Katalonien: Barcelona drängt auf Referendum

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In einem symbolischen Votum sprachen sich 1,8 Millionen Katalanen trotz Verbots aus Madrid für eine Unabhängigkeit aus. Spaniens Regierung geißelt den „Propagandaakt“.

Barcelona/Madrid. So unterschiedlich kann die Welt aussehen: Der katalanische Ministerpräsident, Artur Mas, sprach nach der symbolischen Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens von einem „vollen Erfolg“. Spaniens konservativer Justizminister Rafael Catalá von einem „Scheitern“ und „einem Propagandaakt“. In der Volksbefragung, die am Sonntag von der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung abgehalten worden war, hatte eine überwältigende Mehrheit der Bürger für die Abspaltung von Spanien gestimmt.

Den Katalanen waren in diesem „Akt der Bürgerbeteiligung“ folgende Fragen vorgelegt worden: „Wollen Sie, dass Katalonien ein Staat ist?“ Und wenn ja: „Wollen Sie, dass dieser Staat unabhängig ist?“ Insgesamt 81 Prozent der Abstimmungsteilnehmer antworteten mit einem zweifachen „Ja“. Gut zehn Prozent bejahten nur die erste Frage, in der es um ein autonomes Katalonien unter spanischem Dach geht, lehnten aber die zweite Option der völligen Trennung von Spanien ab. Der Rest stimmte mit einem doppelten „Nein“ oder enthielt sich.

Abstimmung „eine Farce“

Etwa 2,3 Millionen Menschen haben an dieser Befragung in Spaniens wirtschaftsstärkster Region teilgenommen. Das waren etwas mehr als ein Drittel – genau 36 Prozent – jener, die stimmberechtigt waren. Alle Bürger über 16 Jahren durften dabei abstimmen. Insgesamt leben in Katalonien, wo der Separatismus seit Jahren wächst, und wo die Menschen auf ihre eigene Sprache und Kultur sehr stolz sind, rund 7,5 Millionen Einwohner.

Die Abstimmung war höchst umstritten und fand in einer rechtlichen Grauzone statt: Das katalanische Parlament, in dem die Unabhängigkeitsbefürworter eine Mehrheit haben, hatte für den 9. November eigentlich ein offizielles Referendum über die Zukunft Kataloniens beschlossen. Spaniens konservative Zentralregierung ließ dies vom Verfassungsgericht untersagen. Die katalanische Regierung umging das gerichtliche Verbot, indem sie die Volksbefragung zu einem „inoffiziellen“ Akt herunterstufte. Zudem ließ die Regierung in Barcelona die Befragung von einer separatistische Bürgerinitiative namens Katalanische Nationalversammlung (ANC) organisieren. Diese hatte auch die Pro-Sezessions-Demonstrationen organisiert, an denen zuletzt Millionen Katalanen teilgenommen hatten.

Der Aussagewert dieser informellen Abstimmung ist natürlich begrenzt: Es ist kein Geheimnis, dass viele Unabhängigkeitsgegner zu Hause geblieben sind. Die pro-spanischen Parteien und Organisationen hatten zum „Boykott“ aufgerufen: Man solle bei dieser „Farce“ – wie es die konservative spanische Regierungspartei nannte – nicht mitmachen. Und auch Drohungen der spanischen Regierung von Mariano Rajoy, gegen die Organisatoren vorzugehen, sorgten nicht gerade für ein entspanntes Klima und könnten auch manche Bürger verschreckt haben.

Mas appelliert an die EU

Aber trotzdem dürfte das Abstimmungsergebnis ein weithin sichtbares politisches Signal darstellen und den Abspaltungskonflikt weiter anheizen. Kataloniens Ministerpräsident Mas kündigte bereits an, dass er das lautstarke „Ja“ für die Unabhängigkeit als Bestätigung für seinen Separatismuskurs sehe. Und er sprach von einem „Auftrag“, um mit Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy nun ein „definitives Referendum“ auszuhandeln.

Mas appellierte an die EU und an die internationale Gemeinschaft, die Katalanen bei ihrem Wunsch nach einer legalen Volksabstimmung zu unterstützen. Wie die kanadische Provinz Québec oder das britische Schottland „will auch Katalonien über seine politische Zukunft entscheiden“. In Québec wie in Schottland durften die Bürger bereits in verbindlichen Referenden über die Unabhängigkeit abstimmen – in beiden Fällen entschied eine Mehrheit gegen die Abspaltung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)

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