Wertvolle Liebhaberei: Briefmarken als Geldanlage

Wertvolle Liebhaberei: Briefmarken als Geldanlage
Wertvolle Liebhaberei: Briefmarken als Geldanlage REUTERS
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Man braucht schon ein glückliches Händchen, um den Wert einer Briefmarkensammlung deutlich zu steigern. Manche Sammler betreiben sogar eigens PR, damit die Nachfrage nach ihren Steckenpferden steigt.

Zu Briefmarken greifen wohl die wenigsten, wenn sie nach einem geeigneten Anlageobjekt suchen. Die Wertanlage ist höchstens ein angenehmer Nebeneffekt einer Sammelleidenschaft. Denn um mit einer Sammlung wirklich eine Wertsteigerung zu erzielen, muss man schon ein glückliches Händchen haben. Und sich mit Briefmarken ziemlich gut auskennen.

Fritz Sturzeis, Briefmarkenexperte des Auktionshauses Dorotheum, sieht es positiv: „Die meisten Hobbies kosten Geld. Briefmarkensammeln ist eines der wenigen Hobbys, bei dem zumindest ein Teil des Geldes wieder zurückkommt.“ Alle Briefmarken, die einen bleibenden Wert darstellen, haben eine gewisse historische Patina. „Gut fährt man mit Marken, die aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stammen oder aus der Zeit davor“, sagt Sturzeis. Seit den Sechzigerjahren seien die Auflagenzahlen der Marken so stark gestiegen, dass deren Wert gefallen sei. In den Euroländern hat die Währungsumstellung ihren Teil dazu beigetragen, da die Marken davor in viel zu hohen Auflagen gedruckt worden waren.

Am besten fährt man als wertorientierter Sammler mit Marken, die an ein historisches Ereignis gekoppelt sind. Besonders gefragt sind Marken aus den beiden Weltkriegen.

Hyperinflation als Werttreiber

Wertvoll können aber auch Marken aus anderen zeitlich begrenzten Perioden sein, zum Beispiel aus der Zeit der Hyperinflation in den frühen Zwanzigerjahren. „Da waren die Marken, kaum waren sie gedruckt, schon nicht mehr gültig. Eine gestempelte Marke aus der Inflationszeit ist deshalb mehr wert als eine ungestempelte, weil so wenige Marken tatsächlich im Umlauf waren“, sagt Sturzeis.

Dieses Beispiel zeigt, dass es, was wertmindernde oder -steigernde Faktoren betrifft, keine allgemein gültigen Regeln gibt. Außer dieser: Je seltener die Marke – oder eine bestimmte Besonderheit einer Marke –, desto wertvoller ist sie.

Dauerbrenner bei den motiv- orientierten Sammlern sind natürlich die Themen Monarchie und Adelshäuser. Wobei eine Marke mit dem Konterfei der Queen auch schon etliche Jahre auf dem Buckel haben sollte, um wertvoll zu sein. „Natürlich wird man die neuen Marken der Vollständigkeit halber der Sammlung hinzufügen. Den Wert der Sammlung steigern diese aber nur unwesentlich“, sagt Sturzeis. Nur wenige Sammler – wirkliche Experten – können spezielle Interessensgebiete und Nischen in eine Sammlung mit monetärem Wert verwandeln.

Wenn in der Sammler-Community publik wird, dass sich ein Experte für ein bestimmtes Gebiet interessiert, kann es allerdings passieren, dass darum ein Hype entsteht. „Ich habe schon erlebt, dass es bei Auktionen zu regelrechten Bieterduellen gekommen ist, wenn ein bedeutender Sammler anwesend war und für ein spezielles Gebiet Interesse gezeigt hat“, sagt Sturzeis.

Schlaue Sammler betreiben tatsächlich Promotion, wenn sie ein Gebiet für sich auserkoren haben – um andere Sammler darauf aufmerksam zu machen. Denn je höher die Nachfrage, desto mehr steigt der Wert. Vor zwei Jahren etwa kam es zu einem plötzlichen Hype um Kulturrevolutionsmarken der Volksrepublik China aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Dieser wurde durch massive Rückkäufe dieser Marken von finanzkräftigen Chinesen ausgelöst. Es entstand eine regelrechte Blase. „Mittlerweile hat sich der Preis für diese Marken wieder auf einem normalen Niveau eingependelt“, sagt Sturzeis.

Kataloge wenig hilfreich

Wer als Laie glaubt, den Wert einer Marke mithilfe des Austria Netto Katalogs (ANK) zu bestimmen (oder der anderen Länderausgaben, in Deutschland ist es der Michel), sei gewarnt: „Das ist eine reine Richtlinie, hat aber mit dem Realwert der Marken wenig zu tun. Da ist die Qualität der Marke entscheidend.“ Wer eine Sammlung verkaufen und sich vorher über deren Wert informieren will, sollte statt eines Katalogs lieber einen Experten konsultieren. Als Faustregel gilt: Bei normaler Ware, also keinen ausgefallenen, seltenen Marken, zahlen Händler zwischen 15und 30 Prozent des Katalogwerts. Bei guten Stücken kann man zwischen 30 und 50 Prozent erzielen. Die Qualität und der Wert der Marke kann geschmälert werden durch: fehlende Zähnchen, Risse, sogenannte Fenster (dünne Stellen auf der Marke), Stockflecken (Feuchtigkeitsschäden), einen nicht bestimmbaren Stempel oder einen Gefälligkeitsstempel, der von offizieller Stelle zur Massenentwertung einer vom Markt genommenen Marke angebracht wurde.

Es gibt aber auch Irregularitäten, die sich positiv auswirken können, wenn sie in der Produktion passiert sind. Zum Beispiel Plattenfehler, kopfstehende, fehlende oder doppelte Aufdrucke. Oder Stücke in Luxusqualität, auf besonderem Papier oder mit einem besonders dicken Rand sowie seltene Stempel, etwa aus deutschen Kolonien in Afrika.

AUF EINEN BLICK

Sammlertipps. Der Wertzuwachs von Briefmarken ist schwer kalkulierbar. Deswegen ist Briefmarkensammeln eher Liebhaberei und weniger Geldanlage – außer man ist weltweit anerkannter Experte. Dann kann man durch geschickte PR die Nachfrage und den Wert von Marken in die Höhe treiben. Auf der wertbeständigen Seite liegt man als Laie mit Monarchie- oder Kriegsmarken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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