Autogipfel: Europa schiebt bei seinen Autos an

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Jetzt wollen die EU-Länder Millionen in die Hand nehmen, um umweltfreundlichere, attraktivere Autos auf den Markt zu bringen. Um den Konsum anzuregen, soll es für Alt-Pkw „Verschrottungs-Prämien“ geben.

BRÜSSEL. Die Warnung von Industriekommissar Günter Verheugen war deutlich: Die Aussichten für die Branche seien „brutal“, sagte er dem BBC-Radio am Freitag. Nach mehr als minus 20 Prozent im vorigen Quartal werde sich dieser Trend fortsetzen. „Es gibt keine Garantie, dass alle wichtigen europäischen Produzenten diese Krise überleben können“, sagte Verheugen. Wie zum Beweis für die Krise verkündete der schwedische Produzent Volvo am Freitag die nächste Hiobsbotschaft für die Branche: Bis Ende Februar würden sich die Produktionszahlen halbieren, so die düstere Prognose des Autoherstellers.

Jetzt schaltet sich die EU ein, um die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise für die europäischen Produzenten abzufedern. Nicht nur die Hersteller von BMW über Volvo bis Fiat sollen bestmöglich vor der Krise geschützt werden, sie zählen insgesamt zwölf Millionen Arbeitsplätze. Auch die Zuliefererfirmen, viele davon sind kleine Betriebe, will die Union vor dem Untergang bewahren. Allein in Österreich geht es bei den Zulieferern um 200.000 Arbeitsplätze.

Wie groß die Gefahr ist, wollte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) beim eigens einberufenen „Autogipfel“ der EU-Wirtschaftsminister mit der Kommission und der Autolobby am Freitag in Brüssel nicht genau beziffern. Man habe aber die „problematische“ Lage EU-weit erkannt und sei bereit, „koordiniert“ zu handeln – auch wenn die Dynamik der Krise nicht abschätzbar sei. Österreichs Zulieferer seien besonders betroffen, weil sie „zwischen Verbraucher und Hersteller“ die Entwicklung kaum beeinflussen können, sagte Mitterlehner. Der Europäische Autoherstellerverband ACEA meldete, dass 2008 nur noch 14,71 Millionen Pkw abgesetzt wurden (siehe Grafik). In der EU werden 20 Prozent aller Autos weltweit produziert.

Gemäß dem Vorschlag der EU-Kommission, der obersten Verwaltungsbehörde Europas, sollen schon bald folgende Maßnahmen greifen, auf die sich die 27 EU-Länder erst bei weiteren Treffen im Detail verständigen müssen:
Mehr Forschung: mehr Investitionen in Forschung für CO2-ärmere, also umweltfreundlichere Autos, die künftig aufgrund der Energiekrise vermutlich eher gefragt sind.
Mehr Kredite: Die Europäische Investitionsbank soll mehr Kredite und Haftungen für solche Forschung und sonstige Stützungsmaßnahmen speziell für die Autobranche übernehmen. Schon 2008 hatte die EU-Kommission eine Summe von zusätzlichen 15 Milliarden Euro in den nächsten Jahren genannt. Die Abwicklung der Kredite müsse noch einfacher für die Unternehmen werden, waren sich die Vertreter der EU-Länder beim „Autogipfel“ am Freitag in Brüssel einig.

2500 Euro für alte Autos

Verschrottungsprämie: Um die besonders umweltschädlichen Autos von Europas Straßen zu bekommen und dafür neue zu verkaufen, könnte es künftig EU-weit eine Verschrottungsprämie geben. In Italien gibt es dieses Modell schon länger, in den Vorjahren wurden demnach 500.000 Altautos verschrottet. Auch Deutschland bietet nun 2500 Euro vom Staat pro Alt-Pkw. Für Österreich schließt Mitterlehner eine solche Prämie nicht aus. Er will das Modell demnächst seinen Ministerkollegen in der Bundesregierung vorschlagen. Bedenken gibt es noch, weil die Bürger eher zu neuen Autos greifen könnten, die gar nicht in Österreich hergestellt wurden. Das heißt, die Prämie, die vom Steuerzahler kommt, käme Betrieben in anderen EU-Ländern statt solchen in Österreich zugute.

Die Umweltorganisation Greenpeace warnt vor der Prämie: Diese wäre teuer für den Staat und hätte eine „vernachlässigbare“ Wirkung auf die Umwelt. Der Leiter des Münchener Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Werner Sinn, nannte die „Abwrackprämie“ gegenüber der „Passauer Neuen Presse“ wörtlich „pervers, weil sie Anreize setzt, ökonomische Werte zu vernichten“. Deutsche Autos seien nach neun Jahren „noch keine Schrottkisten, die man vernichten muss“. Meinung, Seite 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2009)

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