Migration

Asyllager in Drittstaaten sind EU-konform

Giorgia Melonis Deal mit Albanien steht nichts mehr im Wege
Giorgia Melonis Deal mit Albanien steht nichts mehr im WegeReuters / Remo Casilli
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Der Pakt der italienischen Regierung mit Albanien entspricht laut Einschätzung von Brüsseler Rechtsexperten EU-Recht. Das freut auch Österreich.

Italien hat das Pouvoir der EU-Kommission, Migrantenlager in Albanien zu betreiben – und nimmt damit eine Vorreiterrolle für gleichartige Projekte in der ganzen Union ein: Der juristische Dienst der Brüsseler Behörde gelangte Mittwochabend zu der Einschätzung, dass „EU-Recht außerhalb des EU-Gebietes nicht anwendbar ist“, das Vorhaben folglich also nicht rechtswidrig ist. Ein logischer Schluss, könnte man meinen – aber nur auf den ersten Blick. Denn die beiden Lager in Albanien sollen, so steht es im vergangene Woche zwischen Rom und Tirana unterzeichneten Protokoll, unter italienischer Gerichtsbarkeit stehen und mit italienischem Personal betrieben werden. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist hier eindeutig: „Mitgliedstaaten, die in einem Drittstaat tätig werden, müssen sich auch dort an das EU-Recht halten“, betont Europarechtler Walter Obwexer im Gespräch mit der „Presse“.

Die Regierung von Giorgia Meloni hat sich deshalb dazu verpflichtet, die Asylverfahren in Albanien nach italienischem Recht durchzuführen. Ein großes Problem ergibt sich laut Obwexer aber aus dem Plan, dass Migranten die Lager für die Dauer des Asylverfahrens nicht verlassen dürfen. Nach Unionsrecht ist dies nur für maximal vier Wochen erlaubt – laut Obwexer „kaum zu schaffen“, bedenkt man, dass in Zeiten überlasteter Behörden ein Großteil der Verfahren mehrere Monate in Anspruch nimmt. „Ein längerer Aufenthalt käme laut Unionsrecht aber einer Inhaftierung gleich und wäre damit rechtswidrig“, so der Europarechtler.

Londons Plan rechtswidrig

Dass der Plan, Asylverfahren in einem Drittstaat durchzuführen, ein Land nicht von seinen rechtlichen Verpflichtungen entbindet, zeigt schon das Beispiel von Ex-EU-Mitglied Großbritannien: Dort hatte der Oberste Gerichtshof den Asylplan Londons mit Ruanda als gesetzeswidrig eingestuft, weil das afrikanische Land kein sicherer Drittstaat sei – und das Vorhaben somit der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspreche.

Österreich, das sich bekanntlich die britischen Pläne zum Vorbild genommen hat, ist deshalb nur vorsichtig optimistisch. Aus dem Innenministerium heißt es zwar, es komme nun „deutlich Bewegung in die Sache.“ Konkrete Pläne gibt es aber noch nicht: „Wir werden uns einmal anschauen, wie die Italiener das machen.“ Der Europarat in Straßburg warnte bereits vor einem „besorgniserregenden europäischen Trend.“

Rom will nun keine Zeit verlieren. Die beiden Lager sollen im nächsten Frühling eröffnet werden, kündigte Meloni an – und sollen 3000 Migranten beherbergen können.

Höchste Zahl seit 2015

Ob dies die erhoffte Entlastung bringt, ist im Lichte der jüngsten Frontex-Zahlen allerdings fraglich: 331.600 irreguläre Grenzübertritte habe es in den ersten zehn Monaten des Jahres gegeben, rechnete die EU-Grenzschutzagentur vor – das ist der höchste Wert seit dem großen Fluchtjahr 2015. Allein über die zentrale Mittelmeerroute – also von Libyen und Tunesien über Italien – kamen 143.600 Menschen in die EU.

Das italienische Innenministerium registrierte im August über 25.000 illegale Grenzübertritte. In den vergangenen Wochen gingen die Zahlen allerdings sukzessive zurück, im Oktober strandeten „nur“ noch knapp 10.000 Asylwerber an Italiens Küsten: Ein Zeichen dafür, dass der im Juli unterfertigte EU-Tunesien-Pakt endlich die erhoffte Wirkung zeigt.

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