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„Zum Verfassungsfeind mutiert“: Deutscher Verfassungsschutz hat Ex-Chef ins Visier genommen

Hans-Georg Maassen bei einer Wahlveranstaltung in Meiningen im Jahr 2021.
Hans-Georg Maassen bei einer Wahlveranstaltung in Meiningen im Jahr 2021.Reuters / Thomas Escritt
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Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz ermittelt wegen möglicher rechtsextremer Vergehen gegen Hans-Georg Maaßen. Regierungsmitglieder diskutieren, ob dienstrechtliche Konsequenzen zu erwägen sind.

Politiker der deutschen Ampel-Koalition diskutieren über mögliche dienstrechtliche Konsequenzen für den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. „Wenn die Ergebnisse seiner Überwachung durch den Verfassungsschutz zeigen, dass er selbst zum Verfassungsfeind mutiert ist, ist ein Disziplinarverfahren gegen diesen Spitzenbeamten mit allen möglichen Konsequenzen unabdingbar“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem Handelsblatt (Donnerstagsausgabe).

Anlass ist, dass Maaßen nun selbst von seiner ehemaligen Behörde beobachtet wird. „Seine besondere Treuepflicht gegenüber unserem demokratischen Staat erlischt auch im Ruhestand nicht.“ Wegsehen sei für eine wehrhafte Demokratie keine Option, betonte Stegner.

Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki warnte vor vorschnellen Bewertungen. Maaßen sei „sicherlich politisch grenzwertig unterwegs“, sagte der Bundestagsvizepräsident dem Handelsblatt. „Ob er aber verfassungsfeindlich agiert - was ein schwerer Vorwurf ist - kann ich nicht bewerten, weil ich dafür keine handfesten Belege habe.“

Zugleich gab Kubicki zu bedenken, dass das Grundgesetz in Bezug auf Individualrechte wie die Meinungsfreiheit einen sehr weiten Rahmen setze. Er erwarte daher, dass der Verfassungsschutz „sehr gute Gründe hat, diese Einstufung vorzunehmen“.

Maaßen: „Bundesregierung hat Angst vor mir“

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen ehemaligen Präsidenten Maaßen im eigenen nachrichtendienstlichen Informationssystem im Bereich Rechtsextremismus abgespeichert haben soll. Maaßen, der vor wenigen Tagen seinen Austritt aus der CDU erklärt und mit der Werteunion eine neue Partei gegründet hatte, gelte damit für den Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt, berichteten das ARD-Magazin „Kontraste“ und das Portal t-online.

„Die Bundesregierung hat offenkundig Angst vor mir und der Werteunion, so dass sie mich durch den Verfassungsschutz beobachten und verfolgen lässt“, schrieb Maaßen auf X (vormals Twitter). Maaßen war von 2012 bis 2018 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Der frühere Geheimdienstler und Spitzenbeamte Maaßen plant, aus der Werteunion eine Partei zu machen, die auch bei den ostdeutschen Landtagswahlen dieses Jahr in Thüringen, Sachsen und später in Brandenburg antreten soll.

Kein Problem mit AfD-Nähe

Er bekräftigte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass er kein Problem damit hätte, wenn ein Regierungschef mit Hilfe der rechtspopulistischen AfD - zum Beispiel in Thüringen - gewählt würde: „Wenn jemand von der Werteunion in Thüringen Spitzenkandidat wird und er hätte die Chance, Ministerpräsident zu werden, dann ist es mir auch völlig egal, wer ihn wählt“, sagte er. Entscheidend sei, welche Politik gemacht werde. „Wenn die AfD in Thüringen unseren Leuten zustimmen sollte, unsere Programmatik mitmachen würde, hätte ich überhaupt gar keine Probleme damit.“

Auf die Frage, ob Maaßen die AfD etwa in Thüringen für koalitionsfähig hält, sagte er: „Soweit würde ich jetzt nicht gehen“. Seiner Meinung nach spreche die AfD aber wichtige Themen an - etwa Probleme der Migrationspolitik, bei der Klima- und Energiepolitik oder auch der Wirtschaftspolitik. „Aber in Teilen der Migrationspolitik sind mir deren Vorstellungen einfach zu radikal“, sagte Maaßen und stellte infrage, ob bei diesem Punkt eine Zusammenarbeit gelingen würde.

CDU kooperiert nicht mit AfD

Maaßen signalisiert seit Jahren gegenüber der AfD eine Offenheit, die über die Haltung der CDU hinausgeht. Die Christdemokraten haben einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der ihnen eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken verbietet. In Thüringen akzeptieren sie aber AfD-Stimmen, wenn damit CDU-Gesetzentwürfe verabschiedet werden können.

Nach der Thüringer Landtagswahl 2019 wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überraschend zum Ministerpräsidenten gewählt, wobei AfD-Stimmen den Ausschlag gegeben hatten. Kemmerichs Wahl hatte deutschlandweit Proteste ausgelöst, er trat wenige Tage nach seiner Wahl zurück - ohne Minister für ein Kabinett ernannt zu haben. Thüringen versank in eine tiefe Regierungskrise, die erst knapp einen Monat später mit der Wiederwahl von Bodo Ramelow (Linke) als Regierungschef beendet wurde. (APA/AFP)

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