Budget: „Das Defizit wird zu langsam abgebaut“

 Bernhard Felderer
Bernhard Felderer(c) Michaela Bruckberger
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Der Fiskalrat bekrittelt fehlende Grundsatzbeschlüsse über notwendige Reformen, warnt vor EU-Sanktionen wegen zu langsamen Defizitabbaus und beklagt, dass die Budgetsanierung zu stark über Einnahmen erfolgt.

Wien. An sich ist der Fiskalrat (das ist die Nachfolgeorganisation des Staatsschuldenausschusses) nicht unzufrieden: Der Budgetpfad der Bundesregierung zeige seit 2010 eine „moderate Konsolidierung“, steht im gestern präsentierten „Bericht über die Einhaltung der Fiskalregeln 2013–2018“. Soll heißen: Die Budgetdefizite gehen (mit Ausnahme des heurigen Hypo-Ausreißers) tendenziell zurück.

Aber sie tun das, wie der Chef des Fiskalrats, Bernhard Felderer, kritisiert, zu langsam: Das strukturelle Nulldefizit solle nicht, wie die Regierung plant, 2016, sondern schon 2015 angepeilt werden, meint Felderer. Sonst drohten durchaus Sanktionen aus Brüssel. Zumal ja Österreich derzeit zwei von vier EU-Vorgaben nicht erfüllt: Die Staatsausgaben steigen stärker als vom Fiskalpakt vorgesehen. Und das Defizit sinkt nicht ausreichend schnell. Beim Defizit werde die EU mit Sicherheit restriktiv vorgehen und auf Einhaltung des Ziels schon 2015 pochen.

(C) DiePresse

Datenlage reicht nicht aus

Liest man den Bericht aufmerksam, dann wird freilich klar, dass der Fiskalrat selbst nicht so recht an eine ausreichende Verbesserung der Staatsfinanzen glaubt. Das fängt schon mit der Qualität der Daten, die er zur Verfügung hat, an: Die Budgetentwicklung könne nur „rudimentär auf Plausibilität geprüft“ werden, heißt es in dem Bericht, weil Länder und Gemeinden keine ausreichenden Informationen liefern. Zwar könnte der Finanzminister zwecks Datentransparenz eine einheitliche Rechnungslegung für alle Gebietskörperschaften verordnen, in der „Realverfassung“ sei dies gegen die Stimmen der Landeschefs aber nicht möglich, so der „Staatsschuldenpapst“.

Mit den Daten scheint es aber auch der Bund selbst nicht so genau zu nehmen, wie nebenstehende Grafik zeigt: Im vor nicht einmal einem Monat präsentierten Stabilitätsprogramm wird die Spitze der Staatsverschuldung heuer mit 79,2Prozent des BIPs (einschließlich Belastung durch die Hypo-Abwicklung) angegeben. Felderer dazu: „Wir alle wissen, dass es mehr als 80Prozent werden“. Wahrscheinlich 81,6 Prozent, denn eine (zum Zeitpunkt der Erstellung des Stabilitätsprogramms längst bekannte) Neuberechnung der Staatsschuld und des BIPs im kommenden Herbst wird die Staatsschuldenquote um rund 2,5 Prozentpunkte anheben. Die OECD hat das längst eingerechnet (und kommt auf eine Staatsschuldenquote von 81,6 Prozent in diesem Jahr). Das heimische Finanzministerium blendet das vorläufig noch aus.

Schwerer wiegt freilich, dass die Regierung strukturelle Reformvorhaben zur Budgetverbesserung im Regierungsprogramm „nicht präzisiert“ habe, kritisiert der Fiskalrat. Deshalb seien auch die Einzelmaßnahmen, die jetzt getroffen werden, wenig zielführend. Etwa die Einsetzung von Kommissionen zur Steuerreform sowie zur Verwaltungsreform und Deregulierung: Solche Kommissionen seien nur sinnvoll, wenn bereits ein politischer Konsens über den jeweiligen Lösungsansatz getroffen sei.

Reformen „nicht konkretisiert“

Für die Verwaltungsreform, die Föderalismusreform, die Finanzausgleichsreform und die Steuerstrukturreform müssten also zuerst auf „höchster politischer Ebene“ Grundsatzentscheidungen getroffen werden, bevor dann Arbeitsgruppen die Details „auf der Basis bereits bestehender Reformvorschläge“ ausarbeiten. Bisher seien die angekündigten „essenziellen Reformvorhaben“ weder konkretisiert noch quantifiziert, kritisiert der Fiskalrat.

Noch ein wunder Punkt: Die Konsolidierung erfolgt viel zu stark über die Einnahmenseite. Im sogenannten „Loipersdorf-Paket“ habe die Regierung schon 2012 vereinbart, deutlich mehr auf der Ausgabenseite einzusparen, als über Einnahmenerhöhungen hereinzubekommen. Tatsächlich trage die Ausgabenseite heuer aber nur 40 Prozent zum Konsolidierungsvolumen bei, während 60Prozent von der Einnahmenseite kommen. Bis 2018 werde zwar eine Anhebung des Einsparungsanteils auf 55 Prozent angestrebt. Wegen der „zusätzlichen Konsolidierungswirkung in Form von kalter Progression“ werde es aber wahrscheinlich auf 50 zu 50 hinauslaufen.

„Haarsträubende“ Förderung

Zur Steuerreform meinte Felderer, diese müsse wohl sechs Mrd. Euro Volumen umfassen. Vermögensbezogene Abgaben seien aber (außer der Grundsteuer) zur Gegenfinanzierung wenig geeignet. Anbieten würde sich eine Förderreform. Besonders die Fördersysteme der Länder seien „haarsträubend“. ju

IN KÜRZE

Defizit. Der Fiskalrat (früher Staatsschuldenausschuss) verlangt einen rascheren Abbau des Budgetdefizits. Andernfalls könnten Sanktionen seitens der EU drohen, fürchtet Fiskalratschef Bernhard Felderer. Die EU werde bei kleinen Mitgliedsstaaten in dieser Frage sehr restriktiv vorgehen, warnt Felderer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2014)

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