Spanien nennt Katalonien-Befragung "Propaganda"

Artur Mas bei der Stimmabgabe am Sonntag.
Artur Mas bei der Stimmabgabe am Sonntag.APA/EPA/ALBERTO ESTEVEZ
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Der Konflikt zwischen Spanien und Katalonien hat sich durch das Referendum verschärft. Kataloniens Regierungschef Artur Mas wurde wegen Ungehorsam angezeigt.

Kataloniens Regierung sieht sich nach dem Ja bei einer inoffiziellen Volksbefragung in ihrem Streben nach Unabhängigkeit für die Region im Nordosten Spaniens bestärkt. Nach dem vorläufigen Ergebnis von Montagfrüh votierten 80,7 Prozent der 2,25 Millionen Teilnehmer für die Unabhängigkeit.

"Die Katalanen haben gezeigt, dass sie sich selbst regieren wollen", sagte Regierungschef Artur Mas in Barcelona. "Dies ist eine alte Forderung, die sich mit der Schaffung eines starken und einigen Europa vereinbaren lässt".

"Politische Propagandaaktion"

Die spanische Zentralregierung stufte die vom Verfassungsgericht untersagte Befragung dagegen als "politische Propagandaaktion" ein und drohte der katalanischen Regierung mit strafrechtlichen Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft prüfe, ob gegen Gesetze verstoßen wurde, teilte der Madrider Justizminister Rafael Catala mit. Wenn der Verdacht sich bestätige, werde die Anklagebehörde rechtliche Schritte einleiten. Die Zentralregierung beruft sich auf die Verfassung von 1978, die die Einheit Spaniens garantiert.

Nach Ansicht des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) war die Abstimmung "weder ein Referendum noch eine aussagekräftige Befragung". Auch das Ergebnis erkennt Madrid nicht an, da die Auszählung keiner demokratischen Kontrollmechanismen unterlag.

Ungenaue Zahlen zu Beteiligung an Umfrage

Den Stimmberechtigten wurden am Sonntag zwei Fragen vorgelegt: "Wollen Sie, dass Katalonien einen Staat bildet? Wenn ja, soll dieser Staat unabhängig sein?" 10,1 Prozent sprachen sich bei der Befragung für die Bildung eines katalanischen Staates aus, der aber weiterhin zu Spanien gehören sollte. 4,6 Prozent votierten gegen die Unabhängigkeit.

Da es bei der Abstimmung keine Wählerverzeichnisse gab und die Zahl der Stimmberechtigten nicht genau feststand, war der Prozentsatz der Beteiligung unklar. Gemessen an den 5,4 Millionen Wahlberechtigten von 2012 betrug die Beteiligung knapp 42 Prozent. Zählt man aber die in Katalonien gemeldeten Ausländer und die 16-und 17-Jährigen hinzu, die beim Referendum ebenfalls stimmberechtigt waren, verringert sich der Wert auf etwa 36 Prozent.

Die Beteiligung an der nicht bindenden Befragung überstieg die Erwartungen der Initiatoren. Diese wollten mindestens 2,1 Millionen abgegebene Stimmen erreichen. Dies war die Zahl der Wähler, die bei der Regionalwahl 2012 für die separatistischen Parteien gestimmt hatten.

Mas: "Verdienen Volksabstimmung"

Die hohe Wahlbeteiligung ließ den nationalistischer Ministerpräsident Kataloniens, Artur Mas, und seine Anhänger am Sonntagabend schon jubeln. "Das ist ein gigantischer Schritt, um schon bald mit allen demokratischen Garantien selber über unsere Zukunft zu entscheiden", erklärte Mas mit Blick auf ein zukünftiges Unabhängigkeitsreferendum. Zudem bat er die "Welt" bei der Durchsetzung einer solchen Abstimmung um Unterstützung. "Wir verdienen eine rechtlich akzeptierte Volksabstimmung."

Auch seine Anhänger sehen die Unabhängigkeitsbestrebungen durch das Votum gestärkt. "Das ist ein riesiger Erfolg. Das Ergebnis ist zwar nicht bindend, aber auf jeden Fall bedeutet es ein politisches Mandat. So einen massenhaften Ruf nach Unabhängigkeit in einem Land mit 7,5 Millionen Einwohnern kann die spanische Regierung nicht länger ignorieren", meint Jaume Marfany, stellvertretender Vorsitzender der separatistischen Bürgerbewegung ANC, gegenüber der Austria Presse Agentur.

Artur Mas wegen Ungehorsam angezeigt

Dennoch leitete die Staatsanwaltschaft auf Geheiß des Madrider Generalstaatsanwalts Ermittlungen ein, ob das Öffnen von Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen für die Stimmabgabe einen Verstoß gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts darstellte. Am Sonntag zeigten auch verschiedene Parteien Mas wegen der Beteiligung der Regionalregierung an der verbotenen Befragung wegen zivilen Ungehorsam und Amtsmissbrauch bei der Polizei an.

Die Stimmabgabe verlief unterdessen ohne größere Zwischenfälle. Die mehr als 1.300 Wahllokale in der Region seien wie geplant geöffnet worden, teilte die Regionalregierung mit. Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich lange Warteschlangen. Prospanische Gruppierungen hatten in einzelnen Orten bei der Justiz den Antrag gestellt, die illegale Befragung zu stoppen und die Urnen sicherzustellen. Die diensthabenden Richter lehnten die Anträge mit der Begründung ab, dass dies unverhältnismäßig wäre.

Vom Geben und Nehmen

Das spanische Verfassungsgericht hatte die Volksbefragung aufgrund einer Verfassungsklage der Zentralregierung untersagt. Madrid hatte aber angekündigt, die Befragung unter der Bedingung zu tolerieren, dass die Regionalregierung sich nicht an der Organisation beteilige. Mas überließ diese rund 40.000 Freiwilligen. Die Regionalregierung zählte lediglich die Stimmen aus und verkündete das Ergebnis.

Katalonien ist ein reicher Landstrich: Mit 7,5 Millionen Einwohnern stellt die Region 16 Prozent der spanischen Bevölkerung und erbringt 20 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Die Katalanen haben eine eigene Sprache und Kultur. Die Spannungen mit der Regierung in Madrid stiegen in den vergangenen Jahren wegen der Wirtschaftskrise. Viele Katalanen haben das Gefühl, dass sie dem Zentralstaat zu viel abtreten müssen und zu wenig von ihm erhalten. Das Referendum in Schottland vom September 2014 - das allerdings letztlich gegen die Unabhängigkeit ausging - ermutigte sie zu der eigenen Abstimmung.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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