Kommentar

Der VfGH hebt das ORF-Gesetz auf – was für eine Blamage

Martin Juen via www.imago-images.de
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Der Verfassungsgerichtshof sieht die Unabhängigkeit der ORF-Gremien gefährdet – und hebt das Gesetz teilweise auf. Es wird Zeit, die Regierenden daran zu erinnern, dass ein „ORF für alle“ mehr ist als ein Werbeslogan.

Es ist eine Bankrotterklärung der heimischen Medienpolitik. Denn statt dafür zu sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auf seine verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit verlassen kann, geht es den Regierenden (heute wie damals) um Macht und Einfluss in den ORF-Gremien. Jetzt hat der Verfassungsgerichtshof ein Machtwort gesprochen – und einige Passagen des ORF-Gesetzes aufgehoben, in denen es um die Besetzung von Stiftungs- und Publikumsrat geht. Wichtigste Begründung: Die Unabhängigkeit der Gremien (und damit des ORF insgesamt) sei gefährdet. Was für eine Blamage für ein Land, das sich auf demokratische Spielregeln beruft. Denn dazu gehören untrennbar auch die unabhängigen Medien.

Das Höchstgericht hält das ORF-Gesetz also in einigen Punkten für nicht verfassungsgemäß. Bemängelt wird unter anderem der übermäßige Einfluss der Bundesregierung auf den Stiftungsrat, das oberste Aufsichtsorgan des ORF. Der Bundeskanzler rede wiederum zu viel bei der Zusammensetzung des Publikumsrats mit – er könne da teilweise „nach Belieben“ entscheiden, kritisiert der VfGH. Es mangle an Pluralismus in den Gremien. Und dass Stiftungsrats-Mitglieder abberufen werden können, wenn sich Regierungen in Bund oder Ländern ändern, stärkt auch nicht gerade deren verfassungsmäßig verbriefte Unabhängigkeit.

Immer wieder wurde und wird die Entpolitisierung des ORF gefordert. Was bisher dazu geschah, waren kaum mehr als Lippenbekenntnisse – der beste Beweis dafür ist jener Sideletter zur Regierungsvereinbarung, in dem ÖVP und Grüne die ORF-Chefposten untereinander aufteilten. Würden es die Regierenden mit der Unabhängigkeit des ORF tatsächlich ernst meinen, hätten sie längst danach handeln können. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat etwa Publikumsrats-Sitze freihändig und nicht gesetzeskonform vergeben – aber es gibt derzeit keine Instanz, die ihr deswegen auf die Finger klopfen kann und darf.

Es würde also nichts dagegen sprechen, das ORF-Gesetz über die vom VfGH monierten Passagen hinaus zu reparieren. Dazu wäre ein breiter gesellschaftlicher Diskurs notwendig – etwa über die Frage, ob man den Stiftungsrat nicht von seiner derzeitigen Größte (35 Mitglieder) zu einem arbeitsfähigen Format zusammenstreichen und dafür den Publikumsrat aufwerten und neu zusammensetzen sollte. Die ehemalige Hörer- und Sehervertretung repräsentiert die Gesellschaft ohnehin nicht mehr. Man sollte also nicht nur die Gebührenzahler, sondern auch die Politik daran erinnern, dass es ein „ORF für alle“ ist, von dem wir da reden.

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