Justiz

WKStA-Chefin: „Ich trete nicht in die politische Arena“

Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien.
Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien.Reuters / Leonhard Foeger
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Die Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, lässt sich nicht auf eine politische Debatte mit Sebastian Kurz ein. Und zieht statistisch Bilanz über die Fälle des Vorjahrs.

Sie steht immer wieder im Zentrum kritischer Betrachtungen – und ja, es liegt im Wesen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), dass sie sich mächtige Feinde schafft. Denn sie ermittelt in hochkomplexen Strafverfahren mit einem Schaden von mehr als fünf Millionen Euro – und gegen Beschuldigte, die über Geld und Einfluss verfügen. Doch auch diese Personen, so Behördenleiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda am Mittwoch vor Journalisten, blieben nicht verschont.

Die Presse, GK

Zuletzt trat die WKStA als Anklägerin von Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Erscheinung. Und das mit Erfolg. Sie brachte ihren Strafantrag wegen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss durch. Kurz bekam erstinstanzlich acht Monate bedingte Haft. Er meldete volle Berufung an.

Kurz: „Ich will nicht jammern ...“

„Ein politisch motiviertes Vorgehen“, nämlich eine Strafanzeige der Opposition, konkret der Neos, habe zum Strafantrag geführt, hatte Kurz beklagt. Weiter: „Ich habe mein Jus-Studium nicht abgeschlossen, aber so viel habe ich mitgenommen: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Ich will nicht jammern, aber um ehrlich zu sein, fühle ich mich von der WKStA nicht so behandelt.“ Und das noch: „Ich habe den Eindruck, dass so etwas nicht stattfinden würde, wäre ich nicht Bundeskanzler gewesen.“

„Niemand über Gesetz“

Auf die „Presse“-Frage, ob derlei Wortmeldungen nicht das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der WKStA schmälern würden, sagt Vrabl-Sanda: Tatsächlich sei die WKStA auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen. Doch dieses bleibe am ehesten erhalten, wenn man sich nicht in eine politische Debatte verwickeln lasse. „Ich trete nicht in die politische Arena.“ Nachsatz: „Schon gar nicht mit einem Beschuldigten.“

Die Behördenleiterin weiter: „Die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftskriminalität ist zu wichtig, um sie auch nur durch den Anschein der politischen Einflussnahme zu gefährden. Niemand steht über dem Gesetz. Wir treffen unsere Entscheidungen nach dem Gesetz und arbeiten sachlich, unvoreingenommen und frei von medialer, politischer und sonstiger Beeinflussung.“

Tausende Geschädigte

Derzeit sind ungefähr 230 Verfahren bei der WKStA anhängig (siehe Grafik). Ein knappes Drittel sind ausgesprochene Großverfahren mit zwei- bis dreistelligen Millionenschadensbeträgen. Oder mit tausenden Geschädigten. Unter diesen Großverfahren befinden sich wiederum etliche Cybercrime-Verfahren. In diesem Bereich gelte es technische, praktische und rechtliche Herausforderungen zu meistern, so der Leiter der Cybercrime-Kompetenzstelle, Oberstaatsanwalt Matthias Purkart. Es gebe verschiedene Cybercrime-Gruppen: den Anlagebetrug, bei dem Investoren hohe Renditen vorgegaukelt werden, den Notlagebetrug etwa durch falsche Polizisten, die vorgeben, Wertgegenstände vor Einbrechern in Sicherheit zu bringen – oder den „CEO-Fraud“, bei dem Betrüger in großen Unternehmen Datenkommunikation ausspähen und dann Mitarbeiter dazu bringen, etwa nach einem vermeintlichen Auftrag vom Chef Geld zu überweisen.

Rechtlich stoße man oft an Grenzen, weil die Strafprozessordnung nach wie vor Offline-Delikte vor Augen habe, so Purkart. Das betreffe etwa die nationalen Zuständigkeiten, aber auch die internationale Komponente. Täter sitzen oft in Ost- oder Südosteuropa, Beispiel: Kosovo, wo Rechtshilfemöglichkeiten sehr eingeschränkt sind. Viele Delikte könnten gar nicht aufgeklärt werden, so Purkart. „Es gibt noch immer viel zu wenig Skepsis gegenüber diesen Betrugsformen.“ Dabei treffe es nicht nur Leichtgläubige. „Die Zeiten mit dem nigerianischen Prinzen, der eine Erbschaft verspricht, sind vorbei.“ Und: „Es ist keine Schande, zur Polizei zu gehen. Das kann der Unterschied sein, ob Sie Ihre Lebensersparnisse noch haben oder nicht.“

2023: 770 fertige Verfahren

2023 wurden rund 770 Verfahren abgeschlossen. Unterdessen sind im abgelaufenen Jahr ungefähr tausend neue Verfahren angefallen. Zu den prominentesten WKStA-Causen zählt der Casag-Komplex bzw. die Inserate-Affäre rund um die Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Diese hat den (vorläufigen) Kronzeugenstatus und arbeitet mit der WKStA zusammen.

Dies tut auch der Kronzeuge in spe, Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid. Übrigens: Nicht nur Beinschab wird aktuell als Kronzeugin geführt. Im Rahmen von Ermittlungen nach Unregelmäßigkeiten bei Vergabeverfahren haben zuletzt auch mehrere andere Personen den Kronzeugenstatus (und damit Straffreiheit) erhalten.

Eine positive Bilanz zog WKStA-Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl hinsichtlich des vor zehn Jahren eingerichteten Whistleblower-Online-Tools. Seit dessen Bestehen habe es zirka 16.000 Meldungen gegeben (siehe Grafik). Insgesamt sind bisher 958 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Insgesamt mündeten die Hinweise in 150 Anklagen, die zu 93 Verurteilungen, 35 Diversionen und 36 Freisprüchen führten.

Derzeit verfügt die WKStA über 45 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die von zehn Wirtschaftsfachleuten unterstützt werden. Dazu kommt ein Team von 15 IT-Experten, die aber auch für andere Staatsanwaltschaften arbeiten. Dieses Expertenteam soll demnächst aufgestockt werden.

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