Vatikan

Russen sehen sich von Papst-Kritik bestätigt: Ukraine solle Mut haben, „weiße Fahne“ zu hissen

Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz am Petersplatz am 6. März.
Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz am Petersplatz am 6. März.Imago / Ipa/abaca
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Der Papst hat die Ukraine zu Friedensverhandlungen mit Russland aufgerufen. International und vor allem in der Ukraine wird diese Aussage scharf kritisiert, während Moskau sich auf seinem Kurs bestätigt sieht.

Der Papst ist mit seiner Aussage, die Ukraine sollte den Mut zu Friedensverhandlungen mit Russland aufbringen, auf internationale Kritik gestoßen.

Russland sieht freilich in der Aufforderung von Papst Franziskus an die Ukraine, den Mut zum Hissen der „weißen Fahne“ zu haben, die eigene Haltung bestätigt und versucht das Interview für die eigene Propaganda zu nutzen. „So wie ich es sehe, bittet der Papst den Westen, seine Ambitionen beiseite zu legen und zuzugeben, dass er falsch lag“, sagt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Demnach sagt Sacharowa, der Westen benutze die Ukraine um Russland zu schwächen. Sie erklärt weiter, Russland habe nie Verhandlungen blockiert. 

Die Ukraine hat diese Überlegungen zurückgewiesen: „Unsere Flagge ist gelb und blau“, schrieb Außenminister Dmytro Kuleba am Sonntag auf der Plattform X und bezog sich dabei auf die Farben der Nationalflagge. „Dies ist die Flagge, unter der wir leben, sterben und siegen. Wir werden niemals eine andere Flagge hissen.“

„Muss den Mut haben, zu verhandeln“

Das Oberhaupt der Katholischen Kirche hatte in einem Interview mit dem Schweizer Sender RSI, das bereits im Februar geführt, aber erst am Samstag bekannt geworden war, der Ukraine nahegelegt, den Mut haben, eine „weiße Fahne“ zu hissen und ein Ende des Krieges mit Russland auszuhandeln. Er denke, „dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt“, hatte Franziskus gesagt. „Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“ Franziskus war gefragt worden, ob er eher bei jenen stehe, die eine Aufgabe der Ukraine fordern, weil sie Russland nicht habe zurückzuschlagen können, oder bei jenen, die sagten, eine Aufgabe würde die Aktionen der stärksten Seite legitimieren. Der Interviewer hatte dabei den Begriff „weiße Fahne“ verwendet.

Der ukrainsiche Außenminister Kuleba wies auf X auch auf Vorwürfe hin, Papst Pius XII. habe es versäumt, gegen die Nazi-Gewaltherrschaft im Zweiten Weltkrieg vorzugehen. „Gleichzeitig kennen wir die Strategie des Vatikans aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, wenn es um die weiße Fahne geht“, schrieb er. „Ich fordere (den Vatikan) dringend auf, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und die Ukraine und ihr Volk in ihrem gerechten Kampf um ihr Leben zu unterstützen.“

Präsident Wolodymyr Selenskyj hielt sich mit deutlicher Kritik zurück. „Sie unterstützen uns mit ihrem Gebet, mit ihren Gesprächen und mit Taten“, sagte er. Das sei es, was eine Kirche mit dem Volk ausmache. „Nicht 2500 Kilometer entfernt, irgendwo, virtuelle Vermittlung zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich zerstören will.“

Vatikan versucht Schaden einzudämmen

Der Vatikan bemühte sich daraufhin um Schadensbegrenzung und versuchte, die Äußerungen des Papstes einzuordnen. Papst-Sprecher Matteo Bruni widersprach Darstellungen, der Papst habe die Ukraine in dem Interview zur Kapitulation aufgefordert. Er habe „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben“ wollen.

In einer für deutsche Diplomaten ungewöhnlichen Weise distanzierte sich auch der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl von den Papst-Äußerungen. In einem Tweet im Netzwerk X schrieb Bernhard Kotsch: „Russland ist der Aggressor und bricht internationales Recht! Deshalb fordert Deutschland Moskau auf, den Krieg zu stoppen, und nicht Kiew!“ Es folgt ein Symbol der deutsch-ukranischen Freundschaft. Die beiden Sätze sind auf Englisch geschrieben.

Auch Polen kritisierte Franziskus. „Wie wäre es, wenn wir Putin zum Ausgleich ermutigen würden, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen“, schrieb Außenminister Radoslaw Sikorski auf X. „Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären.“ Der lettische Präsident Edgars Rinkevics schrieb auf X, man müsse das Böse bekämpfen und besiegen, damit das Böse die weiße Fahne hisse und kapituliere.

„Klar, dass Russland der Aggressor ist“

Auf die Seite des Papstes hat sich der Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), gestellt. „Papst Franziskus ist ein besonnener Mann. Seinen Aufruf ‚Mut zu Verhandlungen‘ teile ich“, sagte der Regierungschef den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Es ist klar, dass die Ukraine unterstützt werden muss und Russland der Aggressor in diesem Krieg ist“, sagte Kretschmer weiter. „Dennoch müssen wir uns mehr anstrengen, das Sterben im Krieg zu beenden.“

Das Interview wird am 20. März im Schweizer Rundfunksender RSI in voller Länge ausgestrahlt. (red)

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