ hätte verkaufen wollen. Dass sich nach dem türkisen Karmasin-Gau um mutmaßlich geschönte Umfragen just der Chef eines Meinungsumfra­geinstituts als SP-Wahlkampagnenguru andient, ist ebenso unpackbar wie die Tatsache, dass aktive und ehemalige FP-Politiker, die üblicherweise „Daham statt Islam“ werbetexten lassen, zur Taliban-Imagepolitur nach Afghanistan gereist sind. Wie Rapper Scheibsta singt: „Es ist eh schon wurscht. Das Leben ist ein Kabarett.“ Gilt das künftig auch für die Politik und ihre Haberer?

»Allerdings muss Babler selbst eine unappetitliche Brühe auslöffeln, die am
Breitenleer Schotterteich aufgekocht ist.«

Zur Autorin:

Dr. Andrea Schurian­ ist freie Journalistin. Die ehemalige ORF-Moderatorin („Kunst-Stücke“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerporträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturressort der Tageszeitung „Der Standard“. Seit Jänner 2018 ist sie Chefredakteurin der jüdischen Zeitschrift „NU“. 

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