Gery Keszler im Life-Ball-Fundus, der nun allen Interessierten offensteht.
Rückblick

Gery Keszler über die Life Ball-Jahre: „Es hieß, ich sei arrogant“

Der Life Ball wäre heuer 30 geworden. Gery Keszler über seine persönliche Bilanz über ambivalente Jahre, Zukunftspläne – und die Hommage am Freitag im Palais Auersperg.

Gery Keszler war schon einmal besser beieinander. „Mich dreht’s“, klagt er. Er hat Magenschmerzen, in der Nacht hat er trotz Schlaftabletten kaum geschlafen.

Keszler sitzt im Life-Ball-Fundus in der Wilhelminenstraße, in dem man neuerdings Kostüme ausleihen kann und in den er zuvor „fast monkartig Ordnung gebracht hat“, und spricht in der Funktion des Vereinsobmanns. Ein bisschen auch in der des Jubilars, der heuer 60 wurde. Aber nicht in jener des Organisators: Die Idee, das 30-Jahr-Jubiläum des Life Ball nicht vorüberziehen zu lassen, sei von jungen Mitarbeitern rund um Amir Sirdjani gekommen.

Nun gibt es also eine Hommage: Gefeiert wird am 1. Dezember, dem Welt-Aids-Tag und Gründungsdatum des Vereins. „Ich fand es gut zu sehen, wie die Truppe selbstständig dieses Fest auf die Beine stellen kann“, sagt Keszler. Als Obmann stehe er freilich beratend (und wohl auch als Spiritus Rector) zur Seite.

So findet die Veranstaltung auch deshalb im Palais Auersperg statt, weil er sich vom ersten Teil des „Rosenkavaliers“ habe inspirieren lassen, sagt Keszler: jenem Palais, das unter dem Namen Rofrano errichtet wurde und das Hugo von Hofmannsthal bei dem Libretto inspirierte. Wie immer beim Life Ball gibt es mehr kulturelle Anspielungen, als den meisten bewusst ist. Keszler zitiert dazu Barockmalerin Raja Schwahn-Reichmann (von der am Freitag Bilder wiederverwendet werden), die ihrerseits Mozart zitiert: Der habe so geschrieben, dass sich der Nichtkenner erfreut und der Kenner Satisfaktion finde. Am Rathausplatz, sagt Keszler, „war die Luft immer elektrisch aufgeladen. Nur der kleinste Teil hat die Bedeutung der Geschichten verstanden, die wir da erzählt haben. Aber auch dem Rest ist im Unterbewusstsein etwas suggeriert worden.“

»Abzugeben an die Jugend, und das wohlwollend und fördernd, das ist die Moral aus dieser Oper. Und das ist das, was ich vorhabe.«

Gery Keszler

Life Ball-Gründer

Die Botschaft des „Rosenkavaliers“ sei jedenfalls, „die Zeichen der Zeit zu erkennen“. In der Einladung wird dazu die Marschallin zitiert: „Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie.“ Die Marschallin wisse, dass ihr Liebhaber eines Tages eine jüngere finden werde. „Abzugeben an die Jugend, und das wohlwollend und fördernd, das ist die Moral aus dieser Oper“, sagt Keszler. „Und das ist das, was ich vorhabe.“

Womit man wieder bei seinem Zustand wäre. Der Stress sei wohl selbst gemacht: „Weil ich als Kontrollfreak nicht die Kontrolle hab. Ich fantasiere mir zusammen, was alles anders gemacht gehört. Aber das ist auch der Sinn der Sache. Wenn du loslassen möchtest, musst du loslassen.“

Tausendundeine Nacht lebt auf

Teil der Hommage werden nun jedenfalls Elemente verschiedenster Bälle, etwa von jenem 2013, der Tausendundeiner Nacht gewidmet war. „Einer meiner liebsten Bälle, einfach, weil es so pures Märchen war.“ Chris Lohner (als Thierry Mugler-Model war sie die Erste, die Keszler 1993 anrief) wird das Gedicht aus der ersten der tausend Nächte lesen, in der Scheherazade all ihren Mut zusammennimmt und ums Überleben kämpft. Ein Gedicht, in dem Keszler auch sich erkennt. „Die, die sich plagen, um für alle einen schönen Garten zu schaffen, setzen sich der Öffentlichkeit aus und werden nicht nur gelobt, sondern auch gesteinigt.“ Rückblickend seien die Life Ball-Jahre für ihn ambivalent. „Man steht unter permanenter kritischer Beobachtung, erlebt viel Neid.“

Ein Problem sei sicher gewesen, dass alle sofort per Du mit ihm gewesen seien, ob sie ihn kannten oder nicht. „Ich habe aber ein sehr schlechtes Personengedächtnis“, sagt Keszler. Aus Angst, jemanden nicht zu erkennen, sei er „immer mit Scheuklappen“ unterwegs gewesen. „Das hat mir den Ruf eingebracht, arrogant zu sein. In Wahrheit ist es nur totale Introvertierheit.“

Dabei wolle er nicht jammern, und natürlich habe es viele schöne Begegnungen gegeben, auch mit Menschen wie Kardinal Schönborn, „die mich dazu gebracht haben, Dinge anders zu sehen, zu relativieren, mich selbst zu hinterfragen“. Die schönsten Life Ball-Momente sein übrigens stets jene hinter den Kulissen gewesen. „Wenn wir im Arkadenhof einen Kreis gebildet haben. Elton John ist durchs Hintertürl dazu gekommen, und wir haben der Verstorbenen gedacht.“

Jedenfalls hätten die 30 Jahre körperlich und psychisch Spuren hinterlassen. Engagieren werde er sich freilich weiterhin. „Ich möchte das Ende von HIV/Aids aktiv miterleben. Das wird in den nächsten Jahren sicher der Fall sein. Da sind wir in der Zielgeraden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mich wieder mit Großevents in eine kalendarische Regelmäßigkeit zwingen zu lassen.“ Indirekt ist das auch eine Absage an die Benefizshow „Austria for Life“, für die eigentlich Fortsetzungen in den Bundesländern angedacht waren. Dazu will Keszler wenig sagen, nur so viel: Man sei auf Kosten sitzen geblieben.

Fürs Erste wolle er sich kräftigen, sagt Keszler, der am Freitag auf den Besuch vieler junger Menschen hofft. „Und dann mit klarem Verstand und Power überlegen, ob ich ein interessantes großes Angebot aus dem Ausland annehmen will.“

Auf einen Blick

An Homage to Life Ball findet am Freitag, 1. Dezember, im Palais Auersperg statt. Mit Weggefährten wird dabei im ersten Teil zunächst auf Errungenschaften des Ball zurückgeblickt. Gegründet worden war er 1993 auf dem Höhepunkt der Aids-Krise. Die letzte Ausgabe fand 2019 statt. Um 22 Uhr öffnen sich die Tore für eine Party für 900 Gäste. Erwartet werden Protagonisten der ersten Stunde wie Thierry-Mugler-Muse Dianne Brill oder Eberhard Forcher als erster DJ. Erlöse gehen an das südafrikanische Kinderhilfsprogramm Yabonga und die Aids Hilfe.

Tickets sind noch unter oeticket.com erhältlich. Sie kosten 75 Euro, inkludiert ist ein Kostümgutschein im Wert von 25 Euro für den Life Ball Fundus, Wilhelminenstraße 91. Er ist am 1. Dezember geöffnet, ansonsten nach Terminvereinbarung unter office@lifeplus.org oder 01/5955600. www.life-costumes.org

Alle Informationen zum Event: 30.lifeball.org

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