Katalonien: „Ein bisschen so wie damals in Kuba“

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Ricard Gené, Führungsmitglied der Katalanischen Nationalversammlung, sieht keinen Spielraum mehr für Verhandlungen mit der Regierung in Madrid.

Die Presse: Sind Sie mit dem Ergebnis der Befragung zufrieden?

Ricard Gené: Angesichts der Tatsache, dass das Verfassungsgericht die Befragung suspendiert hat, war sie ein großer Erfolg. Die Straßen waren voll mit Menschen, die ihre Stimme abgeben wollten. Und das trotz der Einschüchterungsversuche der Staatsanwaltschaft, die immer wieder betonte, dass es keine öffentliche Erlaubnis gebe, dass dies eine krimineller Akt sei.


Madrid kritisierte, dass es keine demokratischen Garantien für die Befragung gab – keine unabhängigen Kontrollen.

Solche Argumente ärgern mich besonders: Es gab keine demokratischen Garantien, weil es uns nicht erlaubt wurde. Wir wollen ja genau das: ein demokratisches Votum über die Unabhängigkeit. Ein Referendum wurde uns verweigert.


Wie geht es weiter?

Durch diese Befragung haben wir eine deutliche Botschaft nach Madrid – und in die Welt – gesendet. Was wir jetzt brauchen, ist ein demokratisches Mandat für die Unabhängigkeit. Deshalb fordern wir vorgezogene „plebiszitäre“ Regionalwahlen – und zwar bald. Dabei soll die Frage nach der Unabhängigkeit mit der Wahlentscheidung gekoppelt werden, indem alle Pro-Unabhängigkeitsparteien gemeinsam kandidieren. Wenn diese Parteien gewinnen, werden sie umgehend die Unabhängigkeit erklären.


Die oppositionellen Sozialisten wollen jetzt über eine Föderalisierung Spaniens sprechen. Sind Verhandlungen mit neuen Angeboten ein möglicher Ausweg?

Das wird nicht passieren. Allein die Reaktion der Regierung auf das Referendum zeigt doch, dass es keinen Spielraum mehr gibt: Von „Fiasko“, von „Bedeutungslosigkeit“ war die Rede. Ich fand das, ebenso wie viele Katalanen, sehr enttäuschend. Die spanische Regierung, aber auch die Opposition, hat für uns Katalanen jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Zu viel Zeit ist vergangen, wir haben das Vertrauen verloren. Es ist ein bisschen so wie damals in Kuba, als die Insel von Spanien loswollte.


Es kam damals zum Krieg.

Es wird freilich zu keinem Krieg kommen. Aber zu Spannungen mit Madrid. Ich hätte das auch lieber anders gehabt, mich hingesetzt und verhandelt. Der britische Premier Cameron hat es in Schottland richtig gemacht – er ließ ein Referendum zu. Es war ein hohes Risiko für ihn, aber er hat gewonnen. Das ist wahre Demokratie.

Zur Person

Ricard Gené ist internationaler Koordinator
der Bürgerplattform Katalanische Nationalversammlung, die die Befragung organisierte und zuletzt Millionen auf die Straße brachte, um für die Sezession zu demonstrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)

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