Oberstes Gericht

Britische Regierung will nach Urteil neuen Abschiebe-Vertrag mit Ruanda abschließen

Gegner der umstrittenen Pläne demonstrierten vor dem Supreme Court in London am Mittwoch.
Gegner der umstrittenen Pläne demonstrierten vor dem Supreme Court in London am Mittwoch. Reuters / Peter Nicholls
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Die Pläne der britischen Regierung von Rishi Sunak, Migranten nach Ruanda abzuschieben, ist rechtswidrig, urteilt der Supreme Court. Der Premier will illegale Migration weiter bekämpfen. Beobachter erachten einen Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Menschenrechtskonvention für möglich.

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat nach der gerichtlichen Niederlage im Zusammenhang mit den Asylplänen seiner Regierung einen neuen Vertrag mit Ruanda angekündigt. Seine Regierung habe bereits vor der Entscheidung des Obersten Gerichts an dem Abkommen gearbeitet, sagte Sunak am Mittwoch im Parlament in London. Das Gericht hatte das ursprüngliche Regierungsvorhaben zur Abschiebung von Asylsuchenden nach Ruanda zuvor als rechtswidrig eingestuft.

„Wir haben das heutige Urteil zur Kenntnis genommen und werden nun weitere Schritte erwägen“, teilte Sunak nach dem Urteil mit. „Das war nicht das Ergebnis, das wir uns erhofft haben, aber wir haben die letzten Monate damit verbracht, für alle Eventualitäten zu planen.“ Im Parlament kündigte der Premier an, dass er Großbritanniens internationale Verpflichtungen sowie die heimische Gesetzgebung im Lichte der Entscheidung überprüfen werde. Dies könnte nach Ansicht von Kommentatoren auch die britische Mitgliedschaft in der Europäischen Menschenrechtskonvention betreffen. Sunak betonte, absolut daran festzuhalten, dass die Boote gestoppt werden müssten. „Illegale Migration zerstört Leben und kostet britische Steuerzahler Millionen Pfund pro Jahr. Wir müssen das beenden, und wir werden alles tun, was dafür nötig ist“, hieß es in der Stellungnahme des Regierungschefs.

Für die konservative Regierung ist das Urteil ein Rückschlag. Die Abschiebungen in das mehr als 6.400 Kilometer entfernte afrikanische Land sollten Migranten davon abschrecken, in kleinen Booten von Frankreich aus über den Ärmelkanal ins Land zu kommen. Im vergangenen Jahr waren mehr als 45.000 Menschen auf diesem Weg ins Vereinigte Königreich gelangt. Zwar ist die Zahl in diesem Jahr mit bisher etwa 27.000 niedriger als im Vorjahresvergleich. Doch das Versprechen der Regierung, die Boote zu stoppen, gilt noch nicht als eingelöst.

Kritiker sprachen von „Schande für Großbritannien“

Der Druck auf Premier Rishi Sunak vor allem vom rechten Flügel seiner Partei dürften nun weiter zunehmen, dessen Maßnahmen gegen die vermehrte Zuwanderung waren einer der Grundpfeiler seiner Regierung. Das Sunak nicht „liefert“, kritisiert auch die am Montag von ihrem Amt entlassene Innenministerin Suella Braverman in einem offenen Brief an ihren Ex-Chef.

Der im April 2022 geschlossene Abschiebepakt mit Ruanda ist ein wichtiger – und sehr kontroverser – Teil der verschärften Asylpolitik nun ehemaligen Innenministerin. Der erste Abschiebeflug wurde vor über einem Jahr in letzter Minute durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gestoppt, sehr zum Ärger der britischen Regierung. Der Plan war im In- und Ausland auf heftige Kritik gestoßen. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hatte das geplante Vorgehen als Bruch internationalen Rechts verurteilt. Englands Bischöfe sprachen von einer „Schande für Großbritannien“. In manchen EU-Ländern, so etwa auch in Österreich, waren sie allerdings auf Interesse gestoßen. So waren sie unter anderem eines der Hauptthemen beim Besuch der damaligen britischen Innenministerin Suella Braverman Anfang November in Wien. 

Automatische Abschiebung als Abschreckung geplant

Flüchtlingsorganisationen und einzelne Asylbewerber hatten den Plan vor britischen Gerichten angefochten. Zunächst verloren sie: Im Dezember urteilte der High Court, dass das Ruanda-Programm rechtens sei. Im Juni hatte das Berufungsgericht diesen Entscheid gekippt - die Regierungspläne landeten dann vor dem Supreme Court, der am Mittwoch urteilte. Den Scherbenhaufen muss nun der neue Innenminister James Cleverly aufräumen, der vorherige Außenminister hat Bravermans Amt Anfang der Woche übernommen.

Eines der wichtigsten innenpolitischen Ziele der Regierung von Premier Sunak besteht darin, der Migration über den Ärmelkanal einen Riegel vorzuschieben: „Stop the Boats“, lautet der Slogan. Die automatische Abschiebung nach Ruanda hätte als Abschreckung dienen sollen – wenn auch Experten bezweifeln, dass der Plan den gewünschten Effekt hätte. Die Regierung solle selbst entscheiden können, wer ins Land komme und wer nicht, sagte Sunak schon im Sommer, als er vor Gericht einen Dämpfer hatte einstecken müssen. „Ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass dies passiert.“ Nun sind im juristisch die Hände gebunden. Seine (und Bravermans) Pläne können nicht wie von ihm vorgesehen umgesetzt werden. (Red./Ag.)

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