Richterchef Forsthuber und Fachexperte Wlasak gegen Legalisierung einer weiteren Droge. Staatsanwälte rügen hohen Aufwand.
Wien. „Es reden Leute, die keine Ahnung haben.“ Spricht man Helmut Wlasak, seit 21Jahren Drogenrichter in Graz, auf die Äußerungen von Neos-Klubobmann Matthias Strolz an, dann wird der Jurist emotional. Er wüsste zu gern, was Politiker zu Fällen sagen, die er zu verhandeln habe, sagt Wlasak. Etwa den eines 21-Jährigen, der seit vier Jahren Cannabis und Haschisch konsumierte und eine Psychose bekam. Als ihm die Mutter das Kiffen im Haus verbieten will, taucht der Mann mit einer Säge auf und droht, der Mutter, den Schädel herunterzuschneiden.
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An sich, so Wlasak, sei er für die Eigenverantwortung von Menschen. „Wenn es nicht so gefährlich oder so schlimm wäre, wäre ich für die Freigabe von allem.“ Aber die Drogen seien gefährlich, erst recht die sogenannten weichen wie Cannabis. „Das sind die großen Problemfälle“, sagt der Richter, „weil die Konsumenten sagen, dass sie nicht abhängig sind und gar keine Therapieberatung wollen.“ Dabei sei die Zusammensetzung der Drogen immer schlimmer geworden. „Heute haben wir Sachen, die in der Brutalität erschreckend sind. Sachen, mit denen du dich so richtig herrichten kannst,“ sagt Wlasak zur „Presse“.
Cannabis als Einstiegsdroge
Cannabis sei neben Alkohol und Tabak die Einstiegssdroge schlechthin, berichtet der Richter, der auch in der Prävention für Junge aktiv ist, aus seiner Erfahrung. Er sei gegen die Legalisierung von Cannabis. Auch weil er von Jugendlichen, die durch die legale (aber ebenfalls gefährliche) Droge Alkohol auf die schiefe Bahn gekommen sind, immer wieder ein Argument hört: Was erlaubt sei, könne ja nicht so schlimm sein.
Auch Friedrich Forsthuber, Präsident des Wiener Straflandesgerichts und Vorsitzender der Fachgruppe Strafrecht in der Richtervereinigung, spricht sich gegen eine Freigabe von Cannabis aus. „Die Frage ist, ob es ein gesellschaftliches Bedürfnis gibt, die Zahl der legalen Drogen noch zu erhöhen. Ich würde sagen, eher nein“, meint Forsthuber. Eine Legalisierung wäre „problematisch“. Eine rechtspolitische Frage sei es freilich, ob man Cannabisdelikte wie bisher im Strafrecht oder im Verwaltungsstrafrecht (also wie Verkehrsstrafen) sanktioniere, meint Forsthuber.
Das Strafrecht erlaubt diverse Reaktionen gegenüber Cannabiskonsumenten, etwa die Diversion: So legen Staatsanwälte die Anzeige auf eine Probezeit zurück. Bei einem weiteren Delikt ist vor einer Diversion aber jedenfalls der Weg zum Arzt Pflicht.
Strafrecht besser als Verwaltungsrecht
Unverbesserliche Konsumenten können mit bis zu sechs Monaten Haft oder mit Geldstrafen bis zu 360 Tagessätzen bestraft werden (für Dealer sind natürlich höhere Strafen möglich). „Mir scheint aufgrund der differenzierten Sanktionsmöglichkeiten das Strafrecht das bessere Instrument zu sein“, erklärt Forsthuber. Im Verwaltungsstrafrecht sei ein derart unterschiedliches Eingehen auf Einzelfälle nicht möglich.
Viel Papierkram und Aufwand bringen Drogenfälle aber, sagt Gerhard Jarosch, Präsident der Staatsanwälte. Er forderte in der Zeitung „Heute“ eine Diskussion über eine Cannabisfreigabe. Gegenüber der „Presse“ betont Jarosch aber, dass er keine Empfehlung in irgendeine Richtung abgeben wolle. Die Politik habe zu entscheiden.
Vielleicht könnte man die Wege für Staatsanwälte vereinfachen, meint auch Wlasak. Eine Legalisierung von Cannabis sei aber der falsche Weg. Es gelte, Jugendliche vor dem Abdriften zu bewahren. Und dass laut Strolz schon 500.000 Österreicher gekifft haben, könne kein Argument sein. „Das soll eine große Lobby sein? Dann müsste man alle Tempolimits auf Autobahnen auch aufheben, weil Leute zu schnell fahren.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)