„Wir wollen keine Lösung mit Maliki“

IRAQ UNREST KARBALA
IRAQ UNREST KARBALA (c) APA/EPA/ALAA AL-SHEMAREE
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Khodeir al-Morshedi, Sprecher von Saddam Husseins gestürzter Baath-Partei, behauptet, dass einstige Saddam-Funktionäre die Fäden beim Kampf gegen die Regierung in Bagdad ziehen. Die IS spiele hingegen nur eine Nebenrolle.

Bei der ersten Parlamentssitzung nach der Wahl im Irak vor zwei Monaten verließen Sunniten und Kurden aus Protest das Plenum. Der schiitische Premier, Nouri al-Maliki, hofft dennoch auf eine Einigung, obwohl er trotz des Drucks aus dem Westen und des schiitischen Lagers einer Einheitsregierung skeptisch gegenübersteht. Den Stämmen, die sich der Revolte gegen die Regierung angeschlossen haben, bot er eine Amnestie an.

Für den Arzt Khodeir al-Morshedi, den Sprecher der gestürzten Baath-Partei Saddam Husseins, ist das zu wenig. Er fordert, dass Maliki zurücktritt. Die Baath-Partei sieht sich als Speerspitze des Kampfes gegen Maliki. Morshedi wird von der irakischen Regierung gesucht. Im Zuge des Aufstands dürfte er in den Irak zurückgekehrt sein. „Die Presse“ führte mit ihm ein Telefoninterview.

Die Presse: Die Extremistengruppe Islamischer Staat ist im Irak auf dem Vormarsch. Welche Rolle spielt die Baath-Partei bei dieser Offensive?

Khodeir al-Morshedi: Am Anfang wurde friedlich gegen die Regierung von Nouri al-Maliki demonstriert, wegen der ungerechten Verteilung der Macht unter den Bevölkerungsgruppen und wegen der Korruption des Maliki-Regimes. Maliki hat die friedlichen Kundgebungen in Basra, in der Provinz Anbar und in Hawija mit Gewalt beendet. Maliki ließ Offensiven gegen die Städte Falluja und Ramadi durchführen. Jetzt haben die Menschen zur Waffe gegriffen. Wir haben unter der Führung der Baath-Partei ein Bündnis gegen Maliki geschlossen: aus gemäßigten islamischen Gruppen, den irakischen Stämmen und ehemaligen Soldaten.

Und welche Rolle spielt dabei der IS?

95 Prozent der Rebellen kommen aus den Gruppen, die ich gerade genannt habe. Ihre Kommandanten sind ehemalige Offiziere aus der Zeit von Saddam Hussein. Nur fünf Prozent der Aufständischen sind IS-Kämpfer. Für uns ist IS eine terroristische Organisation. Sie will den Weg der Revolution in eine andere Richtung lenken. Wir sind gegen die Jihadisten.

Aber Sie haben doch mit IS eine Allianz gegen die Regierung geschlossen?

Wir haben keinen offiziellen Pakt mit der IS. Zwischen uns und ihnen gibt es in einigen Provinzen sogar immer wieder kleinere Gefechte. Vergangene Woche haben sie drei unserer Leute bei Tikrit entführt. Wir werden IS bekämpfen, aber zuerst muss Maliki weg. Jetzt kämpfen wir erst einmal gegen Maliki.

Sie sagen, dass IS nur fünf Prozent der bewaffneten Kräfte ausmacht, die gegen die Regierung kämpfen. Wie ist es der Gruppe dann gelungen, die Stadt Mosul zu erobern?

Der Umsturz in Mosul wurde vom ehemaligen irakischen Militär in Zusammenarbeit mit den Stämmen aus Mosul geplant. Ja, IS war auch dabei. Aber diese Gruppe spielt nicht die tragende Rolle. Die neue Verwaltung in Mosul besteht aus ehemaligen Offizieren und zivilen Funktionären aus der Zeit von Saddam Hussein. Sie sind alle Baathisten.

Aber wo operieren dann die Jihadisten von IS? Sie kämpfen doch bei Mosul und vielen anderen Orten gegen die irakischen Regierungstruppen.

Im Norden von Bagdad kämpfen derzeit vor allem die irakischen Stämme und der militärische Arm unserer Baath-Partei, die „Armee der Männer des Naqshbandi-Ordens“, JRTN. Auch IS kämpft dort, das kann man nicht leugnen. IS ist im ganzen Irak aktiv, aber nicht in führender Position.

Es sind Videos und Bilder aufgetaucht, die zeigen, wie Aufständische, und zwar offenbar IS-Kämpfer, Gefangene erschießen. Ein solches Massaker wurde etwa in Tikrit verübt. Was wissen Sie darüber?

Man sieht derzeit auf YouTube viele Filme und man kann nicht immer ihre Echtheit überprüfen. IS ist eine Terrorgruppe. Ich will sie nicht verteidigen. Aber auch die Truppen Malikis haben jetzt bei ihrem Rückzug aus den Städten Häftlinge in den Gefängnissen umgebracht. Für Maliki arbeiten Gruppen wie die Hisbollah oder die iranischen al-Quds-Einheiten und begehen Verbrechen.

International wird gefordert, dass Premier Maliki eine Einheitsregierung bildet, in der alle Bevölkerungsgruppen ausreichend vertreten sind. Wäre das nicht eine Lösung?

Wir wollen keine Lösung mit Maliki. In einer neuen Regierung sollte weder Maliki noch jemand aus seiner Partei sitzen. Maliki muss gehen.

Wollen Sie wieder einen Staat aufbauen wie zu den Zeiten von Machthaber Saddam Hussein?

Wir sind gegen die derzeitige Regierung im Irak, die mit den amerikanischen Besatzern zusammengearbeitet hat. Wir wollen eine neue Verfassung und ein neues Parteiengesetz. Die Bestimmung, wonach die Baath-Partei aufgelöst worden ist, muss rückgängig gemacht werden. Wir fordern eine Übergangsregierung, an der alle irakischen Gruppen beteiligt werden. Nach einem Jahr sollen dann Wahlen abgehalten werden.

Sie haben nach dem Sturz des Saddam-Regimes den Irak verlassen. Wo sind Sie denn derzeit?

Ich bin jetzt wieder im Irak.

ZUR PERSON

Khodeir al-Morshedi. Während der Herrschaft des irakischen Diktators Saddam Hussein war der Arzt und Universitätsprofessor Khodeir al-Morshedi hoher Funktionär im Gesundheitsministerium und Abgeordneter der regierenden Baath-Partei. Nach dem Sturz des Regimes 2003 setzte er sich nach Syrien und in den Libanon ab. [ internet]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2014)

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