Spital Nord: Gericht ordnet Beweissicherung an

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Baufirmen rechnen mit massiven Kosten- und Bauzeitüberschreitungen beim Spital Wien-Nord. Sie haben deshalb eine Beweissicherung der Baustelle beantragt. Fakten für mögliche Prozesse werden gesammelt.

Das Krankenhaus Nord steckt nach „Presse"-Informationen in größeren Schwierigkeiten als offiziell zugegeben wird: Die Daten des Projektservers (darauf liegen die wichtigsten Pläne für das Spital) wurden per Gerichtsbeschluss gesichert, ein gerichtlich beeideter Sachverständiger sichert derzeit Beweise auf der Baustelle.

Auslöser dieser unangenehmen Besuche auf der Baustelle Wien-Nord ist die Rechtsanwaltskanzlei Wilhelm Müller, die auf Wirtschaftsverfahren spezialisiert ist. Sie vertritt rund zehn namhafte Baufirmen (darunter Elin, Wieselthaler, Ortner). Im Auftrag dieser Firmen hat die Kanzlei ein „Beweissicherungsverfahren" beantragt, um den aktuellen, tatsächlichen Zustand des Projektes Wien-Nord zu erheben, wie seitens der Kanzlei bestätigt wird.

Vorbereitung auf mögliche Prozesse

Was ist der Sinn eines derartigen Verfahrens? Es diene dazu, vor einem möglichen Prozess die Situation objektiv zu erheben, erklärt Gerhard Reissner, Vorsteher des zuständigen Bezirksgerichts Floridsdorf. Der Sinn: Das Projekt muss nicht gestoppt, sondern kann weitergebaut werden - die Verantwortung (z. B. wer ist schuld, dass das Projekt nicht rechtzeitig fertig wird und die Kosten überschritten werden könnten) kann danach anhand der Beweissicherung geklärt werden, ohne bei dem fertigen Projekt dann zur Beweissicherung Mauern aufzustemmen etc. Fest steht: Im Bezirksgericht Floridsdorf wurde der Antrag der Baufirmen geprüft und laut Reissner aufgrund der Begründung auch genehmigt.

Damit wird es heikel. Offiziell geben die Baufirmen keine Stellungnahme zu ihrem Vorgehen ab und verweisen auf das Anwaltsbüro, das von „unterschiedlichen Auffassungen über Projektstatus und Projektfortschritt" spricht. Sichert man involvierten Akteuren Anonymität zu, ist zu hören: Das Szenario einer Kostenexplosion samt deutlichen Bauverzögerungen habe eine derart realistische Form angenommen, dass man sich dringend rechtlich absichern müsse. Mit der Beweissicherung wolle man festhalten, dass die Verantwortung im Bereich des KAV liege, sind die Betroffenen überzeugt. Nachsatz: Hätte man diesen Schritt nicht gesetzt, würde die Stadt danach enorme Pönalezahlungen stellen, davor habe man Angst, für manche könne das den wirtschaftlichen Ruin bedeuten.

"So kann es nicht weitergehen"

Nicht nur gegenüber der „Presse" ventilieren Betroffene ihre Angst, für Bauverzögerungen und Kostensteigerungen (mit denen sie rechnen und von denen sie überzeugt sind, dafür nicht verantwortlich zu sein) zur Verantwortung gezogen zu werden. In „a3", einem Fachmagazin für Bauwirtschaft argumentiert „ein Vertreter einer namhaften Gebäudetechnikfirma", dem dort ebenfalls Anonymität zugesichert wurde, so: „So kann es nicht weitergehen. Es stehen gewaltige Kostensteigerungen und eine erhebliche Bauzeitverlängerung im Raum." Und: „Wir wollen nicht später der Sündenbock sein."

Im KAV wird die gerichtliche Beweissicherung durch die Baufirmen so kommentiert: „Die Beweissicherung ist auch für uns eine Möglichkeit uns abzusichern." Sie habe den den Vorteil, ohne Zeitverzögerungen weiterbauen zu können - etwaige offene Punkte könnten damit zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. Man habe außerdem ein Schnittstellenmanagement ausgeschrieben, um aufgetretene Probleme bei den Schnittstellen zu beseitigen.

Ein interessantes Detail: Die betroffenen Baufirmen haben den Antrag auf Beweissicherung im März eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt war von Problemen offiziell noch keine Rede, das Projekt sei zeitlich und kostenmäßig im Plan, wurde versichert. Erst nach dem „Presse"-Bericht vom Mittwoch räumte die KAV-Führung Probleme ein und sprach nicht mehr von einem Vollbetrieb des Krankenhauses im Jahr 2016, sondern nur mehr vage von einem „medizinischen Vollbetrieb": Man könne nicht garantieren, dass wirklich alle Abteilungen von den anderen betroffenen Wiener Spitäler 2016 bereits ins Krankenhaus Nord übersiedelt sind.

In der Baubranche ist zu der neuen Situation zu hören: Gerichtliche Beweissicherungsverfahren seien bei absehbaren Rechtsstreitigkeiten zwar nicht so ungewöhnlich. Aber dass sich Firmen, die sich auch in Zukunft um Aufträge der Stadt Wien bewerben wollen, diesen Schritt nun gegen die Stadt Wien setzen, sei sehr außergewöhnlich.


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