KV-Verhandlungen

„Realitätsfern“: Erste Verhandlungsrunde für Handels-KV bringt keine Annäherung

Geschäfte in der Wiener Innenstadt. Die Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 430.000 Handelsangestellten sind am Dienstagvormittag gestartet. 
Geschäfte in der Wiener Innenstadt. Die Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 430.000 Handelsangestellten sind am Dienstagvormittag gestartet. Die Presse/Clemens Fabry
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Die Gewerkschaft warf den Arbeitgebern nach der Verhandlung eine „völlig unverständliche“ Haltung vor, die Arbeitgeber sprachen von „Realitätsferne“ der Arbeitnehmer. Am 9. November soll weiterverhandelt werden.

Die Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 430.000 Handelsangestellten haben am Dienstag in der ersten Verhandlungsrunde keine Annäherung gebracht. Die Gewerkschaft rief nach dem Ende der Gespräche zu Betriebsversammlungen vom 2. bis zum 8. November auf. Die Gewerkschaft warf nach der Verhandlung den Arbeitgebern eine „völlig unverständliche“ Haltung vor, die Arbeitgeber sprachen von „Realitätsferne“ der Arbeitnehmer. Am 9. November soll aber weiterverhandelt werden.

Gewerkschaftsverhandlerin Helga Fichtinger hatte ein Gehaltsplus von elf Prozent und mehr Urlaub sowie eine Diskussion über eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung gefordert. Die Arbeitgeber hätten ihrerseits überhaupt kein Angebot vorgelegt, kritisiert die Gewerkschaft in ihrer Aussendung am Nachmittag. „Das Verhalten der Arbeitgeber ist völlig unverständlich und wir sind empört“, schreibt Martin Müllauer, Vorsitzender des GPA-Wirtschaftsbereiches Handel. „Das war heute keine Verhandlung, es war ein Versuch, bisherige Spielregeln zu brechen und uns einseitig ihre Bedingungen zu diktieren“, so das GPA-Verhandlungsteam.

Handelsobmann Trefelik: „Irritiert über die Realitätsferne“

„Ich bin gelinde gesagt irritiert über die Realitätsferne, die die heutige Verhandlungsrunde beherrscht hat. Die Arbeitnehmervertreter:innen scheinen die äußerst schwierige Situation, in der sich die heimischen Handelsbetriebe befinden, völlig zu negieren“, schreibt seinerseits Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, der auf der Arbeitgeberseite den Kollektivvertrag verhandelt, in einer Aussendung. Die Gewerkschaft solle bis zum nächsten Verhandlungstermin „von den ‚wirtschaftlich nicht darstellbaren‘ Forderungen abrücken“. Eine deutliche Erhöhung der Gehälter bei einer Verringerung der Arbeitszeit sei nicht vorstellbar. Das wichtigste sei der Erhalt der Arbeitsplätze.

„Die von der Gewerkschaft geforderte KV-Erhöhung um elfProzent ist für uns undenkbar, denn das würde eine nachhaltige Arbeitsplatzsicherung verunmöglichen und viele Handelsbetriebe wirtschaftlich ruinieren“ schreibt auch Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer eigenen Aussendung. Maßnahmen der Regierung gegen die Inflation müssten in die Berechnung des Kollektivvertragsabschlusses eingerechnet werden.

Gewerkschaft fordert zusätzliche „Freizeittage“

Die GPA fordert bei den diesjährigen KV-Verhandlungen anstatt der jahrelang ventilierten „leichteren Erreichbarkeit“ der sechsten Urlaubswoche nun zusätzliche dauerhafte „Freizeittage“, nämlich ab fünf Dienstjahren drei Arbeitstage, ab sieben Dienstjahren zwei Arbeitstage und ab zehn Dienstjahren einen Arbeitstag. Weiters wünschen sich die Arbeitnehmervertreter einen gemeinsamen Sozialpartner-Prozess zur generellen Arbeitszeitverkürzung. Außerdem fordert die Gewerkschaft einen Zuschlag für Mehrarbeitszeiten ab der ersten Stunde der Überschreitung über das vereinbarte Arbeitszeit-Ausmaß hinaus. Für Mitarbeiter mit 30 Dienstjahren solle es zwei Bruttomonatsgehälter und 2 zusätzliche freie Tage als Prämie geben. „als Wertschätzung und Ausgleich für die lange Tätigkeit“, so Fichtinger.

Vorerst sind vier Verhandlungsrunden fixiert. Fichtinger wollte heute Mittag zunächst das Angebot der Arbeitgeber abwarten. Ganz grundsätzlich sei die Gewerkschaft für Kampfmaßnahmen bereit, Vorratsbeschlüsse gebe es aber nicht. Zusätzliche Verhandlungsrunden seien denkbar, das werde sich aber erst im Laufe der Gespräche herausstellen.

Fünf Verhandlungsrunden und Streikdrohung im Vorjahr

Im Vorjahr lag die als Verhandlungsbasis für den Handels-Kollektivvertrag herangezogene rollierende Inflation bei 6,9 Prozent. Nach fünf Verhandlungsrunden und einer Streikdrohung einigten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter auf ein Gehaltsplus von sieben Prozent und mindestens 145 Euro ab 1. Jänner 2023. Damit belief sich die durchschnittliche Erhöhung der KV-Gehälter laut Gewerkschaft auf 7,3 Prozent. Bei den Mindestgehältern betrug die Erhöhung bis zu 8,7 Prozent. Das Vollzeit-Einstiegsgehalt für Handelsangestellte liegt seitdem bei monatlich 1945 Euro brutto (1535 Euro netto).

Knapp zwei Drittel der Angestellten im Handel in Österreich sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeitet Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote nur bei rund 13 Prozent. (APA)

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