Jubiläum

Piatnik: Seit 200 Jahren dem Spielen verschrieben

Wände voller Spielkarten: Piatnik-Chef Dieter Strehl im Firmensitz in Penzing.
Wände voller Spielkarten: Piatnik-Chef Dieter Strehl im Firmensitz in Penzing. Valerie Marie Voithofer
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Der Wiener Karten- und Brettspiel-Produzent feiert Jubiläum. Und ist nach wie vor in Familienbesitz: Geschäftsführer Dieter Strehl ist Ururenkel des Namensgebers Ferdinand Piatnik, dessen Name zum Synonym für Spielkarten wurde.

Es ist, man verzeihe das naheliegende Wortspiel, immer noch ein Glücksspiel: Ob sich ein neues Brettspiel solide verkauft, zum Bestseller wird oder auch – dies passiert aber eher selten – „fürchterlich abstinkt“, das könne man auch mit einer 200-jährigen Unternehmensgeschichte und entsprechend langer Erfahrung nicht vorhersehen, sagt Piatnik-Chef Dieter Strehl. „Eine Fülle von Zufälligkeiten“ führe dazu, ob ein Spiel zum Erfolg wird (oder eben nicht).

Nun, in der 200-jährigen Geschichte von Ferd. Piatnik & Söhne (so der offizielle Name) sind sich schon ein paar Erfolge ausgegangen. Welterfolge gar: Vom 1990er-Spiel „Activity“ wurden bis heute zwölf Millionen Stück verkauft. Nach wie vor ist der Klassiker, bei dem man seinen Mitspielern Begriffe durch Pantomime, Zeichnungen oder verbale Erklärungen näher bringt, erfolgreich.

Wenige Spiele werden zu Klassikern

Was eher selten sei, sagt Strehl, Ururenkel von Ferdinand Piatnik. Denn die meisten Neuerscheinungen sind ob der heutigen Fülle an Konkurrenz-Spielen schnell wieder vergessen. Nur wenige – im Fall Piatniks etwa auch „DKT“ oder „Rummikub“ – halten sich über Jahrzehnte. Das aktuell populäre Wissensquiz „Smart 10“ (ja, das mit der eigenen ORF-Sendung) „hat mir nicht gefallen“, sagt Strehl. In Zeiten von Google brauche es, dachte er vor ein paar Jahren, „kein weiteres Quizspiel“. Und lehnte die Spielidee zunächst ab, sicherte sich dann aber nach Erfolgen des Spiels in Skandinavien die Rechte für den deutschen Sprachraum (sowie für einige Nachbarländer).

Historische Ansicht der Piatnik-Werkstätten in Penzing, wo das Unternehmen seit 1891 produziert.
Historische Ansicht der Piatnik-Werkstätten in Penzing, wo das Unternehmen seit 1891 produziert. Piatnik

Wobei Quiz- und andere Brettspiele, heute wichtigster Umsatzbringer, nicht das ursprüngliche Geschäft des Unternehmens waren. Das übrigens auch gar nicht von Namensgeber Ferdinand Piatnik gegründet wurde, sondern vom Kartenmaler Anton Moser, der am 14. Mai 1824, „vormittags 10 Uhr“, wie auf dem Stempelkartenblatt vermerkt (die Wiener Bürokratie!), ein Unternehmen zur Spielkarten-Erzeugung in Neubau angemeldet hat.

Als Moser im Jahr 1843 starb, übernahm sein Geselle Ferdinand Piatnik, der die Lehre zum Kartenmaler in Budapest gemacht hatte, das Unternehmen. Und heiratete auch gleich die deutlich ältere Witwe Mosers.

Synonym für Spielkarten

Ferdinand Piatnik entwickelte seine ganz spezielle Art von Spielkartenmotiven, wie die „Doppeldeutschen“ oder auch Rummykarten-Motive, die bis heute verwendet werden. Piatnik galt (und gilt) als Synonym für qualitätsvolle Kartensets. Seine drei Söhne stiegen später ins Geschäft ein, expandierten in mehrere Nachbarländer – und verlegten den Standort nach Penzing, „da war damals nur grüne Wiese und nichts“, sagt Strehl.

Bis heute ist dies der Firmenstandort, hier werden Spielkarten, -bretter, -anleitungen, -kartons entworfen, gedruckt und zusammengefügt. Würfel oder Spielsteine kauft man zu. Pro Tag werden hier an den Maschinen und Fließbändern im Schnitt 10.000 Spiele fertiggestellt, die meisten natürlich in der Vorweihnachtssaison, in der das Team – Piatnik beschäftigt 100 Mitarbeiter – ob der hohen Nachfrage in zwei oder drei Schichten arbeitet.

Am Standort in Penzing werden tausende Spiele pro Tag zusammengefügt. Der Großteil wird für den europäischen Markt produziert.
Am Standort in Penzing werden tausende Spiele pro Tag zusammengefügt. Der Großteil wird für den europäischen Markt produziert.Valerie Marie Voithofer

Strehl selbst hatte für sich eigentlich andere Pläne. Dass er ins Familienunternehmen einsteigt, „war überhaupt nicht klar. Ich habe keine Ahnung gehabt.“ Seine Großmutter habe ihm zwar Spielkarten geschenkt, „sie wollte mir Bridge beibringen, ist aber gescheitert. Ich spiele lieber Tarock.“

Nach dem Wirtschaftsstudium arbeitete Strehl zunächst in anderen Firmen, absolvierte aber auch Praktika bei Piatnik, fand die Arbeit „sehr interessant und international“ – 80 Prozent der in Wien produzierten Spiele und Karten werden exportiert, vorwiegend in europäische Länder – und blieb. Pro Jahr bringt Piatnik 25 neue Spiele heraus, eines der jüngeren: Eine „grüne“ Variante des „DKT“, „das klimaneutrale Talent“, bei dem man keine Häuser und Hotels, sondern Bäume pflanzt und Nationalparks statt Landeshauptstadt-Straßen besitzt.

„DKT“, klimafreundlich

Und auch wenn man derzeit durch eine „Polykrise“ (Krieg, Inflation etc.) gehe: Strehl blickt durchaus optimistisch in die Zukunft, immerhin habe sein Unternehmen in 200 Jahren „schon ganz andere Katastrophen“, darunter zwei Weltkriege, überstanden. Und das klassische, analoge Brett- und Kartenspielen, wiewohl zigfach totgesagt, ist trotz der Konkurrenz durch Computer- und Handyspiele populär. Sogar beliebter denn je: Im deutschsprachigen Raum erscheinen pro Jahr 3000 neue Spiele, „so viele wie überhaupt noch nie. Für Menschen, die gern spielen“, sagt Strehl, „ist das Paradies ausgebrochen“.

Auf einen Blick

Am 14. Mai 1824 gründete Anton Moser eine Kartenmalerei im 7. Bezirk, die sein Geselle Ferdinand Piatnik nach Mosers Tod im Jahr 1843 übernommen hat. Unter Piatniks Söhnen wuchs das Unternehmen rasant und zog 1891 in die Hütteldorfer Straße, wo sich bis heute die Produktionsstätte befindet, in der täglich rund 10.000 Spiele hergestellt werden. Seit den 1960ern produziert Piatnik auch Brettspiele und Puzzles. Das Unternehmen ist nach wie vor im Familienbesitz und wird von Dieter Strehl, Ururenkel von Ferdinand Piatnik, geführt.

Mehr unter: www.piatnik.com

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