Immobilien

Wohnungsmarkt bricht um die Hälfte ein

Die Mieten werden angesichts des immer knapper werdenden Angebots an Wohnungen steigen.
Die Mieten werden angesichts des immer knapper werdenden Angebots an Wohnungen steigen. Christian Charisius / picturedesk.com
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Die Zahl der neuen und freifinanzierten Mietwohnungen soll heuer so niedrig sein wie seit sieben Jahren nicht mehr. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für Mieter und Wohnungssuchende.

Wohnen ist ein elementares Bedürfnis. Doch die Lage auf dem Immobilienmarkt wird immer prekärer. Branchenexperten klagen über das Stillhalten der Politik. Werde jetzt nicht reagiert, würden ein Wohnungsmangel und steigende Mieten befürchtet.

Grund dafür ist ein „paradoxer, aber toxischer Mix“ für den Wohnungsbau, sagte der Geschäftsführer des Wohnungsbauunternehmens Buwog, Andreas Holler, am Mittwoch. „Einerseits wissen die Entwickler, dass die Nachfrage nach Wohnraum in den kommenden Jahren gegeben und vielleicht sogar besonders stark sein wird, wenn bei einer Konjunkturerholung verschobene Umzüge nachgeholt werden. Andererseits sehen sie keine attraktiven wirtschaftlichen Perspektiven, um jetzt genau diese Wohnungen in Bau zu bringen, die in den kommenden Jahren benötigt würden.“ Denn die Konjunkturflaute, rasche Zinsanstiege und hohe Baupreise sorgen für schwierige Rahmenbedingungen für den Neubau. Diese würden den Wiener Wohnungsmarkt heuer besonders hart treffen.

Siebenjahrestief bei Neubauwohnungen

Somit bricht die Zahl der begonnenen Neubauprojekte empfindlich ein. 2024 werden weniger als 13.200 Wohneinheiten fertiggestellt werden, heißt es in einem Bericht von Buwog und des Immobiliendienstleisters EHL. Besonders bei freifinanzierten Mietwohnungen kommt es demnach zu einem Rückgang um mehr als die Hälfte und damit auf nur mehr etwa 2500 Einheiten. Das sei die niedrigste Zahl neuer Mietwohnungen seit sieben Jahren. 2023 sind die Baubewilligungen für neue Wohnprojekte auf nur mehr etwa 11.500 Einheiten gesunken. Gegenüber dem Rekordjahr 2019 bedeutet das ein Minus von mehr als 46 Prozent.

Der Rückgang der Baubewilligungen bedeutet zugleich weniger Baustarts, was sich ab 2025 und besonders auch in den Folgejahren 2026 und 2027 auf die Fertigstellungszahlen auswirken wird. Diese werden voraussichtlich noch niedriger ausfallen als aktuell auf Basis der noch nicht revidierten Angaben der Wohnbauentwickler prognostiziert. Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Daher ist damit zu rechnen, dass die Zahl der fertiggestellten Wohneinheiten unter der ohnehin sehr geringen Anzahl an Baugenehmigungen liegen wird. Somit erreicht die Wohnungsproduktion in den kommenden Jahren ein Niveau deutlich unter dem strukturellen Neuflächenbedarf.

Parallel zur Neubauschwäche ist auch die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum im Bestand stark zurückgegangen. Dachbodenausbauten rentieren sich laut den Branchenvertretern in der aktuellen Marktsituation nur in sehr guten Lagen und Sanierungen bestehender Wohnungen werden derzeit nur noch selten durchgeführt.

Die Mieten werden teurer

Damit verschärft sich das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Die wachsende Bevölkerung schiebt die Nachfrage nach Mietobjekten weiter an, insbesondere in den größeren europäischen Städten. Laut einem CBRE-Bericht wird die Zahl der Haushalte in Europa in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich um drei Prozent steigen. Größte Herausforderung dabei ist die Erschwinglichkeit. Denn je weniger Wohnungen, desto höher wird der Preis.

»Wenn die Angebotslücke größer wird, ist ab 2025 mit einem drastisch steigenden Mietniveau in Wien zu rechnen.«

Karina Schunker

Geschäftsführerin von EHL Wohnen

Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen, konnte bereits im Laufe des vergangenen Jahres „eine Verknappung auf dem Mietmarkt“ wahrnehmen. „Daher sind die Quadratmetermieten in der Neuvermietung im Vorjahr zumindest in der Höhe der Inflationsrate gestiegen, teilweise sogar noch stärker.“ Heuer rechnet sie mit einer ähnlichen Entwicklung. „Wenn die Angebotslücke größer wird, ist ab 2025 mit einem drastisch steigenden Mietniveau in Wien zu rechnen.“ Die Mieten sollen um 4,0 bis 6,9 Prozent steigen und legen damit real leicht zu. Günstigster Bezirk in Wien sei derzeit der 22. mit 12,60 Euro je Quadratmeter.

Günstige Eigentumswohnungen, aber teure Finanzierung

Gänzlich anders stellt sich die Lage für Eigentumswohnungen dar. Zwar werde auch hier ein Preisanstieg für 2024 erwartet, doch werde dieser mit 0,8 bis 2,3 Prozent klar unter der Inflationsrate (4,0 Prozent prognostiziert) liegen. Laut den jüngsten Daten der Nationalbank sind die Preise für Wohneigentum im Jahr 2023 in ganz Österreich um 1,6 Prozent zurückgegangen. Von dem Preisrückgang besonders betroffen waren die gebrauchten Wohnungen. Neubauwohnungen hingegen wurden noch einmal teurer.

Die Presse

„Für Wohnungssuchende sind daher nicht in erster Linie gestiegene Wohnungspreise, sondern primär die gestiegenen Finanzierungskosten eine Herausforderung, und gemeinsam mit der KIM-Verordnung ist es für einige Wohnungssuchende beinahe unmöglich, Eigentum zu schaffen“, erklärt Michael Ehlmaier, Geschäftsführer von EHL. „Ebenso wie der rasche Anstieg der Zinsen zum Nachfrageeinbruch geführt hat, wird ein Rückgang der Leit- und der Marktzinsen daher auch wieder zu rasch steigender Nachfrage führen.“ Er erwartet, dass erste Zinsschritte nach unten möglicherweise bereits Mitte des Jahres gesetzt werden. „Daher wird sich die Nachfrage im späteren Jahresverlauf wieder intensivieren und bei den Preisen eine Trendwende für 2025 einläuten.“

Mietpreisbremse, Bestellerprinzip und ESG

Die Lage des Wiener und auch des österreichischen Wohnungsmarkts entspreche damit im Wesentlichen der Situation in den wichtigsten EU-Märkten, erklärt Daniel Riedl, Vorstandsmitglied der Vonovia und verantwortlich für das Entwicklungsgeschäft in Österreich und Deutschland: „Wohnungsbau ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen derzeit einfach nicht kostengünstiger möglich.“ Riedl fordert nun die Politik auf, die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Schunker kritisiert die Mietpreisbremse, die hohen ESG-Anforderungen und das Bestellerprinzip. Sie fordert die Förderung und begünstigte Finanzierungsmöglichkeiten für thermische Sanierungen und die Nachhaltigkeitsinvestitionen für Bestandsobjekte, begünstigte Abschreibungsmöglichkeiten und steuerliche Anreize im Wohnungsneubau bzw. -ankauf, raschere und unkompliziertere Baugenehmigungs- und Widmungsverfahren und eine Reduktion der Bauvorschriften.

Sorge gibt es auch um die Wahlen. Erfahrungsgemäß bedeute das für Maßnahmen eine Verzögerung. „Da passiert dann ein halbes Jahr nach der Wahl meist gar nichts“, sagte Holler. Daher müsse man jetzt handeln statt morgen.

Die Presse

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