Reaktionen

Wer sich in Österreichs Innenpolitik sträubt, Nawalnys Tod klar zu verurteilen

Gedenken an Alexej Nawalny vor dem Russischen Konsulat in Frankfurt. Auch in Wien legten Menschen Blumen und Fotos vor der russischen Botschaft nieder.
Gedenken an Alexej Nawalny vor dem Russischen Konsulat in Frankfurt. Auch in Wien legten Menschen Blumen und Fotos vor der russischen Botschaft nieder.Imago / Florian Gaul
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Viele Reaktionen auf Nawalnys Tod fielen abseits des Staatsoberhaupts am Wochenende verhalten aus. SPÖ-Urgestein Cap will überhaupt lieber „Frieden mit Putin schließen“.

Kerzen, Fotos von Alexej Nawalny und Protest an Putin säumen seit Samstag die Zäune vieler Gebäude in Europas Hauptstädten. Auch in Wien herrscht vor der russischen Botschaft an der Wiener Reisnerstraße seit Samstag ein Kommen und Gehen. Menschen wollen so ihre Trauer, Wut und Bestürzung über die Tötung des berühmtesten Widersachers von Wladimir Putin zum Ausdruck bringen.

Am schärfsten und schnellsten reagierte man am Samstag ganz oben an Österreichs Staatspitze: Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb bereits am frühen Nachmittag auf X von Putins „mörderischen Regime“, das Nawalnys Tod zu verantworten habe. Bemerkenswert eindeutig war diese Reaktion deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt Nawalnys Tod noch nicht offiziell bestätigt war – und angesichts zunächst verhaltener Reaktionen im Kanzler- und Außenamt bis Sonntag eine der wenigen bleiben sollte, die den Tod des russischen Systemkritikers so kompromisslos verurteilte.

Die russische Botschaft in Wien konterte Van der Bellen am Samstag deshalb mit einer Protestnote an das ÖVP-geführte Außenministerium. Außenminister Alexander Schallenberg verblieb daraufhin am Samstag zunächst diplomatisch. Er wolle sich nicht an Verschwörungstheorien beteiligen, doch man wisse, „dass es einen Giftanschlag auf ihn (Nawalny, Anm.) gab, dass er in den Gulag gesteckt wurde (...), wir wissen welches Regime versucht hat, seine Gesundheit zu zerstören“, sagte er am Samstag. Tatsächlich sollte es noch einen Tag länger dauern, bis Schallenberg schließlich Van der Bellens Wording aufnahm: Am Sonntagabend sprach auch der Außenminister in der „ZiB 2“ von einem „verbrecherischen, mörderischen Regime“ und von Nawalnys Tod als „Tötung auf Raten“. Im Hinblick auf Putins Vorgehen habe man in der Vergangenheit wohl „zu naiv“ agiert.

Grüne Attacke gegen Schallenberg

Unterdessen kam seitens des eigenen Koalitionspartners frontale Attacke: Nina Tomaselli (Grüne) schrieb am Sonntag von „geheimen Unterlagen“ aus dem Außenministerium zu einem Gespräch zwischen Schallenberg und dem damaligen OMV-Chef Rainer Seele kurz nach dem Giftgasanschlag an Nawalny 2020. Damals sei laut Gesprächsprotokoll das kein Grund für Schallenberg gewesen, „die kremlfreundliche Haltung zu überdenken“, schrieb Tomaselli, die aus den Dokumenten zitierte: Man müsse „trotz Nawalny“ einen „kühlen Kopf bewahren“, soll Schallenberg zu Seele gesagt haben, denn eine „Vermischung“ von Politik und Wirtschaft sei „nicht gut“.

Auch Kanzler reagiert verhalten

Mit seiner zunächst zurückhaltenden Einschätzung war Schallenberg am Samstag aber nicht alleine. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte in seiner ersten Reaktion am Samstag Nawalnys Tod nicht eindeutig verurteilt. Nawalny habe „Zeit seines Lebens für ein freies und demokratisches Russland gekämpft“, hieß es am Samstag auf Nehammers X-Account. „Die Umstände seines Todes müssen unabhängig untersucht und lückenlos aufgeklärt werden.“ Das brachte Nehammer auf Social Media reichlich Kritik ein. Auf Nachfrage am Montag im Kanzleramt verwies man auf Schallenbergs Aussagen. Eine weitere Stellungnahme des Kanzlers werde es dazu nicht geben, hieß es zur „Presse“.

Andere ÖVP-Spitzenfunktionäre äußerten sich bis Montag gar nicht. Mit der vergleichsweise vagen Forderung nach einer „lückenlosen Aufklärung“, die es angesichts des diktatorischen Regimes Putins ohnedies nicht geben wird, und ohne den Tod per se zu verurteilen, blieb der Kanzler aber auch parteiübergreifend nicht allein.

Denn auch in der SPÖ tat man sich am Samstag zunächst schwer, klare Worte zu finden. SPÖ-Chef Andreas Babler ließ es zunächst aus, den Tod klar Putins Regime zuzuordnen. Die Nachricht von Nawalnys Tod sei „bedrückend, eine unabhängige Untersuchung notwendig“, schrieb er am Samstag auf X. Bablers Gedanken seien bei „all jenen in Russland, die so viel riskieren, um dem Regime von Putin die Stirn zu bieten und für Demokratie und Freiheit kämpfen“. Am Sonntag forderte er via „Krone“ erneut eine Untersuchung durch eine „internationale Kommission“, denn „kein Mensch vertraut dem Putin-Regime“.

SPÖ-Urgestein Cap: „Die Sanktionen schaden uns allen“

SPÖ-Nationalratsabgeordneter und Funktionär des Forum Österreich-Russland (FOR) zur Förderung österreichisch-russischer Beziehungen, Christoph Matznetter, ließ am Samstag jedoch via Aussendung wissen, dass Nawalny „nach seiner mutmaßlichen Vergiftung mit Nowitschok enormen Mut bewiesen“ habe, „indem er nach Russland zurückgekehrt ist, wo er umgehend von Putins Regime festgenommen wurde.“ Es gilt als unbestritten, dass Nawalnys Vergiftung von russischen Agenten durchgeführt wurde.

In der Talksendung „Links.Rechts.Mitte“ auf „Servus TV“ schlug das rote Urgestein Josef Cap am Sonntag überhaupt eine entgegengesetzte Richtung ein. Er betonte, dass er von den Sanktionen gegen Russland wenig halte. „In der Bevölkerung sagen alle, wann hört das endlich auf, weil ich glaube, die Sanktionen schaden uns allen.“ In der Einleitung der Sendung wurde er mit einem Zitat vorgestellt, wonach er sich dafür ausspreche, „dass wir endlich mit Putin Frieden schließen“.

Wir schwer sich auch weite Teile der SPÖ damit tun, klare Position gegen Putin zu beziehen, war spätestens nach der Rede von Wolodymyr Selenskij im österreichischen Parlament vor knapp einem Jahr ersichtlich geworden. Damals waren lediglich 18 von 40 Roten anwesend, um den zugeschalteten ukrainischen Präsidenten zuzuhören. Ein Umstand, den die SPÖ-Klubführung im Nachhinein bedauerte. Prorussische Aussagen veranlassten etwa auch den SPÖ-Stadtparteichef von Schwechat im Vorjahr zum Rücktritt.

Kogler: „Man muss blind sein, das nicht zu erkennen“

Im Gegensatz dazu fiel die Reaktion von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Samstag kompromisslos aus. Er hatte sich am frühen Samstagnachmittag kurz nach Van der Bellen auf X geäußert. „Nach der Ermordung zahlreicher Kritiker:innen nimmt das verbrecherische Putin Regime dem wichtigsten Oppositionsführer das Leben“, schrieb er dort. Obwohl auch er dabei eine „unabhängige, internationale Untersuchung“ zur „Klärung des Hergangs und der Ursache seines Todes“ einforderte. Am Sonntag sprach Kogler in der ORF-„Pressestunde“ noch deutlichere Worte: Er würde Van der Bellens Worte „wiederholen“, es handle sich um eine „mörderisches Regime, ein verbrecherisches Regime mit einem verbrecherischen Diktator an der Spitze“ – mit indirekter Kritik auch am türkisen Koalitionspartner: „Ich weiß nicht, wie blind man sein muss, das nicht zu erkennen“.

Von einem „Mord auf Raten“ sprach unterdessen auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, deren Partei in der Vergangenheit bekanntlich stets klare Position gegen Putin bezog. Sie twitterte kurz nach Van der Bellen von einem „Mord auf Raten“ an Putins „gefährlichstem“ Kritiker. „Was für ein Terrorstaat, was für eine unmenschliches, unterdrückerisches Regime!“, hieß es auf ihrem Account.

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