Geldpolitik

EZB tastet Leitzins noch nicht an

„Ich werde nicht über die geldpolitische Haltung und die Entscheidungen einer anderen Zentralbank spekulieren“, sagte Lagarde.
„Ich werde nicht über die geldpolitische Haltung und die Entscheidungen einer anderen Zentralbank spekulieren“, sagte Lagarde.AFP/Kirill Kudryavtsev
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Die Europäische Zentralbank könnte ihre Zinsen heuer vor der US-Notenbank senken. Manche Ratsmitglieder wären sogar schon am Donnerstag dazu bereit gewesen.

Wien. Die Europäische Zentralbank wird in den kommenden Wochen etwas ganz Besonderes machen: Sie wird aus dem Windschatten der US-amerikanischen Federal Reserve treten. Denn während die Europäische Zentralbank ihren Leitzinssatz mit ziemlicher hoher Wahrscheinlichkeit im Juni erstmals seit Pandemie und Inflation wieder senken wird, hat sich die Zinsentscheidung in den USA erst in dieser Woche deutlich nach hinten verschoben.

Am Donnerstag hat die EZB ihren Leitzinssatz von 4,5 Prozent allerdings erneut nicht angetastet, was auch im Rahmen der Erwartungen lag. Doch bekräftigte die Notenbank, dass eine Lockerung der aktuellen geldpolitischen Straffung angemessen sei, wenn sich die Daten in die richtige Richtung entwickeln. Und das tun sie laut EZB offenbar. Denn die Inflationsraten sind langsam, aber sicher rückläufig, und auch das Lohnwachstum schwächt sich allmählich ab. Zudem schaffen es die Unternehmen, einen Teil der steigenden Arbeitskosten über ihre Gewinne aufzufangen. „Einige Ratsmitglieder fanden die bereits vorhandenen In­formationen ausreichend“, sagte EZB-Christine Lagarde nach der Zinssitzung. Sie wären also schon am Donnerstag zu einer Zinssenkung bereit gewesen.

Im März ist die Inflation in der Eurozone laut Schnellschätzung von Eurostat auf 2,4 Prozent gesunken, noch im Februar hat sie 2,6  Prozent betragen. Damit kommt die EZB ihrem Zielwert von zwei Prozent immer näher, auch wenn die Kerninflation (ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak) nach wie vor über der herkömmlichen Inflationsrate liegt und auch die hohen Dienstleistungspreise noch nicht hinuntergehen. Zwar unterschieden sich die Inflationsraten im Euroraum deutlich voneinander: In Finnland betrug der Preisanstieg zuletzt nur noch 0,7 Prozent, während sich Österreich mit Kroatien und Estland in der Gruppe jener Staaten befindet, deren Inflationsrate bei über vier Prozent liegt. Aber der grobe Pfad stimmt.

Zwar hat die EZB nicht verraten, in welchem Ausmaß sie die Zinsen in diesem Jahr senken wird, „man bleibe datenabhängig“, hieß es. Aber ein Start im Juni scheint gewiss. Das hat allerdings ebenfalls mit Lagarde selbst zu tun, da sie dem Finanzmarkt einen solchen Schritt bereits vor einigen Wochen in Aussicht gestellt hat. Das wiederum grenzt ihren Spielraum für Rückzieher ein. Der Finanzmarkt erwartet drei Zinssenkungen zu je einem Viertelprozentpunkt in diesem Jahr.

US-Inflation sinkt nicht

Anders als in Europa dürfte die Zinswende in den USA aber nicht mehr vor dem Sommer stattfinden. Vergleichen wollte Lagarde die beiden Wirtschaftsräume aber nicht. „Ich werde nicht über die geldpolitische Haltung und die Entscheidungen einer anderen Zentralbank spekulieren“, so Lagarde. In den USA haben die am Mittwoch veröffentlichten Inflationsdaten für März zu einer Missstimmung geführt. Die Verbraucherpreise stiegen um 3,5 Prozent, nach 3,2 Prozent im Februar. „Der Traum von sinkenden Zinsen der US-Notenbank Fed könnte vorerst nicht in Erfüllung gehen. Marktteilnehmer reagieren enttäuscht und zeigen dies durch neue Verkaufsimpulse“, kommentierte Salah-Eddine Bouhmidi, Manager beim Broker IG die Lage.

Auf dem Finanzmarkt war man zunächst noch davon ausgegangen, dass die Fed die Zinswende im Juni einläuten würde. Ein solcher Schritt wird nun aber vermutlich erst im September kommen. Aus den geldpolitischen Protokollen der Fed lässt sich herauslesen, dass die Inflationsdaten der vergangenen Monate als „enttäuschend“ betrachtet wurden. Die Währungshüter waren der Ansicht, dass die jüngsten Daten ihr Vertrauen in eine nachhaltige Senkung der Infla­tion hin zum Zielwert von zwei Prozent nicht gestärkt hätten.

Hinzu kommt, dass die US-Wirtschaft heuer deutlich stärker wachsen wird als ursprünglich angenommen. Auch der Arbeitsmarkt erweist sich als robust. Die US-Notenbank hat also keinen Grund, voreilig zu sein.

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