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Vorwürfe gegen Marsalek erhärten sich: Österreicher spionierte jahrelang für Russland

Jan Marsalek im Jahr 2017 (links) und 2019 (rechts).
Jan Marsalek im Jahr 2017 (links) und 2019 (rechts).APA / AFP / Handout
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Ein Bericht des „Wall Street Journal“ beschreibt detailliert die Geheimdienstaktivitäten des Ex-Wirecard-Managers Jan Marsalek für Russland. Derzeit soll er in Dubai an einer Neuaufstellung des Afrika-Imperiums von Ex-Wagner-Chef Prigoschin arbeiten.

Er zählt zu den meistgesuchten Verbrechern Europas: Jan Marsalek. Seine Flucht kurz nach Bekanntwerden des Skandals rund um den Bezahldienstleister Wirecard 2020 war einigermaßen spektakulär: Per Privatjet ging es nach Belarus, von wo aus der Ex-Wirecard-Manager per Auto nach Moskau gebracht wurde. Warum der 43-Jährige genau in Russland untertauchte, wird nun in Recherchen des „Wall Street Journal“ deutlich.

Marsalek dürfte damals bereits knapp zehn Jahre als Spion für Russland gearbeitet haben, berichtet das US-Blatt unter Berufung auf Geheimdienste und Sicherheitsbeamte. Der Österreicher habe Wirecard als Drehscheibe für Zahlungen russischer Geheimdienste genutzt, um verdeckte Operationen weltweit zu finanzieren. So soll er dem russischen Militärgeheimdienst GRU und dem Auslandsgeheimdienst SWR geholfen haben, Beamte, Informanten und Militärdienstleister zu bezahlen sowie Geld in Konfliktgebiete im Nahen Osten und Afrika unter anderem für Waffenkäufe zu schleusen.

Deutsche Sicherheitsbehörden setzten auf Wirecard

Gleichzeitig soll Marsalek auch Informationen über Wirecard-Kunden wie den deutschen Bundesnachrichtendienst oder den deutschen Bundeskriminaldienst gesammelt und nach Moskau weitergeleitet haben. Beide Behörden nutzten Kreditkarten und Bankkonten von Wirecard für ihre Agenten. Laut „Wall Street Journal“ präferierten die Agenturen Wirecard, da viele andere westliche Bankinstitute aus Angst vor rechtlichen Scherereien und Image-Schäden nur ungern mit Geheimdiensten zusammenarbeiteten.

Marsalek habe keinen Zugriff auf die wahren Identitäten der Geheimagenten gehabt, beteuern deutsche Behörden. Doch soll er illegal Kundendaten gesammelt haben und könnte so indirekt Aufschlüsse über die Aktivitäten von Geheimdienstmitarbeitern erlangt haben.

Marsalek stellte Putin-Statuette auf seinen Schreibtisch

Um an Material zu gelangen, zapfte Marsalek unter anderem auch Kontakte im österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (heute: Direktion Staatschutz und Nachrichten) an. Die Verbundenheit mit Russland stellte Marsalek laut Zeitungsbericht auch zur Schau: Auf seinem Schreibtisch im Münchner Büro sei eine eine kleine Statue des russischen Präsidenten Wladimir Putin gestanden. Eine Sprecherin des Kreml weist Verbindungen zwischen Marsalek und russischen Geheimdiensten gegenüber dem „Wall Street Journal“ zurück.

Die britische Staatsanwaltschaft CPS (Crown Prosecution Service) vermutet, dass der Ex-Manager zwischen 2020 und 2023 - also nach seiner Flucht - als Kontaktmann für ein russisches Spionagenetzwerk in Großbritannien fungierte. Ziel der Operation war demnach unter anderem die Beschattung und womöglich sogar Entführung von Menschen. Obwohl Marsalek damals bereits auf der „Most Wanted“-Liste der internationalen Polizeiagentur Interpol stand, eröffnete er eine britische Firma mit Sitz in London unter seinem Namen. Dafür nutzte er einen tschechischen Pass, eines von vielen gefälschten Reisedokumenten.

Marsalek arbeitete für Ex-Wagner-Chef Prigoschin

Derzeit dürfte sich Marsalek hauptsächlich in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhalten, zitiert die „Washington Post“ westliche Geheimdienst-Mitarbeiter. Dort arbeite er mit einem pensionierten russischen Spion zusammen, der Waffen für Moskau ankaufe. Und: Der gesuchte Geschäftsmann dürfte auch der Wagner-Gruppe, gegründet vom verstorbenen Putin-Gegenspieler Jewgeni Prigoschin, geholfen haben. Aus Dubai aus sei er nun daran beteiligt, das Geschäftsimperium der Wagner-Gruppe in Afrika neu aufzustellen.

Marsalek verantwortete bei Wirecard das Geschäft mit sogenannten Drittpartnerfirmen - externen Zahlungsdienstleistern, die im Wirecard-Auftrag Kreditkartenzahlungen überwiegend in Asien abwickelten oder abgewickelt haben sollen. Im Sommer 2020 war der damalige Dax-Konzern zusammengebrochen, weil 1,9 Mrd. Euro angeblicher Erlöse aus diesem Drittpartnergeschäft nicht auffindbar waren. Marsalek setzte sich kurz vor dem Insolvenzantrag ab.

Geschäftspartner Braun weist Verbindung zurück

In München läuft seit Dezember vergangenen Jahres der Strafprozess gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun und zwei weitere ehemalige Konzernmanager wegen mutmaßlichen Milliardenbetrugs. Der seit über drei Jahren in Untersuchungshaft sitzende Braun hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen und macht seinerseits eine Bande von Kriminellen im Unternehmen für den Skandal verantwortlich - unter maßgeblicher Beteiligung Marsaleks. Er weist zudem zurück, von den Geheimdienstaktivitäten seines Geschäftspartners Bescheid gewusst zu haben. (me)

>>> Bericht im „Wall Street Journal“

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