Terror

Islamistisches Netzwerk soll Anschläge geplant haben: Vier Festnahmen in Wien

Der Stephandsom in Wien gehört den Sicherheitsbehörden zufolge zu den besonders gefährdeten Anschlagszielen und wird verstärkt bewacht.
Der Stephandsom in Wien gehört den Sicherheitsbehörden zufolge zu den besonders gefährdeten Anschlagszielen und wird verstärkt bewacht.Imago / Patrik Uhlir
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Die Einvernahmen der Verdächtigen waren am Sonntag im Gange. Die Sicherheitslage in Österreich und Europa sei „angespannt“, teilt das Innenministerium mit. Unmittelbar vor der Umsetzung dürfte ein Anschlag in Österreich aber nicht gestanden sein. Unterdessen nennt der deutsche Terrorexperte Peter R. Neumann Details zu den Drahtziehern.

Am Samstag, 23. Dezember, nahmen Einsatzkräfte des österreichischen Verfassungsschutzes (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, DSN) vier Personen in Wien fest. Sie sollen einem länderübergreifenden islamistischen Netzwerk (siehe unten) angehören, teilte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber der „Presse“ mit. Hintergrund sind am Samstag bekanntgewordene Anschlagspläne in mehreren Städten Europas, darunter auch in Wien. Als konkretes Ziel wurde der Stephansdom genannt.

„Derzeit laufen die Befragungen der Verdächtigen und entsprechenden Auswertungen“, heißt es in der Stellungnahme. „Die Sicherheitsbehörden sind hierbei in enger Abstimmung mit der Justiz. Nähere Details (etwa zur Identität der Festgenommenen, Anm.) können aus kriminaltaktischen Gründen derzeit nicht genannt werden.“

Unabhängig davon sei „die Sicherheitslage in Österreich und in ganz Europa aktuell angespannt, weshalb die Sicherheitsbehörden Vorsichtsmaßnahmen in Form von erhöhter Be- und Überwachung im öffentlichen Raum während der Weihnachtsfeiertage treffen.“

Tipp von ausländischen Geheimdiensten

Auch die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte Sonntagmittag die Festnahmen der vier erwachsenen Männer. Und teilte gegenüber der Austria Presse Agentur (APA) mit, dass es vermutlich keine vor der Umsetzung befindlichen Attentatspläne gab. „Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte, dass ein Anschlag in Wien unmittelbar bevorgestanden wäre“, wird Sprecherin Nina Bussek zitiert. Bei den Männern wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt und Datenträger sichergestellt. Diese werden nun ausgewertet.

Drei der vier festgenommenen Verdächtigen (der vierte ist nicht wegen eines Delikts aus dem Strafgesetzbuch, sondern im Zuge der Amtshandlungen aus fremdenrechtlichen Gründen festgenommen und auf freiem Fuß angezeigt worden, steht also nicht in direktem Zusammenhang mit den Anschlagsplänen) wurden in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert. Sie sollen Medienberichten zufolge teilweise tadschikischer Abstammung sein. Eine Bestätigung dafür gab es aber nicht. Im Laufe des Sonntags wird die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht für Strafsachen Anträge auf Untersuchungshaft einbringen, so Bussek. Ermittelt wird wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) in Verbindung mit terroristischen Straftaten (§278c StGB). Auf die Verdächtigen dürften die Staatsschutz- und Strafverfolgungsbehörden einmal mehr durch Hinweise von ausländischen Partnerdiensten aufmerksam geworden sein.

Kirchen werden besonders streng bewacht

Am Samstag berichtete zunächst die deutsche Zeitung „Bild“ sowie die Deutsche Presse-Agentur, dass es Hinweise auf einen möglichen Anschlagsplan einer islamistischen Gruppe unter anderem auf Wien und Köln gibt. Daraufhin informierte am Samstagabend die Landespolizeidirektion Wien über verstärkte Polizeipräsenz bei christlichen Veranstaltungen in der Weihnachtszeit.

Per Aussendung teilte sie mit, dass terroristische Akteure in ganz Europa zu Angriffen auf christliche Veranstaltungen aufrufen würden, besonders rund um den 24. Dezember. Die Schutzmaßnahmen seien daher im öffentlichen Raum in Wien und in den Bundesländern erhöht worden, gefährdete Orte und Objekte – etwa Kirchen, religiöse Veranstaltungen, Gottesdienste und Weihnachtsmärkte – würden verstärkt bewacht, präzisierte ein Sprecher der Wiener Polizei am Sonntag gegenüber „Presse“. Zivile und uniformierte Einsatzkräfte seien mit besonderer Ausrüstung und Langwaffen im Einsatz. Falls notwendig, könne es auch zu Zutrittskontrollen kommen.

Unter anderem der Kölner Dom sei Ziel eines möglichen Anschlagsplanes gewesen, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Ebenso wie eine Kirche in Wien. Laut „Bild“ soll es sich dabei um den Stephansdom handeln. Auch Madrid wird als mögliches Ziel genannt. Laut Informationen der Deutsche Presse-Agentur könne es bei der verantwortlichen Gruppe möglicherweise einen Bezug zur Terrorgruppe „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) geben.

Was hinter der Terrorgruppe steckt

Zur Beschreibung dieser Terrorgruppe äußerte sich am Sonntag der deutsche Terrorexperte Peter R. Neumann vom King’s College London auf Twitter (X). „Nach Zerschlagung des IS in Syrien/Irak hat sich das Epizentrum der (insgesamt stark geschwächten) Gruppe weg vom arabischen Stammland in die außerarabischen ,Provinzen‘ verschoben“, schreibt er dort. „Viele davon sind in Afrika. Doch die momentan aktivste nennt sich ISPK (auch ISKP oder ISIS-K) und sitzt in Zentralasien.“

Das K stehe für Khorasan und damit für eine historische Region in Zentralasien, die neben Afghanistan unter anderem Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan umfasse. ISPK habe seinen Ursprung in Afghanistan und kämpfe dort gegen die – seiner Meinung nach zu lasche – Taliban-Regierung. Neumann weiter: „Wie @azelin (Terrorexperte Aaron Y. Zelin vom Washington Institute for Near East Policy, Anm.) zeigt, ist der Erfolg jedoch begrenzt: ISPK kontrolliert nur wenige Dörfer, und die Zahl der Anschläge wird immer geringer. Wie häufig der Fall, reagierte die Gruppe auf Erfolglosigkeit im Innern mit einer Strategie der Externalisierung.“

In den letzten Jahren habe ISPK zunehmend Ziele in der „Nachbarschaft“ angegriffen und dort auch Kämpfer rekrutiert – so zum Beispiel in Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan. Die Ambitionen der ISPK würden jedoch weitergehen: „Innerhalb kurzer Zeit investierte man in Propaganda und baute Netzwerke außerhalb der Region auf – quasi als ,Ersatz‘ für die arabischen Netzwerke des IS, die von Sicherheitsbehörden Mitte der 2010er Jahre zerschlagen wurden. Ergebnis: Festnahmen von IS-Unterstützern – auch in Europa – hatten in den letzten Jahren immer häufiger einen Zusammenhang mit ISPK. In Deutschland ging es fast immer um tadschikische bzw. zentralasiatische Netzwerke.“

ISPK sei vermutlich der einzige IS-Ableger, der aktuell fähig wäre, im Westen einen großen, koordinierten Anschlag durchzuführen. Seine Motivation sei dabei nicht nur Ideologie, sondern auch – und vor allem – Vorherrschaft im dschihadistischen Lager.

Neumann schließt mit: „Das ist der Kontext, in dem Nachrichten über mögliche Terroranschläge in Köln, Wien und Madrid zu verstehen sind. Auch hier scheint der IS verantwortlich zu sein. Und auch diesmal stehen wohl wieder Tadschiken im Mittelpunkt der Festnahmen. Ganz unabhängig von der aktuellen Gefahrenlage sind zwei Lektionen offensichtlich: (1) Der IS ist nicht tot, aber er ist *anders* als vor zehn Jahren. (2) Afghanistan und Zentralasien sind immer noch (oder schon wieder?) ein Thema für Sicherheit in Deutschland.“ 

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen auch in Köln

In Köln wurden die Sicherheitsmaßnahmen ebenfalls erhöht. „Auch wenn sich der Hinweis auf Silvester bezieht, werden wir bereits heute Abend alles für die Sicherheit der Dombesucher an Heiligabend in die Wege leiten. In Abstimmung mit dem Sicherheitsbeauftragten des Domkapitels wird die Kathedrale nach der Abendmesse mit Spürhunden abgesucht und anschließend verschlossen“, sagte der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser.

FPÖ fordert „umfangreiche Konsequenzen“

Nicht lange auf sich warten ließ am Sonntag eine Stellungnahme der Wiener FPÖ, die die bekanntgewordenen Anschlagspläne und Festnahmen für ihre (freilich nicht neuen) politischen Botschaften nutzte. Landesparteiobmann Dominik Nepp fordert in der Aussendung „rasche Aufklärung und umfangreiche Konsequenzen“. Spätestens seit heute könne Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) „die Situation nicht mehr schönreden“. Es sei „seine Einladungspolitik seit dem Jahr 2015, die islamistische Sozialmigranten nach Wien lockt, die dann hier vielfach kriminell werden. Ich hoffe, dass er am heutigen 24. Dezember in sich kehrt und bei ihm rasch ein Umdenken stattfindet.“

Aber auch die ÖVP mit Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) würden „massive Verantwortung“ tragen. Nepp fordert einen sofortigen Kurswechsel in der Migrationspolitik. „Es braucht eine Aktion scharf gegen Islamisten und 2024 muss das Jahr der Massenabschiebung von illegalen und kriminellen Migranten werden. Die linke Politik der falschen Toleranz ist eine Gefahr für Leib und Leben der friedlichen Bevölkerung. Die Menschen haben das Recht, hier in Sicherheit und Frieden leben zu können.“

Andere Parteien meldeten sich zunächst nicht zu Wort.

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