Haben Europas Banken ihren Zenit bereits überschritten?

Frankreichs Banken, wie die BNP Paribas, sind stark im Bereich Gewerbeimmobilien engagiert.
Frankreichs Banken, wie die BNP Paribas, sind stark im Bereich Gewerbeimmobilien engagiert. Reuters
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Die Einnahmen sprudeln, und auch die Dividenden werden in Strömen fließen. Doch 2023 könnte ein Wendepunkt für die Branche gewesen sein.

Wien. In der europäischen Bankenbranche ist wieder Klotzen statt Kleckern angesagt. Denn die 20 größten Institute Kontinentaleuropas haben im vergangenen Jahr so hohe Gewinne eingefahren wie noch nie. Der Überschuss belief sich auf über 100 Mrd. Euro, was einem Plus von rund 32 Prozent gegenüber 2022 entspricht, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt. Die Agentur hat sich dabei allerdings nur jene Häuser angesehen, die ihre Bilanzen für das abgelaufene Jahr bereits gelegt haben. Diese waren dafür beachtlich. Immerhin konnten drei Viertel der untersuchten Banken Rekordergebnisse vermelden.

So erzielte etwa die spanische Großbank Santander mit 11,1 Mrd. Euro den höchsten Überschuss in ihrer Geschichte. Und auch die britische HSBC fuhr mit 24,6 Mrd. Dollar (plus 51 Prozent gegenüber 2022) trotz Abschreibungen einen Rekordgewinn ein. Selbst bei der teilstaatlichen Commerzbank lief es rund, sie vermeldete das beste Ergebnis seit 15 Jahren.

Die Gewinne der Banken kommen nicht von ungefähr und sind in erster Linie auf die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen. Die Geldinstitute können für vergebene Kredite deutlich mehr verlangen, während sie bei den Sparzinsen nach wie vor zurückhaltend sind. Die Strafzinsen, die ihnen von der Europäischen Zentralbank über Jahre hinweg für das Parken von Geld auferlegt wurden, sind ebenso Geschichte.

Geldregen für Aktionäre

Die Banken werden sich ihre Gewinne allerdings nicht nur in die eigenen Taschen stecken, sondern haben auch vor, ihre Aktionäre damit zu beglücken. Wie die „FT“ mit Verweis auf Zahlen der UBS schreibt, dürfte die Branche für das abgelaufene Jahr 120 Mrd. Euro an ihre Anteilseigner ausschütten. Einerseits in Form höherer Dividenden, andererseits über Aktienrückkäufe. Bei solchen kauft das Unternehmen eigene Aktien zurück, was deren Anzahl verringert und sich positiv auf den Kurs auswirkt. Im Zuge der Corona-Krise hatte die EZB Banken dazu angehalten, auf Gewinnausschüttungen und Aktienrückkäufe zu verzichten, was nun nicht mehr notwendig ist.

Doch auch wenn es den Anschein macht, als ob die Kredithäuser wieder auf ihrem Zenit stehen, ist nicht alles eitel Wonne. Selbst, wenn die Gewinne mit über 100 Mrd. Euro in Europa hoch erscheinen mögen, „sind 100 Mrd. Euro vor zehn Jahren etwas anderes als heute“, sagte RBI-Chefökonom Gunter Deuber. Denn das „Bankengeschäft ist ein nominales Geschäft“. Wichtiger sei es, sich den Return on Equity, also die Eigenkapitalrendite anzusehen, so Deuber. Hier stehen die europäischen Banken derzeit bei einem Wert von 13 Prozent, vor 15 Jahren seien es noch 15 bis 20 Prozent gewesen, manche Häuser lagen sogar darüber. „Die Performance der Banken heute ist solide, aber es ist nicht der Rekord, wie er vordergründig dargestellt wird“, so Deuber.

Zwar seien die Zinseinkommen in der jüngeren Vergangenheit sehr stark angestiegen - hier stehe man wahrscheinlich an der Spitze - , doch werde das Kapitalmarktgeschäft bereits schwächer, was sich teilweise bereits in den Ergebnissen für das vierte Quartal widergespiegelt hat. Gleichzeitig sind die Risikokosten noch gering. Das hat damit zu tun, dass der Arbeitsmarkt in Europa trotz kleinerer Ausschläge weiterhin robust ist und die Kunden ihre Verbindlichkeiten bedienen. Und auch die ein oder andere Insolvenz wurde durch die Pandemie künstlich hinausgezögert, doch von dramatischen Risikokosten will Deuber deshalb nicht ausgehen.

Risiko Gewerbeimmos?

Und wie sieht es im Bereich der Gewerbeimmobilien aus? 1,4 Billionen Euro hat die europäische Bankenbranche an diesen Sektor verliehen, der sich seit geraumer Zeit mit fallenden Preisen konfrontiert sieht. Daten der EBA zufolge sind hier vor allem Häuser aus Frankreich und Deutschland involviert. Insidern zufolge soll die EZB Banken, die problematische Gewerbeimmobilien-Kredite besitzen, bereits mit höheren Kapitalanforderungen gedroht haben. Wobei Deuber relativiert: Europas Banken hätten nur acht, neun Prozent ihrer Aktiva in diesem Bereich, während es in den USA über 20 Prozent sind.

Noch im November gab die Zentralbank Entwarnung, dass von dem Sektor allein keine systemische Krise ausgehen könne, obwohl er das Potenzial habe, wie ein Verstärker in Stress-Situationen zu wirken. Wahrscheinlich werde den Banken das Thema jedoch noch zwölf bis 18 Monate erhalten bleiben, so Deuber. Grundsätzlich seien die Immobilien nicht wertlos, sondern lassen sich im Zweifelsfall später verwerten oder müssen länger als geplant finanziert werden. Die neue Chefin der Bankenaufsicht, Claudia Buch, attestierte den Banken kürzlich „heute besser kapitalisiert und widerstandsfähiger als zu Beginn der Bankenunion vor zehn Jahren“ zu sein. Doch gebe es „keinen Grund zur Selbstzufriedenheit“, Wachsamkeit sei gefragt.

Sieht man sich den europäischen Bankenindex STOXX Europe 600 Banks (siehe Grafik) an, so haben die Banken durchaus bewegte Jahre hinter sich. Seit Herbst 2020 ging es für den Index um über 130 Prozent nach oben. Geht man allerdings bis ins Jahr 2007 zurück, als der Index seinen absoluten Höchststand erreichte, befindet man sich nach wie vor im Tal der Tränen. Das Minus seither beläuft sich auf über 70 Prozent. Auch heimische Aktionäre mussten schon leidvolle Erfahrungen machen. Die Aktien von Erste Bank und RBI konnten auch mehr als 15 Jahre nach der Finanzkrise nicht mehr an ihre alten Rekordhochs anschließen.

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