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Städteplanung: Wie sieht sie aus, die ideale Uni-Stadt?

Für Stephanie Drlik, Geschäftsführerin der Österreichischen ­Gesellschaft für Landschaftsarchitektur (ÖGLA), bedeutet Städteplanung immer das Abwägen von Interessen.
Für Stephanie Drlik, Geschäftsführerin der Österreichischen ­Gesellschaft für Landschaftsarchitektur (ÖGLA), bedeutet Städteplanung immer das Abwägen von Interessen.Jana Madzigon
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Bei der Wahl des richtigen Studienortes geht es zunehmend auch um räumliche Gegebenheiten. Was aber macht eine Stadt zum Wohlfühlort für Studierende?

Bei der Auswahl des passenden Studienortes ist Vorsicht geboten. Denn dass es in einer Stadt eine Universität oder Fachhochschule gibt, heißt noch lange nicht, dass Studierende dort auch einen optimalen Lebensraum vorfinden. Was aber macht den überhaupt aus? Wie wird ein Ort zur perfekten Uni-Stadt?

Eine Frage, auf die es eigentlich viele Antworten geben sollte. Immerhin profitieren Städte doch von einer bunten Studentenszene und der Anwesenheit einer internationalen Wissenschaftscommunity. Wer die Spurensuche zu dieser Frage, passend zum Thema Universität, wissenschaftlich angehen möchte, wird allerdings schnell enttäuscht. Die Forschung hat darauf nämlich nicht nur keine eindeutige Antwort, es sieht auf den ersten Blick sogar so aus, als hätte sie sich mit diesem Thema noch gar nicht so richtig beschäftigt.

Eigener Mikrokosmos

Doch diese Annahme täuscht, sagt Stephanie Drlik. Sie ist Geschäftsführerin der Österreichischen ­Gesellschaft für Landschaftsarchitektur (ÖGLA), Leiterin des Hauses der Landschaft und Expertin für Landschaftsarchitektur und Städtebau. „Ich denke, dass es hierzulande keinen eigenen Forschungs­fokus darauf gibt, weil die Wünsche von Studierenden an eine Stadt eigentlich das beinhalten, womit wir uns in der modernen Stadtplanung ohnehin alle beschäftigen: leistbaren Wohnraum, kurze Wege, autofreie Mobilitätskonzepte, etc.“

Landschafts- und Stadtplanung ist für die Expertin immer auch Verhandlungssache. „Planen bedeutet nicht, dass ich die nach meinen Vorstellungen perfekte Uni-Stadt aufzeichne“, sagt Drlik. Stattdessen müssten die Interessen der verschiedensten Gruppen mitgedacht werden – von der Wissenschaft über die Immobilienwirtschaft bis zur Gastronomie und vielen mehr. Studieren sei immerhin nicht wie in die Schule gehen.

„Man betritt nicht am Morgen ein Gebäude und geht nach dem Unterricht wieder“, sagt Drlik. Insofern seien die Anforderungen an eine attraktive Studentenstadt vielfältiger. Auf die Größe einer Stadt komme es jedenfalls weniger an. „Studierende bewegen sich in ihrem Mikrokosmos. Ob das ein Mikrokosmos in Wien ist oder in Kufstein, ist weitgehend egal“, erklärt die Expertin. Freilich würden aber etwa ein breites kulturelles Angebot und ein internationales Umfeld einen Ort attraktiver machen.

Wunsch nach viel Grünraum

Was den geeigneten Standort für eine Universitätseinrichtung angeht, gibt es in den meisten europäischen Städten einen ganz anderen Ansatz als etwa in den USA. Die Städte sind historisch gewachsen, insofern sind – wie etwa in Wien – die Gebäude, die zu einer Hochschule gehören, oft über die Stadt verstreut. Das hat den Vorteil, dass es zu viel Durchmischung mit der restlichen Bevölkerung kommt, sagt Drlik. Der Nachteil ist, dass mehr Wegzeit eingeplant werden muss, um vom einen zum anderen Standort zu gelangen. Das Gegenmodell dazu ist der Uni-Campus nach US-Modell, wo vom Wohnheim über Hörsäle und Labore bis Restaurants, Bars und Supermärkten alles an einem Ort verfügbar ist. Charakteristisch sei auch der viele Grünraum auf einem US-Campus. „Das ist natürlich sehr effizient, wenn alles so nah beieinander ist“, sagt Drlik.

Gleichzeitig bringt so ein abgeschlossenes System aber auch Gefahren mit sich. Immer wieder kommt es zu Übergriffen und Prügeleien. Nicht ohne Grund werden für Erstsemester eigene Kurse zur Sicherheit auf dem Campus angeboten.

Wenn es in Österreich einen Uni-Campus gibt, dann handelt es sich in der Regel um weniger geschlossene Systeme. So wird etwa jener auf dem Gelände des alten AKH in Wien auch von der restlichen Stadtbevölkerung genutzt – unter anderem zum Joggen. Umgekehrt nutzt etwa die Universität für Bodenkultur (Boku) den im 18. Bezirk angrenzenden Türkenschanzpark als eine Art erweiterten Campus. Kurse wie Gehölzkunde werden dort praktischerweise gleich in den Park verlegt. Die Studierenden nutzen die Grünflächen außerdem zum Lernen, zum Sportmachen oder etwa auch zum Flunky-Ball-Spielen.

„Wenn es auf einer Uni gar keinen Grünraum gibt, wird das als Mangel wahrgenommen“, sagt Drlik. Und das sei nicht erst seit der Pandemie so. Den Wunsch der Menschen nach einer grünen Umgebung habe es immer schon gegeben, mittlerweile habe das aber auch die öffentliche Hand verstanden und investiere stärker in diesen Bereich.

Park Working statt Home Office

Drlik plant mit ihrem Landschaftsarchitekturbüro lapropos mit der Stadt Wien gerade Arbeitsplätze im Freien. In drei Parks gibt es das „Park Working“ bereits. Die Idee dahinter ist, dass in Parks Geräte wie Handys und Laptops mittels Fotovoltaik geladen werden können. Dabei gilt es vor allem, die Lichtverhältnisse zu beachten, damit das Arbeiten am Bildschirm möglich ist. Das Projekt startete während der Coronapandemie, als viele zum Arbeiten ins Freie auswichen, dort aber nicht das geeignete Umfeld vorfanden. Mittlerweile ist die Pandemie aber auch im Hochschulumfeld quasi vorbei – auch wenn heute mehr Kurse online bzw. hybrid angeboten werden als davor.

„An der Uni kommen die Studierenden aber immer mehr zurück in den Präsenzbetrieb“, sagt Flora Schuster. Sie studiert Landschaftsplanung an der Boku und arbeitet nebenbei für die ÖGLA. Für die Studierenden seien neben leistbarem Wohnen und guter Erreichbarkeit der Hochschuleinrichtungen auch Räume wichtig, in denen man sich aufhalten kann, ohne konsumieren zu müssen. Auf vielen Unis kann man diese mittlerweile für eine bestimmte Zeit reservieren. Auch Schuster bringt die Verfügbarkeit von Grünraum wieder ins Spiel: „Ich war vor Kurzem in Leoben, eine Stadt, die von der Uni und der Industrie sehr geprägt ist, aber der Grünraum fehlt mir dort“, sagt Schuster.

Orte der Wissenschaft

Bei der Suche nach der perfekten Uni-Stadt geht es nicht um das bloße Studieren. Auch, wie gut die Wissenschaft hier arbeiten, wie gut Forschung funktionieren kann, sind relevante Fragen. Im deutschen Heidelberg hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Bauausstellung mit dem Thema Bildung als Anlass für die Stadtplanung beschäftigt. Kein Wunder eigentlich, in Heidelberg befindet sich die älteste Universität Deutschlands, viele Hochschulen und Forschungsinstitute sind dort ansässig, rund ein Viertel der Bewohner sind Studenten.

In Heidelberg im deutschen Bundesland Baden-Württemberg denkt man in den vergangenen Jahren vermehrt über Bildung als Anlass für Städteplanung nach. Nicht zufällig: Heidelberg ist der Sitz der ältesten Universität Deutschlands.
In Heidelberg im deutschen Bundesland Baden-Württemberg denkt man in den vergangenen Jahren vermehrt über Bildung als Anlass für Städteplanung nach. Nicht zufällig: Heidelberg ist der Sitz der ältesten Universität Deutschlands.Daniel Roland

Daher hat man sich damit auseinandergesetzt, dass Forschende von der räumlichen Nähe zueinander enorm profitieren. Die Gründung von „Technikparks“ reiche dafür aber nicht, heißt es in einer Analyse zur „Wissenschaftsstadt Heidelberg“. Stattdessen gehe es um die Qualität der verantwortlichen Akteure und der Rahmenbedingungen. Internationale Forscher siedelten sich vor allem dann in Heidelberg an, wenn sie eine hohe Wohnqualität vorfänden, internationale Schulen vorhanden seien und die Kriminalitätsrate niedrig sei. Auch entsprechende Kinderbetreuung sei ein entscheidender Punkt. Ein Thema, an dem auch Österreich gerade mit Hochdruck arbeitet.

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