Gartenbücher: Prost, Seele!

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Was ein Fleckchen Grün alles sein kann, darüber haben nicht nur Dichter geschrieben und Musiker gesungen: Auch Fachliteratur gibt es ausreichend. Ein kleiner Streifzug.

Der Garten ist jener merkwürdige Ort jener merkwürdigen Stadt, die Wien ist, der von jenen Menschen aufgesucht wird, die noch vor dem Leben sind oder bereits nach dem Leben sind. Es ist der Garten der Kinder und der Greise; derjenigen, die noch nichts wollen und derjenigen, die nichts mehr begehren – außer das eine: friedlich im Augenblick aufzugehen“. So beschrieb Arthur Roessler (1877–1955) den Fürstlich Schwarzenbergschen Garten im dritten Wiener Bezirk, zitiert in „Verborgene Gärten in Wien“ (siehe links).

Einfach nachzuprüfen ist das freilich nicht – nur Anrainer erhalten den Schlüssel zur teilweisen Nutzung. Doch „friedlich im Augenblick aufzugehen“, eine immer noch treffende Beschreibung der Gartennutzung, ist nicht nur dort möglich. Allein in Wien gibt es ungezählte überraschende, romantische, wilde, gepflegte Stadtoasen privater wie öffentlicher Natur. Weltweit zählen Gärten zu den beliebtesten Erholungsorten, denen eigentlich nur von Strand oder Sofa wirklich Konkurrenz gemacht wird. Ob sturmgepeitschte Hebriden oder hitzeflirrende Sahara: Die Sehnsucht ist grün. Und für die größere Sehnsucht, für das ewige Aufgehen im Augenblick, steht im Idealfall der Garten Eden bereit.

Draußen zu Hause. Nun kann man den Wienern ein wenig Morbidität nicht absprechen: Der Zentralfriedhof wird dennoch nicht als Garten geführt.  Dafür einige versteckte Parks, Dschungel auf dem Dach, Salettln im Hinterhof, Wasserspiele im Lichtschacht. Überall ist Platz für ein bisschen Grün, und sei es die groß geratene Fensterbank. Die schönsten Gärten, so eine weitere Erkenntnis, findet man zudem oft neben wahren Verkehrshöllen.

Wie anders die britischen Inseln, Countryside. Wo viel Land, da viel Platz. Ein wenig adelige Langeweile und großer Bewegungsdrang an der frischen Luft, Prestigedenken und die große Leidenschaft für Pflanzen ließen wohl keinen anderen Ausgang zu, als eine Wiege der Gartenkunst entstehen zu lassen, die weit über die Insel hinaus aus Vorbild gilt (beeindruckend: „Englische Garten-Ikonen“, Seite 72). Zudem die Liebe zu Baum und Strauch ja auch vom Golfstrom begünstigt wird. Und in den ehemaligen Kolonien fand sich so manche exotische Knolle zur Bereicherung des Potpourris. Dazu typisch ländliche Herausforderungen: die Integration von Küchengärten in den Übergang von Garten zu Weideland etwa. Schutz vor starken Windböen. Und immer wieder: neue Moden.

Alles im grünen Bereich. Trends und „Must-haves“ gab es freilich überall, immer im Zeitgeist, in dem die aktuelle Natur wahrgenommen wurde. War sie in alten Zeiten eine Bedrohung, der man rund ums Haus mit Nutzpflanzen ein wenig zusätzliche Nahrung abtrotzte, entwickelten sich daraus im Lauf der Zeit große Anlagen mit Kräutern, Obst und Gemüse. Die im Barock mit streng geschnittenen Pflanzen und artig angelegten Rabatten ausgestatteten Gärten sollten dann die Übermacht des Menschen über die Natur und den Wildwuchs ausdrücken. Gartenanlagen wie Schönbrunn zeugen von der damaligen Sicht der Dinge: Schön ist, was nicht natürlich ist – strikte Symmetrie, radikale Schnitte, Monokulturen. Später wurden die Landschaftsgärten populär, ebenfalls gezähmte Natur, aber doch ganz natürlich wirkend. Wie zufällig dort fallen gelassen sollten Baumgruppen und Wäldchen, Wiesen und Wasserflächen erscheinen, mit antikisierten Bauten und Ruinen an schönen Sichtachsen ­akztentuiert. Harmonie sollte herrschen zwischen offenen und versteckten Plätzen, einsehbaren und intimen Wegen, sonnigen und schattigen Orten. Spätestens zur Zeit der Industrialisierung wurde die Natur dann zum schützenswerten Objekt, das vor dem Abfall der Fabriken – und der Menschen – bewahrt werden muss. So kam auch der Wildwuchs wieder in Mode, die Natürlichkeit der Form, lokale, standorttaugliche Pflanzen und vor allem die Vielfalt der Nutzung. (Zahlreiche Beispiele sind in „Gartenparadiese“, zu finden, siehe rechts. Ebenfalls empfehlenswert: „Gärten, Parks und Land Art“ in Schottland, siehe oben.)

Nicht nur in Sachen Design und Naturphilosophie, auch beim Appetit hat sich der Wandel bemerkbar gemacht: Bio ist Trend. Die einst als Segen empfundene Chemie zur Beherrschung des Gartens in Sachen Schädlinge und Krankheiten hat einen denkbar schlechten Ruf. Und nach langen Jahrzehnten der ertragreichen und gut spritzbaren Spalierbäume sollen es auch wieder weniger ergiebige, aber resistentere Arten von der Samenbank in den Boden geschafft haben.

Für den Kleingärtner ist es schon lange keine Frage mehr, dass alles, was er selbst essen will, ihm auch gut tun soll. Notwendig wie in den Nachkriegsjahren ist selbst gezogenes Gemüse nicht – eher ein bisschen Luxus, etwas Besonderes (mehr in „Küchengärten“, Seite 31). Doch das Bedrohliche der Natur ist auch im Garten von heute potenziell präsent. Ungeziefer und Unkraut, üble Gesellen und Ungustln bevölkern so manche Grünoase. Schädlingsbekämpfung auf der einen Seite, mehr oder weniger gerechtfertigte Polizeieinsätze gegen „Guerilla Gardening“ auf der anderen zeigen, dass das Lauschige nicht ohne Wildes ist, dass Freiraum auch Freiheit für alles bedeutet, was je nach Sicht der Dinge nicht willkommen ist. Doch ist es wohl genau jener Gegensatz, der die Gärten so einzigartig macht: Ein Haus kann man verschließen. Einen Garten nicht. Denn wenn man ihn mit einem Dach versieht, ist er ja keiner mehr. So ist Garten längst mehr geworden als ein Stückchen Grün. Die Nutzungen sind vielfältig wie nie: Ging man früher spazieren, werden Gärten heute zu Sport, Naturkunde, Therapie, Inspiration, Vernetzung und Entspannung verwendet.

Trend zum Zweitbaum. Doch zurück zu den Fragen, die Gartenliebhaber wirklich bewegen: Was ist schön? Welche Pflanzenkombination ist noch nie da gewesen? Welche Möblierung ist sinnvoll? Bevor man nun in Rabatten und Design denkt, muss man, möchte man einen Garten wirklich selbst gestalten, also von der Pike auf anfangen. Und das heißt nicht nur viel Arbeit – obwohl Gartenarbeit im Idealfall ja einen hohen Wohlfühlfaktor hat – man muss auch ein bisschen etwas wissen: was wann blüht, wie lange, welche Bewässerung und welchen Boden es braucht und welche Pflanzen überhaupt miteinander können (hilfreich: „Ein Garten wird niemals fertig, Seite 31).

Und auch das sollte man wissen: was man im Garten eigentlich tun will – neben der Arbeit. Dieses Zusammenwirken von Nutzungswünschen, botanischen Möglichkeiten und ästhetischem Empfinden macht denn auch die unendliche Vielfalt von Gärten aus, die Möglichkeiten der persönlichen Geschmacksentfaltung. Es ist ja so viel möglich: vom Rasen mit Kreativmuster bis zum Mini-mini-Golfplatz, vom gekiesten Zen-Garten zur Zwei-Obstbaum-Wiese im Hinterhof (mehr dazu in „Rasen“, Seite 31, und „Zen-Gärten“, siehe oben. Trendsetter werden von „101 Traumgärten“ inspiriert, ebenfalls oben).

Aber nicht nur, weil nicht jeder alles wissen kann, keinen Gärtner als Onkel oder eine Kräuterhexe zur Oma hat, sind die Bücher beliebt, die von Pflanzenkunde bis Gartenhaus, von Designstücken bis Landschaftsbau alles erklären, zeigen, beschreiben, was das grüne Herz begehrt. Für viele, die kein Fleckchen Grün ihr Eigen nennen, ist schon das Schmökern in den Bildbänden ein Innehalten im Alltagstrubel, ein kleiner Ausflug an einen Ort der Sehnsucht – in einen Garten. 

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