Der ökonomische Blick

Rettet den Steuerzahler!

In den USA wurden die Banken im Nachgang zur Finanzkrise zwangsweise durch den Steuerzahler rekapitalisiert. Auch in der Schweiz musste die UBS vom Steuerzahler rekapitalisiert werden
In den USA wurden die Banken im Nachgang zur Finanzkrise zwangsweise durch den Steuerzahler rekapitalisiert. Auch in der Schweiz musste die UBS vom Steuerzahler rekapitalisiert werdenReuters / Denis Balibouse
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Das aktuelle Steuersystem begünstigt Banken doppelt, schafft jedoch das Problem übermäßiger Verschuldung der Geldhäuser. Allerdings besteht zumindest für Europa ein Funke Hoffnung.

In Europa und in den USA begünstigt die Körperschaftssteuer die Schuldenfinanzierung von Unternehmen und Banken durch die steuerliche Absetzbarkeit von Schuldzinsen. Dadurch werden Investitionsanreize geschaffen, die das Wirtschaftsgeschehen beleben sollen. Banken profitieren sogar doppelt von diesem Steuersystem, denn es begünstigt sowohl die Nachfrage nach Bankkrediten als auch deren Finanzierung durch Sicht- und Spareinlagen, weil Banken ihre Zinszahlungen an die Einleger ebenfalls zulasten des Steuerzahlers absetzen können.

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Die Übertragung des steuerlichen Vorteils von Zinszahlungen auf Banken schafft allerdings das Problem, dass Banken sich übermäßig verschulden und risikotragendes Eigenkapital abbauen. Seit 1988 definiert daher der Basler Ausschuss Mindeststandards für die Kapitalisierung von Banken, um dadurch die Sicherheit und Stabilität des Bankensektors zu garantieren und letztlich den Steuerzahler vor den Kosten einer allfälligen Bankenrettung zu schützen. Durch diese Regulierung soll dem steuerlich bedingten Anreiz zur übermäßigen Verschuldung Einhalt geboten werden.

Grundliegende Probleme auch nach Finanzkrise nicht korrigiert

Freilich hat die Regulierung des Ausschusses die große Finanzkrise 2007/2008 auch nicht verhindern können. In den USA wurden die Banken im Nachgang zur Finanzkrise zwangsweise durch den Steuerzahler rekapitalisiert. Auch in der Schweiz musste die UBS vom Steuerzahler rekapitalisiert werden und andernorts wurden im Namen des Steuerzahlers weitreichende Garantien ausgesprochen.

In der Aufarbeitung der Finanzkrise wurde viel Energie in die Reform der Regulierung der Mindeststandards für Eigenkapital investiert, um dadurch nachhaltige Geschäftsmodelle für den Bankensektor zu schaffen, die den Steuerzahler künftig nicht mehr belasten sollten. Die grundlegenden Fehlanreize des Steuersystems jedoch wurden nicht korrigiert, die Banken regelmäßig zu übermäßig risikobehafteter Finanzierung anleiten. Vor diesem Hintergrund können trotz aller Reformen unter Basel III die erneuten Erfahrungen von Bankinsolvenzen der Sillicon Valley Bank, Signature Bank und First Republic Bank in Kalifornien und der Credit Suisse im März 2023 kaum überraschen. Erneut und trotz aller Reformen wurde der Steuerzahler auf beiden Seiten des Atlantiks für die Ausfallhaftung in Anspruch genommen.

Ein Funke Hoffnung für Europa

Allerdings besteht zumindest für Europa ein Funke Hoffnung: Die Überschuldung des gesamten privaten Sektors wurde von der Europäischen Kommission schon vor Beginn der multiplen Krisen als ein zentrales Nachhaltigkeitsproblem thematisiert. Seit Beginn der multiplen Krisen hat sich die Überschuldung gar verschärft; sie hat sich in den Jahren 2021-2 im Aggregat von ca. 100% des Europäischen Bruttosozialprodukts auf 110% erhöht. Seither wurden vom Europäischen Parlament Vorschläge für ein Gesetz entwickelt, welches den steuerlichen Vorteil unsolider Verschuldung gegenüber solidem Eigenkapital reduzieren oder gar völlig aufheben solle, den sog. Debt Equity Bias Reduction Act (DEBRA). Ein nicht bindender Vorschlag unter Prozedur 2022/0154 (CNS) soll noch im Januar im Plenum des Europäischen Parlaments beschlossen werden. Ziel ist, die steuerlichen Vorteile der Verschuldung abzubauen und gleichzeitig Anreize zu nachhaltiger Finanzierung durch risikotragendes Eigenkapital aufzubauen.

Erwartungsgemäß wird dieses Gesetz von den diversen banknahen Lobbys kritisch begleitet. Einerseits fürchten die Banken um ihr Kreditgeschäft, welches durch eine Reduktion der Steuervorteile in Industrie und Handwerk abnehmen könnte. Andererseits bedeutet die Abschaffung der Zinssubvention auf Fremdkapital auch eine Erhöhung der Finanzierungskosten der Bank, da die steuerliche Vorzugsbehandlung für gezahlte Einlagenzinsen verringert wird oder gar völlig wegfällt. Dadurch reduziert sich die effektive Nettozinsmarge und somit die Profitabilität des Bankengeschäfts.

Diesen Befürchtungen ist allerdings entgegen zu halten, dass der Verlust des Steuervorteils auf Schuldfinanzierung durch einen entsprechenden Steuervorteil für risikotragendes Eigenkapital ausgeglichen wird. Durch die Verlagerung der steuerlichen Bevorzugung von Fremdkapital auf Eigenkapital ändert sich lediglich die präferierte Finanzierungsform. Durch Anpassung ihrer Geschäftsmodelle kommen Banken dann in den Genuss billigeren risikotragenden Eigenkapitals. Dies zeigt sich beispielsweise in einer entsprechenden Reform der belgischen Körperschaftssteuer im Jahr 2006, in der im Vorfeld der Finanzkrise. Durch die Neutralisierung der Steuervorteils von Fremdkapital konnte letztendlich die Kapitalisierung des Bankensektors um einen ganzen Prozentpunkt von 6,5 auf 7,5 Prozent gesteigert werden. Eine Stärkung der Eigenkapitalbasis erhöht sowohl die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle der Banken als auch deren globale Wettbewerbsfähigkeit. Durch gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit bieten sich Banken in globalen Märkten neue Marktchancen. Insbesondere jedoch reduziert eine erhöhte Nachhaltigkeit allfällige Rettungskosten für den Steuerzahler.

Ein besonderer Charme der in DEBRA angelegten Reform einer Unternehmensbesteuerung könnte v.a. darin liegen, die widersprüchlichen Anreize der Finanzpolitik im Bankensektor zu beseitigen. Denn einerseits verleitet die aktuelle Unternehmensbesteuerung Banken zu riskanten Geschäftsmodellen mit hoher Fremdkapitalfinanzierung und andererseits bremst die Bankenaufsicht im Rahmen der Eigenkapitalregulierung genau diese Anreize zur übermäßigen Verschuldung wieder ein, um ein Minimum an Eigenkapital und Stabilität im Bankensektor zu gewährleisten. In einer idealen kohärenten Finanzpolitik für den Bankensektor sollten Steuerpolitik und Bankenaufsicht am gleichen Strang ziehen und idente Anreize für dasselbe bevorzugte Stabilitätsinstrument nämlich Eigenkapital setzen.

Speziell für Banken kann ein gut ausgestaltetes DEBRA-Gesetz den Steuerzahler retten, wenn es dazu beiträgt, die Bankenfinanzierung durch risikotragendes Eigenkapital zu erhöhen. Da gut kapitalisierte Banken auch international wettbewerbsfähig sind könnte ein entsprechend konzipiertes Gesetz die Basis für eine Win-Win-Win Lösung für Banken, Unternehmen und Steuerzahler legen.

Der Autor

beigestellt

Thomas Gehrig ist Professor für Finanzwirtschaft an der Universität und Mitglied der Vienna Graduate School of Finance, des European Corporate Governance Institutes in Brüssel sowie des Center for Economic Policy Research in London.

Literatur

Gehrig, T (2023): Leverage, Competitiveness and Systemic Risk in Banking. Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 92(3), 35-48.

Schepens, G. (2016): Taxes and bank capital structure. Journal of Financial Economics 120(3), 585–600.

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