Leitartikel

Mit der Kettensäge lassen sich auch in Argentinien keine dicken Bretter bohren

Dank Javier Milei wurde die Kettensäge zum Sinnbild des argentinischen Reformbedarfs.
Dank Javier Milei wurde die Kettensäge zum Sinnbild des argentinischen Reformbedarfs. Reuters / Matias Baglietto
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Die Schocktherapie, die der argentinische Wahlsieger Javier Milei seinem Land verordnen will, ist vermutlich gut gemeint – aber nicht unbedingt heilsam.

Es gibt Momente, in denen sich Verzweiflung und Hoffnung zu einem emotionalen Zustand vermengen, in dem Menschen dazu bereit sind, sich mit bloßen Händen durch ein Bergmassiv zu wühlen, sofern man ihnen die Chance bietet, dass auf der anderen Seite eine bessere Zukunft auf sie warte. In Osteuropa war das Jahr 1989 ein derartiger Moment. Beflügelt durch die Aussicht auf ein Leben ohne Diktatur des Proletariats und desperat nach Jahren des Dahinvegetierens in der realsozialistischen Wirtschaftsmisere sehnten sich Polen, Balten und der Rest der Mithäftlinge auf der dunkelgrauen Seite des Eisernen Vorhangs nach einem Bruch mit der Gegenwart: Sobald die Kommunisten vertrieben wären, würden im Osten Wohlstand und Freiheit einkehren. Als Dissident (und künftiger Präsident) Lech Wałęsa seinen Landsleuten versprach, nach der Wende würde in Polen „ein zweites Japan“ entstehen, glaubten vielen an ein schnelles Wirtschaftswunder an der Weichsel.

Dieses Wunder fand auch tatsächlich statt, nur nicht so schnell, wie es sich die Menschen damals vorgestellt hatten. Womit wir in der Gegenwart angelangt wären – und in einem Land, das ebenfalls seit Jahrzehnten von einer Partei heruntergewirtschaftet wird: nämlich in Argentinien, wo sich am Sonntag der selbst ernannte „Anarchokapitalist“ Javier Milei bei der Stichwahl zum Staatspräsidenten gegen das peronistische Establishment durchsetzen konnte.

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