Musik

»Lärmende Andacht«: Kant und die Musik

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„Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden“: Nein, dieser weise Satz ist nicht von Kant, sondern von Wilhelm Busch. Aber sie drückt Kants Beziehung zur Musik gut aus. Er war sehr lärmempfindlich. Das Krähen eines Hahns auf dem nachbarlichen Hof irritierte ihn derart, dass er das Tier kaufte und dem Suppentopf überantwortete. Als er sich mit 63 Jahren am Schlossgraben sein eigenes Haus einrichtete, litt er unter der Nähe des städtischen Gefängnisses, dessen Insassen, wohl zu ihrer Besserung, geistliche Lieder singen mussten.

Kant nannte diesen Gefängnischor in einem Beschwerdebrief an den Bürgermeister „stentorische Andacht der Heuchler im Gefängnisse“, sogar in in einer Fußnote in der „Kritik der Urteilskraft“ tadelte er die „lärmende (eben dadurch gemeiniglich pharisäische) Andacht“, die „eine große Beschwerde“ sei, „indem „sie die Nachbarschaft entweder mitzusingen oder ihr Gedankengeschäft niederzulegen nötige“.

So bescheinigte Kant der Musik einen „gewissen Mangel an Urbanität“, da sie „ihren Einfluss weiter, als man ihn verlangt, auf die Nachbarschaft ausbreitet und so sich gleichsam aufdrängt“. Das tun, so Kant, „die Künste, die zu den Augen reden, nicht“. Es sei mit der Musik wie mit einem „parfümierten Schnupftuch“. Wer ein solches „aus der Tasche zieht, traktiert alle um und neben sich wider ihren Willen und nötigt sie, wenn sie atmen wollen, zugleich zu genießen; daher es auch aus der Mode gekommen ist.“

Kein Wunder, dass Kant der Musik „weniger Wert als jeder anderen der schönen Künste“ beimaß. Immerhin hielt er ihr zugute, dass „an dem Reize und der Gemütsbewegung, welche die Musik hervorbringt, die Mathematik sicherlich nicht den mindesten Anteil“ habe. Und dass sie „das Gemüt bloß vorübergehend, doch inniglicher“ als die Dichtkunst bewege. Sie sei aber, und das heißt bei Kant nichts Gutes, „mehr Genuss als Kultur“. Den Vorzug gab er der Malerei, weil sie „weit mehr in die Region der Ideen eindringen“ könne.

Die Würdigung der Musik überließ er seinem aufsässigen Schüler Arthur Schopenhauer. Dass, wie Kant geschrieben hatte, Musik „ohne Begriffe spricht“, war für diesen ihr größter Vorzug und machte sie für ihn zum abstrakten „Abbild des Willens selbst“. Den Lärm, insbesondere „das wahrhaft infernale Peitschenklatschen“, konnte freilich auch er nicht leiden.

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