Nur jeder zweite Katalane will Abspaltung. Spanien könnte sie überzeugen.
Wenn in einer Beziehung gestritten wird, tut das meistens weh. Und wenn wegen gegenseitiger Vorwürfe und allzu emotionsgeladener Diskussionen ein rationales Gespräch nicht mehr möglich ist, dann droht ein schmerzhaftes Ende des Verhältnisses.
In dieser Situation befinden sich Madrid und Barcelona: Wenn Spaniens Regierung nun auch noch abschätzig die Unabhängigkeitsbefragung als „Propaganda“ abtut, dann bestärkt das die Einwohner Kataloniens nur in ihrem Gefühl, nicht verstanden zu werden.
Regionalpremier Artur Mas wird von seiner Forderung nicht abrücken, eine rechtlich anerkannte Abstimmung über die Unabhängigkeit abhalten zu lassen. Viel zu stark ist der Druck der Nationalisten.
Am Zug sind also die Politiker in Madrid. Als erstes Ziel sollten sie sich setzen, das Vertrauen der Katalanen zu gewinnen. Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich könnten ein wichtiges Signal ein. Aber vor allem sollte Madrid die Möglichkeit einer Sezession zumindest in Erwägung ziehen. Und dagegensteuern, indem es endlich eine sachliche Diskussion über die Folgen zulässt. Und zwar ohne emotionalisierende Propaganda, ohne unglaubwürdige Horrorszenarien.
Die Mühe könnte sich lohnen: Trotz massiver Prounabhängigkeitskampagnen ist immer noch jeder zweite Katalane nicht sicher, ob er einen neuen Staat will.
susanna.bastaroli@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)