Gespräch abgehört

Russland: Bundeswehr-Mitschnitt zeigt Beteiligung des Westens

Der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, trifft vor dem russischen Außenministerium in Moskau ein.
Der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, trifft vor dem russischen Außenministerium in Moskau ein.Imago / Ria Novosti
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Der deutsche Botschafter in Moskau wird ins Außenministerium zitiert. Russland sieht im abgehörten Gespräch einen Beweis dafür, dass der Westen direkt am Krieg beteiligt ist. Für den deutschen Verteidigungsminister ist die Abhöraffäre hingegen Teil eines russischen „Informationskriegs“.

Der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, ist zu einem Gesprächstermin im Außenministerium in Moskau eingetroffen. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete unter Berufung auf eine anonyme Quelle, es handle sich dabei um eine Einbestellung des Botschafters wegen der jüngst veröffentlichten Mitschnitte eines von Russland abgehörten Telefonats deutscher Luftwaffen-Offiziere.

Der Bundeswehr-Mitschnitt zeigt Russland zufolge die Beteiligung des Westens in dem Ukraine-Konflikt. Ob die Bundeswehr auf Geheiß der Regierung oder auf Eigeninitiative agiere, sei unklar, sagt der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow.

Bei dem abgehörten Telefonat ging es um den möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine. Nach dpa-Informationen hingegen traf Lambsdorff zu einem Gespräch im russischen Außenministerium ein, das schon länger im Voraus geplant war und nicht erst jetzt eilig angesetzt wurde. Weder die Pressestelle noch der Botschafter selbst waren zunächst für eine Stellungnahme erreichbar.

Pistorius: Teil eines russischen „Informationskriegs“

Das russische Staatsfernsehen hatte am Freitag den Mitschnitt einer vertraulichen Telefonkonferenz hochrangiger Bundeswehr-Offiziere im Internet veröffentlicht. Parallel zu der Veröffentlichung erhob Russland schwere Vorwürfe gegen Deutschland. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte am Sonntag, er wolle vorerst keine personellen Konsequenzen ziehen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Abhöraffäre bei der Bundeswehr als Teil eines russischen „Informationskrieges“ bezeichnet. Russlands Präsident Wladimir Putin versuche, die deutsche Innenpolitik auseinanderzutreiben, sagte Pistorius am Sonntag in Berlin. „Es handelt sich um einen hybriden Angriff zur Desinformation - es geht um Spaltung, es geht darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben“, sagte der SPD-Politiker. „Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen.“ Deshalb müsse man auf die von Russland veröffentlichte Aufnahme eines Telefonats ranghoher Bundeswehroffiziere besonnen reagieren, „aber nicht weniger entschlossen“.

Scholz: „Merkwürdige“ Debatte über einzelnes Waffensystem

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bekräftigt, dass Deutschland die Kontrolle über den Einsatz des Marschflugkörper Taurus behalten sollte und deshalb eine Lieferung an die Ukraine schwierig sei. „Es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann“, sagte Scholz am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung in einer Schule in Sindelfingen. „Und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das für mich ausgeschlossen“, fügte der SPD-Politiker hinzu.

Scholz betonte erneut, dass man über eine „merkwürdige“ Debatte über ein einziges Waffensystem nicht vergessen dürfe, dass Deutschland in diesem Jahr Militärhilfe für die Ukraine im Umfang von sieben Milliarden Euro eingeplant habe. Dies sei viel mehr als andere europäische Staaten. „Wir sind vorne dran“, sagte der Kanzler.

Der deutsche Kanzler pochte auch immer wieder auf eine enge Abstimmung mit den USA, die bisher auch keine so weit fliegenden Marschflugkörper liefern. Zudem hatte Scholz darauf verwiesen, dass Bundeswehrsoldaten „an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein (dürfen) - auch nicht in Deutschland.“ Drittens hatte er auf die Gefahr verwiesen, dass wegen der Reichweite von Taurus - anders als bei den britischen und französischen Marschflugkörpern - auch Ziele in Moskau angegriffen werden könnten. Politiker der Koalitionspartner Grüne und FDP sowie der Union haben sich dagegen für eine Lieferung ausgesprochen.

CDU/CSU fordert Sondersitzung des Verteidigungsausschuss

Die Union fordert wegen der Abhöraffäre eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. „Das ist eine so brisante Angelegenheit, dass es richtig ist, dass sich der Verteidigungsausschuss mit diesen Fragen beschäftigt“, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, am Montag den Sendern RTL/ntv. Eine Sondersitzung des Verteidigungsausschuss wäre der erste Schritt, sagte Frei. In der kommenden Woche werde es zudem eine Regierungsbefragung mit Kanzler Olaf Scholz im Bundestag geben. Das russische Fernsehen hatte am Freitag den Mitschnitt eines Gesprächs von Bundeswehr-Offizieren über einen möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine veröffentlicht.

Bei der von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gestellte Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bremste CDU-Politiker Frei dagegen. „Gegebenenfalls, wenn das Aufklärungsinteresse nicht befriedigt werden kann, braucht es auch einen Untersuchungsausschuss. Aber wir machen das Schritt für Schritt“, betonte Frei. Geklärt werden müsse: „Was ist hier an Informationen preisgegeben worden? Wie passt das zur Argumentation des Bundeskanzlers? Wann und auf welcher Grundlage war der Bundesverteidigungsminister eingebunden?“

Sorge vor größerer russischer Abhöraktion

Verteidigungsminister Pistorius hatte am Sonntag rasche Aufklärung über den Mitschnitt des Gesprächs der Offiziere versprochen, die vor allem der Militärische Abschirmdienst (MAD) leisten soll. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte der „Bild“, dass Russland seiner Meinung nach weitere Mitglieder der Bundesregierung und der Ministerien abgehört habe „bis hin zum Kanzler und seinem direkten Umfeld“. Es sei nur „eine Frage der Zeit und passenden Gelegenheit“, bis entsprechende Mitschnitte veröffentlicht würden. (APA/dpa/Reuters)

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