Jenewein-Chats

Hat Kickls Kabinett die FPÖ mit Akten aus dem Ministerium versorgt?

Chats zwischen Ex-FPÖ-Mandatar Jenewein und einer Mitarbeiterin in Kickls Kabinett legen nahe, dass Jenewein von dieser Akten und Mails geschickt bekam Damit soll Kickl auch auf seine Befragungen im BVT-U-Ausschuss vorbereitet worden sein.
Chats zwischen Ex-FPÖ-Mandatar Jenewein und einer Mitarbeiterin in Kickls Kabinett legen nahe, dass Jenewein von dieser Akten und Mails geschickt bekam Damit soll Kickl auch auf seine Befragungen im BVT-U-Ausschuss vorbereitet worden sein.Michael Gruber
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Eine Mitarbeiterin im Kabinett von Herbert Kickl soll wichtige Informationsbeschafferin für Hans-Jörg Jenewein gewesen sein, wie ein Anfallsbericht der StA Wien zeigt, der der „Presse“ vorliegt. Er enthält unzählige Chats, in denen Jenewein Akten aus dem Innenministerium anfordert und sie offenbar auch erhält. Die Frau war bis zuletzt in der Sektion III des Verkehrsministeriums tätig.

Ein nun im U-Ausschuss bekannt gewordener Verdacht, der sich auf mehr als 200 Seiten eines „Anfallsberichts“, der vom Bundeamt für Korruptionsbekämpfung an die Staatsanwaltschaft (StA) Wien im Juni 2022 übermittelt wurde - er liegt der „Presse“ vor - lässt vermuten, dass Herbert Kickls Kabinett rund um den BVT-U-Ausschuss bereitwillig heikle Informationen aus dem Innenressort weitergab – an die eigene Partei. Ex-FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein soll in der Zeit, als er 2018 Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss war, Hunderte Dokumente direkt aus dem Kabinett Kickls erhalten haben. Darüber berichteten auch „profil“ und „Standard“ am Montag.

Eine Kabinettsmitarbeiterin von Herbert Kickl steht im Zentrum des StA-Berichts, die monatelang Informationen an Jenewein rund um Teilnehmer des „Berner Clubs“ und der BVT-Razzia weitergegeben haben soll, um die Befragungen im BVT-U-Ausschuss vorzubereiten. Dazu schleuste sie sich im September 2018 gar in die Reihen von Journalisten im U-Ausschuss sein. Der Verdacht der StA: Amtsmissbrauch. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Von Hartinger-Klein zu Gewessler

Die Mitarbeiterin ist keine Unbekannte. Im Jänner 2018 wechselt sie aus dem Verkehrsministerium als Pressesprecherin in das Büro von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Im Mai 2018 und damit kurze Zeit nach Start des BVT-U-Ausschusses, die Razzia findet bekanntlich im Februar 2018 statt, wird sie in das Kabinett von Kickl im Innenministerium entsandt. Im September 2018 sorgt sie im BVT-U-Ausschuss für mediales Aufsehen: Es handelt sich um jene Mitarbeiterin, die sich als Journalistin ausgab, um dort Zutritt zu erhalten. Ein Presseausweis, mit dem sie das argumentierte, wird ihr später aberkannt.

Ihre Karriere aber geht ministeriell weiter. Laut Organigramm war sie bis zuletzt im grünen Verkehrsministerium tätig, sogar in einer leitenden Funktion im Bereich „Information und Dokumentation“ in der Sektion III. Auf Nachfrage der „Presse“ im Büro von Leonore Gewessler heißt es, dass sie dort „nicht mehr tätig“ sei. Seit wann, bleibt offen.

„Schick‘ ich dir“

Die Chats legen nahe, dass sie stapelweise Akten und Mails rund um das BVT abfragte und an Jenewein weitergab – um diesen etwa auf Befragungen im U-Ausschuss vorzubereiten. Der Akt beschreibt „Zufallsfunde“ zwischen August 2018 und August 2021 auf dem Handy Jeneweins, das bei seiner Hausdurchsuchung im Herbst 2021 sichergestellt wird.  

Der im Bericht beschriebene „modus operandi“ sieht wie folgt aus: Jenewein fordert von der Mitarbeiterin Dokumente an, die er zwar auch über den U-Ausschuss erhält, diese jedoch nur mit Wasserzeichen der jeweiligen Klubs, womit er diese nicht anonym an Medien weiterspielen kann. Deshalb will er die Originaldokumente aus dem Innenministerium. Mehr als 200 vertrauliche Akten haben die Ermittler laut Akt bei Jenewein sichergestellt.

Mehrfach schreibt Jenewein an die Frau, ob er unterschiedliche Dokumente bekommen könne. „Schick‘ ich dir“, lautet einmal ihre Antwort. Ein anderes Mal schreibt Jenewein: „Guten Morgen! Sag, siehst du eine Möglichkeit den Rubicon Vertrag ohne Kennung zu bekommen???“. Die Frau antwortet: „Mache mich auf die Suche...“. Jenewein: „Krone wird sich freuen.“ Gemeint ist die „Kronen Zeitung“. Laut Protokoll des U-Ausschusses befragt Jenewein im September 2018 einen in den U-Ausschuss geladenen „Amtsdirektor“ tatsächlich zu dem Vertrag. Gemeint ist ein Vertrag mit der Software-Firma Rubicon.

Infos zu Berner Club und Kloibmüller-Chats

Im Oktober 2018 fragt Jenewein nach, ob die BMI-Beamtin eine Teilnehmerliste von Treffen des „Berner Clubs“ (Zusammenschluss europäischer Geheimdienste, Anm.) in Helsinki und Warschau organisieren könne. Für Erstere bejaht sie die Frage, für Zweitere verneint sie mit Verweis auf den damaligen BVT-Chef Peter Gridling, der dort anwesend gewesen sei, weshalb sie keinen Zugang zur Teilnehmerliste erhalten könne.

Laut Akt der StA soll die Mitarbeiterin auch im Besitz der Chats des Ex-Kabinettchefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gewesen sein. Zur Erinnerung: Dessen Handy, das bei einem Betriebsausflug ins Wasser fiel, war eines der drei, die Egisto Ott an die Russen weitergegeben haben soll. Darüber unterhalten sich Jenewein und sie in einem weiteren Chatverlauf.

Mitarbeiterin fährt mit Kickl zur „ZiB2“

Generell scheint die Mitarbeiterin recht eng mit Kickl zusammenzuarbeiten. Sie fährt laut Chat mit ihm zu einem „ZiB 2“-Interview, weil davor im „Report“ das BVT Thema sei. Jenewein fragt nach dessen Befinden. „(....) Jetzt ist er wieder recht gut drauf“, schreibt sie. Am Tag der Befragung von Kickl im U-Ausschuss dürfte sie sich ebenfalls aktiv eingebracht haben. (…)-Frage ist für HBM (Herr Bundesminister, Anm.) ok???“, wollte Jenewein am 27. November wissen. Gemeint ist Kickl. Seine Zuarbeiterin repliziert wiederum Kickls wahrscheinliche Antwort.

Das aber fällt auch den anderen Fraktionen auf. Am 3. Oktober 2018 beschwert sich die Frau darüber, dass darauf „herumgeritten“ werde, dass Zeugen vom Innenministerium „präpariert“ würden, also vorbereitet. Laut StA-Anfallsbericht soll auch genau das der Fall gewesen sein. Laut Beamtin sei das nicht der Fall, es gebe keine Briefings. Sie will medial aktiv werden: Das BMI überlege, eine Presseaussendung dazu zu machen. „Ihr solltet dann aber nachschießen“, gibt sie Jenewein bzw. seinem Klub als Auftrag mit, „so nach dem Motto, wie oft muss man das noch wiederholt werden“. Tatsächlich erscheint eine Aussendung via APA-OTS, in der sich Jenewein gegen den Vorwurf wehrt.

„Bin froh, mit dir zusammenarbeiten zu dürfen“

Am 10. Oktober schreibt Jenewein erneut: „Danke für die Vorbereitungen. Wenn du kurz Zeit hast, würde ich gerne mit Dir telefonieren.“ Am 16. Oktober bedanken sie sich beieinander für die gute Zusammenarbeit. „Darf ich bei der Gelegenheit bitte einfach mal deponieren, dass ich deine Arbeit im U-Ausschuss sehr schätze und froh bin hier mit dir zusammenarbeiten zu dürfen“, schreibt die Mitarbeiterin an Jenewein. Dieser repliziert ebenso charmant: „Danke, liebe (...), ich bin auch froh, dass du unsere Ansprechpartnerin bist. Du arbeitest präzise und sehr sauber. Das mag ich sehr ist ja leider keine Selbstverständlichkeit“.

Anfang November aber kippt dann Jeneweins Stimmung. „(....)Es ist so zum Kotzen… (....) I sag Dir, im nächsten Leben lern ich was Gscheites, da studier ich auch Russisch und Französisch.“ Die Mitarbeiterin versucht, ihn aufzumuntern: „Jetzt nicht die Nerven wegschmeißen!“.

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