Der österreichische Kommissar wird künftig für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung zuständig sein.
Wien/Brüssel. Überschwängliche Freude wollte sich nicht gerade einstellen – aber immerhin zufriedener Optimismus: Nach tagelangen Spekulationen über das künftige Ressort von EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) stand am gestrigen Mittwoch endlich fest, dass der 56-Jährige im Kabinett Juncker I das Portfolio Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen betreuen soll. Im Grunde ein großes Arbeitsfeld – gilt doch die Außenpolitik der Union nicht zuletzt aufgrund des Ukraine-Konflikts als einer der wichtigsten Eckpfeiler der kommenden Jahre. „In Hahns Dossier fallen alle Krisenherde Europas“, erklärte auch ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas gestern im „Presse“-Gespräch.
Gleichzeitig hat die Neustrukturierung der Behörde mit sieben Vizepräsidenten an der Spitze der großen Aufgabenbereiche (siehe auch Seite eins) aber zur Folge, dass jeder einfache Kommissar nicht nur dem Präsidenten selbst, sondern auch seinem jeweiligen „Bereichsleiter“ verantwortlich ist und deshalb gewissermaßen eine Stellvertreterrolle einnimmt.
Ostpartnerschaft zentrale Aufgabe
Die für Hahn zuständige „Hauptkommissarin“ ist die ehemalige italienische Außenministerin Federica Mogherini, die beim EU-Gipfel am 30. August zur neuen Hohen Außenbeauftragten der Union gewählt wurde. Sie vertritt als Nachfolgerin der Britin Catherine Ashton die Union nach außen, koordiniert diplomatische Verhandlungen am Rande von Krisenherden und ist auch Vorsitzende der EU-Außenministerräte. Hahn wird – noch vor dem Kroaten Neven Mimica, der das Portfolio Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung übernimmt – erster Stellvertreter von Mogherini sein.
Zentrales Aufgabengebiet für den ehemaligen ÖVP-Wissenschaftsminister ist vor allem die Östliche Partnerschaft der Union mit den sechs ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine und Weißrussland. Kiew hat vor einem Jahr ein weitreichendes Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, was in weiterer Folge zum bis heute anhaltenden Konflikt mit Russland führte. Hahns zweites Arbeitsfeld, die Erweiterungspolitik (die bisher ein eigener Kommissar, der Tscheche Stefan Füle, innehatte), dürfte begrenzten Gestaltungsraum zulassen. Bereits in der neuen Bezeichnung des Portfolios – „Erweiterungsverhandlungen“ – stellt Juncker klar, dass in dieser Legislaturperiode keine neuen Beitritte geplant sind. Der Fokus liege daher auf der „Fortsetzung der Verhandlungen“, wie die Kommission erklärte. Mit der EU führen derzeit Serbien, Montenegro und die Türkei Beitrittsgespräche; weitere Kandidatenländer sind Mazedonien und Albanien. Während sich Österreich traditionell besonders für gute Beziehungen mit den Westbalkanländern einsetzt, sind die Verhandlungen der EU mit Ankara zuletzt wieder ins Stocken geraten.
Vorsichtig zufrieden
Die Regierung zeigte sich nach Hahns Nominierung vorsichtig zufrieden: Der Aufgabenbereich passe „gut“ zu Österreich, meinte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ); sein Gegenpol, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), bezeichnete das neue Portfolio als „zentralen Punkt der Europapolitik“. Ursprünglich hatte man in der ÖVP allerdings gehofft, mit Hahn – der ja bereits seine zweite Amtszeit in Brüssel antritt und bisher das Regionalressort innehatte – einen aussichtsreichen Kandidaten für einen der mächtigen Vizepräsidenten zu nominieren.
Hahn selbst – den Juncker einen Tag vor der offiziellen Bekanntgabe über sein neues Ressort unterrichtete – zeigte sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter „geehrt und begeistert“ von seiner neuen Aufgabe. Er freue sich schon auf das Hearing durch die Abgeordneten im EU-Parlament, so der Kommissar. Diese müssen seine Ernennung noch bestätigen. (aga/ag.)
AUF EINEN BLICK
Johannes Hahn wird EU-Kommissar für die Europäische Nachbarschaftspolitik und für Erweiterungsverhandlungen. Mit der EU führen derzeit Serbien, Montenegro und die Türkei Beitrittsverhandlungen. Kandidatenländer sind außerdem Mazedonien und Albanien.
Mit der Nachbarschaftspolitik rückt auch der Ukraine-Konflikt ins Zentrum der Aufgaben des österreichischen Kommissars.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2014)