Johannes Hahn wird die Nachbarschaftspolitik samt Ukraine-Konflikt betreuen. Juncker nominiert sieben starke Vizepräsidenten der Kommission.
Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat mit seinem am Mittwoch in Brüssel präsentierten Team sowie den Zuständigkeiten deutlich neue Akzente in Richtung Stärkung von Wirtschaft und Wachstum gesetzt. Insgesamt gibt es mehr Verzahnung der einzelnen Bereiche. Sieben Vizepräsidenten sollen eine Art Koordinierungsfunktion und Führungsrolle in dem Team übernehmen.
Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) wird künftig die Bereiche Nachbarschaftspolitik inklusive Erweiterung betreuen. Damit erhält Hahn auch den Krisenherd Ukraine mit dem Russland-Konflikt übertragen, der von strategischer Bedeutung ist. Er wird auch erster Stellvertreter der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Hahn ist diesbezüglich noch vor dem Kroaten Neven Mimica gereiht, der in der nächsten EU-Kommission das Portfolio für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung übernimmt.
Die Bundesregierung zeigte sich über die Nominierung Hahns erfreut. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte, dass der Aufgabenbereich "gut zu Österreich" passe. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bezeichnete das neue Portfolio Hahns als "zentralen Punkt der Europapolitik" und freute sich über Österreichs "gewichtige Rolle innerhalb der EU-Kommission" sowie als "Brückenbauer in Europa und der Welt".
Timmermans: Rechte Hand mit Vetorecht
Erster Vizepräsident und "rechte Hand" des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker wird der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans, wie die EU-Kommission mitteilte. Er ist für bessere Regulierung zuständig. Als erster Vizepräsident werde er auch ein "Wachhund" sein, der über die Einhaltung der EU-Grundrechtecharta und die Rechtstaatlichkeit der Aktivitäten der Kommission wacht.
Die polnische Kommissarin Elzbieta Bienkowska übernimmt die Bereiche Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und Klein- und Mittelbetriebe. Der Franzose Pierre Moscovici wird zuständig für Wirtschaft und Finanzen, Steuern und Zölle. Der Brite Jonathan Hill ist verantwortlich für Finanzdienstleistungen und Kapitalmärkte.
Die tschechische Kommissarin Vera Jourova betreut das Ressort Justiz, Konsumentenschutz und Gleichstellung. Speziell für Migration zuständig wird der Grieche Dimitris Avramopoulos. Der Deutsche Günther Oettinger, bisher zuständig für Energie, übernimmt die Digitalwirtschaft.
Juncker sieht keine Probleme zwischen den Vizepräsidenten und den anderen Kommissaren. "Die Vizepräsidenten sind Koordinatoren, Teamleiter, aber keine Aufsichtspersonen". Es gebe "nicht Superkommissare und zweitrangige Kommissare. Alle arbeiten zusammen". Allerdings erhält der erste Vizepräsident Timmermanns ein Vetorecht gegen Vorschläge von Kommissaren. Widerstand gegen sein Team im EU-Parlament - die Hearings beginnen am 29. Oktober - erwartet Juncker nicht. Er wolle, dass die Kommissionspolitik aus einem Guss gemacht werde, ohne Eifersüchteleien um Rangordnungen, die keinen inhaltlichen Sinn ergeben.
"Ein Gewinner-Team"
"Ich bin überzeugt, dass es ein Gewinner-Team ist", so Juncker. Er sei auf Grundlage seines Programmes für die nächsten fünf Jahre gewählt worden, sagte er. Dieser Moment sei eine außergewöhnliche Chance und eine Verpflichtung für einen Neustart. Die neue EU-Kommission werde sich vor allem mit der schwierigen geopolitische Lage und mit der wirtschaftlichen Erholung befassen, und Jobs zu liefern haben. "Ich denke, ich habe das richtige Team dafür."
Juncker betonte, sein Team weise Expertise und hohes politisches Profil auf. Kommissare seien nicht Beamte, "sie sind Politiker", betonte er. In seinem Team seien neun ehemalige Premierminister oder stellvertretende Premiers, neun ehemalige Minister und acht frühere EU-Abgeordnete. Elf hätten einen soliden Hintergrund bei Finanzfragen, acht seien erfahrene Außenpolitiker . Die Frauenquote - in der neuen Kommission sind neun Frauen vertreten - stelle "nicht wirklich einen Fortschritt" dar, sei aber "doch zumindest kein Rückschritt". Juncker betonte, es habe ihn erhebliche Bemühungen gekostet, auf neun Frauen zu kommen: "Ich habe ein Monat am Telefon verbracht."
Parlament muss zustimmen
Die EU-Abgeordneten wollen die neuen Kommissare indes "auf Herz und Nieren prüfen", wie es ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas ausdrückte. Dabei zähle vor allem fachliche Kompetenz. Ein intensives Prüfverfahren über die politische Ausrichtung und die Portfolios der neuen EU-Kommission kündigte auch die SPÖ-Delegation an. "Aus sozialdemokratischer Sicht ist es wichtig, dass im parlamentarischen Prüfverfahren noch genau die politische Ausrichtung und die Portfolios begutachtet werden", sagte die geschäftsführende SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner.
Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europaparlaments und Grüne Delegationsleiterin, begrüßte die Bestellung von Hahn, äußerte aber Kritik an anderen Kandidaten wie Hill, Moscovici oder den ungarischen "Fidesz-Mann" und ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten Tibor Navracsics als Bildungskommissar.
Der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky kritisierte die Größe der Kommission: "28 Kommissare in Brüssel sind um mindestens 14 zu viel".
(APA)