Standort

Wohin heimische Firmen abwandern

Die Bauwirtschaft kriselt in Österreich. Der Industrie geht es etwas besser, aber dennoch wandert sie vermehrt ab.
Die Bauwirtschaft kriselt in Österreich. Der Industrie geht es etwas besser, aber dennoch wandert sie vermehrt ab.Bloomberg
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Standort. Zwei Drittel der deutschen Betriebe haben in den letzten drei Jahren Wertschöpfung ins Ausland verlagert. In Österreich bahnt sich eine ähnlich starke Abwanderung an.

Wien. Zwei Jahre. So lange dauert es noch, bis auch in Österreich deutsche Verhältnisse herrschen, warnte Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer am Dienstag. Die Beratungsgesellschaft Deloitte hatte im Herbst erhoben, dass zwei Drittel aller deutschen Betriebe in den vergangenen Jahren Wertschöpfung ins Ausland verlagert haben. Im Auftrag der WKO hat Deloitte nun selbige Umfrage auch in Österreich durchgeführt. Mit wenig erbaulichem Ausgang. Hierzulande haben im selben Zeitraum bereits 41 Prozent der Betriebe Produktionsschritte verlagert.

Dass man aktuell noch besser dasteht als Deutschland, sollte nicht beruhigen, mahnte Mahrer: „Das ist ja ein Zug, der Fahrt aufnimmt.“ Viele Teile der Wertschöpfungskette in Österreich würden an der deutschen hängen. Wenn österreichischen Zulieferern die Abnehmer in Deutschland vermehrt abhanden kommen, steigt auch der Druck, selbst dorthin abzuwandern, wo die Nachfrage größer ist – und der Standort wettbewerbsfähiger.

Europäisches Problem

Der mit Abstand häufigste Grund für Verlagerungen sind laut Umfrage die stark gestiegenen Kosten von Arbeit. 59 Prozent der Unternehmen sehen Arbeitskosten als starken Grund für Investitionen im Ausland, 19 Prozent sehen darin immerhin einen moderaten Grund. Je ein Drittel nannte Bürokratie beziehungsweise Energiekosten als starken Grund für Produktionsverlagerungen. „Österreich preist sich aus dem Markt“, warnte Mahrer, der von einer „extrem alarmierenden Situation“ sprach.

»Österreich preist sich aus dem Markt«

Harald Mahrer

WKO-Präsident

Die Umfrage zeigt jedenfalls, dass ganz Europa ein Standortproblem hat – nicht nur Deutschland und Österreich. Denn während in den letzten drei Jahren vor allem in andere EU-Länder verlagert wurde, planen heimische Firmen, die erstmals den Schritt ins Ausland wagen, in den nächsten zwei bis drei Jahren mehrheitlich außerhalb Europas zu investieren (siehe Grafik). 46 Prozent planen etwa Verlagerungen nach Asien, 27 Prozent planen Investitionen in den USA. Nur 44 Prozent wollen von Österreich in andere EU-Länder verlagern.

Angst vor Deindustrialisierung

Mahrer, der schon seit einiger Zeit immer wieder vor einer Deindustrialisierung Österreichs warnt, sieht sich durch die Umfrage bestätigt. Innerhalb der WKO, die ja heimische Unternehmen bei der Standortsuche im Ausland berät, beobachte man schon seit einiger Zeit eine verstärkte Abwanderungstendenz. Die Umfrage belege diesen Eindruck nun mit Zahlen. „Produktionsverlagerung ist gelebte Realität“, sagte Mahrer.

Aktuell betrifft die Verlagerung von Wertschöpfungsschritten vor allem neue Investitionen, also Wertschöpfung die auch in Österreich hätte entstehen können. Damit aber nicht irgendwann auch – wie in Deutschland – etablierte Produktionsstandorte zu wackeln beginnen, brauche es dringend ein Gegensteuern seitens der Politik, warnte Mahrer einmal mehr. Neben dem Abbau von Bürokratie und der Senkung der Lohnnebenkosten forderte er auch Steuerfreiheit von Überstunden. „Wenn man halbwegs alle Tassen im Schrank hat“, sollten das Themen sein, die im neuen Regierungsprogramm stehen.

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