Klima

Die Ziele müssen deutlich nachgeschärft werden

Dunkle Wolken vor der Klimakonferenz. Bei der Berechnung von Reduktionsmengen von Treibhausgasen tut sich eine Lücke auf. Reduktionsmengen müssen nachgeschärft werden.
Dunkle Wolken vor der Klimakonferenz. Bei der Berechnung von Reduktionsmengen von Treibhausgasen tut sich eine Lücke auf. Reduktionsmengen müssen nachgeschärft werden.IMAGO/CFOTO
  • Drucken

Eine Studie mit Sprengkraft: Länder weisen in der Klimaberechnung der Landnutzungs-Änderung zu große Bedeutung bei. Fazit: Die meisten Reduktionsziele müssen nachgeschärft werden. Die Wissenschaftler, die das Problem entdeckt haben, präsentieren auch dessen Lösung.

In der Berechnung der Treibhausgas-Mengen, die aus den unterschiedlichen Quellen entstehen, gibt es eine nicht vernachlässigbare Lücke. Das ist die Kernaussage einer Studie, die von Wissenschaftlern des Instituts für angewandte Systemanalysen (IIASA) in Laxenburg erstellt worden ist. Federführend waren dabei unter anderem Keywan Riahi, Matthew Gidden, Thomas Gasser und Giacomo Grassi beteiligt.

Konkret geht es um die Änderung der Landnutzung – hier spielen Wälder eine wichtige Rolle, genauso aber auch Äcker und Felder. Wald ist nicht Wald und Acker ist nicht Acker – es kommt darauf an, ob eine Bearbeitung stattfindet und in welchem konkreten Ausmaß dies geschieht. Es beeinflusst die Emissionen von Treibhausgasen zum Beispiel stark, ob ein Acker mit schwerem Gerät bearbeitet (und damit der Boden verdichtet) wird und Chemikalien eingesetzt werden, oder ob naturnah und ohne Pestizide Landwirtschaft betrieben wird.

Was darf dem Menschen zugeordnet werden?

Im naturverträglichen Szenario wird die Bildung von Humus begünstigt, wodurch hier nicht nur Kohlenstoff im Boden gehalten, sondern zusätzlich entnommen wird. Beim Wald ist das genauso: Wald, der sich selbst überlassen ist (= Urwald), bindet mehr Treibhausgase als ein stark bewirtschafteter.

Treibhausgas-Bilanzierungen sind der Schlüssel, um festzustellen, wie stark ein Land auf einem klimaverträglichen Kurs unterwegs ist – wie stark die Emissionen also zurückgehen. Dafür gibt es nationale Ziele, internationale (etwa innerhalb der EU) und schließlich globale – das Pariser Klimaprotokoll (2015) hat als Ziel definiert, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Temperaturerhöhung tunlichst unter zwei Grad bleiben und im Idealfall 1,5 Grad Celsius nicht übersteigen soll (verglichen mit dem Stand vor Beginn der industriellen Revolution im Jahr 1850).

Die Klimawissenschaft hat außerdem errechnet, dass es unerlässlich ist, dass gewisse Zwischenziele erreicht werden – insbesondere für 2030 und 2050. Daraus ergeben sich maximale „Treibhausgasbudgets“. Werden diese Budgets nicht eingehalten (und also mehr emittiert), dann besteht die Gefahr, dass sich das Klimageschehen verselbständigt – und gewisse „Tipping Points“ überschritten werden. Das kann zu einer Beschleunigung klimarelevanter Phänomene führen – beschleunigtes Abschmelzen des Grönlandeises, gesteigertes Tauen des Permafrosts, was zu verstärkten Methan-Emissionen führt, usw.

Bei diesen Berechnungen nun, die der IPCC (Klimarat; Intergovernmental Panel on Climate Change) anstellt, wird der vom Menschen beeinflussten Sphäre nur jene Landnutzung zugeordnet, die durch starke menschliche Eingriffe gestaltet worden ist oder wird (Kahlschlag, Aufforstung). In den Treibhausgas-Inventaren, die Nationalstaaten erstellen, werden aber auch sanftere Formen der Landnutzung (Freizeitparks, Naturschutzgebiete und Nationalparks) einbezogen. Es sind dies Regionen, die eher als Kohlenstoffsenke wirken, also CO2 aufnehmen - und damit die Bilanz eines Landes aufpolieren. Aber auch gefährden können, weil ein Waldbrand verheerende Folgen haben kann: für den Wald, für die Luft - und für die Treibhausgas-Statistik.

Lücke macht vier bis sieben Milliarden Tonnen aus

Die eingangs erwähnte Studie nun hat sich alle 185 Emissionsinventare, die an das UNFCCC geschickt werden, vorgenommen und auf diese beiden Interpretationen des Land-use hin untersucht. Ergebnis: Durch die unterschiedlichen Zuordnungen der Landnutzung entsteht eine Diskrepanz, die zwischen vier bis sieben Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausmacht und die laut Klimamodellierung nicht der menschlichen Sphäre zuzuordnen sind.

Damit stimmt die Berechnung der Zwischenziele nicht mehr. Das bedeutet, dass das Ausmaß der notwendigen Reduktionen in den einzelnen Nationalstaaten, um die Ziele zu erreichen, spürbar größer ist. Wie hoch dies im Einzelfall dann konkret ist, ist von zwar von Einzelfall zu Einzelfall zu beurteilen.

Zur generellen, globalen Situation meint Keywan Riahi: „Um die Ziele des Paris-Abkommens einzuhalten, müssen bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 43% gesenkt werden. Laut Neuberechnung muss jedoch eine Emissionsreduktion von bis zu 49 % erreicht werden.“ Damit wäre man dann wieder auf dem Pfad, den die Klimamodelle vorgeben. Riahi ist einer Lead-Autoren dieser nun publizierten Arbeit, war Coordinating Lead Author im IPCC-Bericht und ist im IIASA Programm-Direktor für Klima, Energie und Umwelt.

Was dies nun genau für Österreich und das Ausmaß der anrechenbaren Emissionen bedeutet, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Insgesamt dürften sich die Folgen aber eher in Grenzen halten, weil Österreichs Wälder im internationalen Vergleich stark bewirtschaftet sind, als solche also bereits in den Klimamodellen berücksichtigt sind; und andererseits ist das Ausmaß der schwach gemanagten Flächen nicht groß – es gibt nicht so viele Nationalparks und die sind vergleichsweise klein.

„Kriterien für nationale Berichte“

Sicher ist jedenfalls, dass das Zuordnungsproblem gelöst werden muss. Eine wesentliche Rolle dabei sollten die NDCs spielen – die Nationally Determined Contributions, mit denen die Staaten nationale Klimaziele definieren. „Hier müssen in den NDCs die Kriterien dargestellt werden, die einer Berechnung zugrunde liegen. Bisher ist das überhaupt nicht der Fall“, so Riahi. „Es ist den einzelnen Staaten überlassen, was sie da hineinschreiben.“ Der Klimawissenschaftler plädiert, dass dies auf der Klimakonferenz besprochen wird und die entsprechenden Regeln verpflichtend vereinbart werden.

Schwerpunkt Klimawandel

Die Erderhitzung und die grüne Wende verändern Natur, Gesellschaft und Märkte auf der Welt grundlegend. Das Klima-Team der „Presse“ liefert Hintergründe, jüngste Forschungsergebnisse und Debatten rund um eines der drängendsten Probleme unserer Zeit.

Alle Artikel finden Sie unter diepresse.com/klima. Sie wollen keinen wichtigen Beitrag verpassen? Abonnieren Sie Klimawandel als Push-Nachricht in den Einstellungen der „Presse“-App.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.