Millionen Menschen der nordspanischen Region stimmten über einen eigenen Staat ab, trotz Verbots des spanischen Verfassungsgerichts.
Barcelona. Pep Guardiola, der katalanische Bayern-München-Trainer, ist extra aus Deutschland angereist, um in Barcelona seine Stimme für die Unabhängigkeit Kataloniens abzugeben: „Das ist heute ein sehr wichtiger Schritt“, sagte er im Kulturzentrum CIC im Herzen Barcelonas, wo eines der mehr als 1300 Abstimmungslokale der nordspanischen Region installiert worden sind.
Guardiola, im katalanischen Dorf Santpedor geboren, ist eine der internationalen Galionsfiguren der Unabhängigkeitsbewegung. Er lässt keine Gelegenheit aus, um für die Abspaltung seiner rebellischen Heimatregion von Spanien zu trommeln. „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung“, sagt der Fußballtrainer.
Trotz Regens herrschte am Sonntag in der katalanischen Metropole Barcelona Feststimmung.
Unabhängigkeitsfahnen wehten an vielen Fenstern und Balkonen. Und vor den Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen. Bis zu Mittag hatten in ganz Katalonien bereits mehr als eine Million der insgesamt fünf Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme für die „unverbindliche Befragung“ über einen eigenen Staat abgegeben – auch wenn das Verfassungsgericht das Votum suspendiert hatte.
„Akt der Bürgerbeteiligung“
Spaniens konservativer Regierungschef, Mariano Rajoy, hatte beim nationalen Verfassungsgericht Klage gegen die ursprünglichen Referendumspläne der katalanischen Regionalregierung eingereicht. Ein Argument: Nur das gesamte spanische Volk könne über eine Veränderung der staatlichen Einheit entscheiden. Nachdem die Richter die Abstimmung blockiert hatten, ließ der katalanische Regierungschef, Artur Mas, eine „unverbindliche Befragung“ anordnen – die ebenfalls nach einer Klage aus Madrid suspendiert wurde.
Mas argumentiert nun, dass dieser inoffizieller „Akt der Bürgerbeteiligung“ vor allem von der privaten Unabhängigkeitsplattform Assemblea Nacional Catalana (Katalanische Nationalversammlung) getragen wird. Eine List, um nach dem gerichtlichen Verbot Ärger mit der Staatsanwaltschaft zu vermeiden. Rajoy jedenfalls ließ dem obersten Separatisten Artur Mas ausrichten, dass diese symbolische Abstimmung „keinerlei Auswirkungen“ haben werde.
Mas zeigte sich derweil „stolz“ über diesen „historischen Tag“ und wurde mit Beifall und den Rufen „Unabhängigkeit, Unabhängigkeit“ gefeiert, als er in einer Schule in Barcelona seine Stimme abgab.
Auf zwei Fragen sollten die Katalanen antworten: „Wollen Sie, dass Katalonien ein Staat ist?“ Und wenn ja: „Wollen Sie, dass dieser Staat unabhängig ist?“ Mas bekannte, dass er zweimal mit „Si“ geantwortet habe. Und er forderte gleich gestern Rajoy auf, mit ihm ein „definitives Referendum“ auszuhandeln. Rajoy stellte bereits klar, was er davon hält: „Solange ich Spaniens Premier bin, wird niemand die Einheit Spaniens zerstören.“ Deswegen wird Mas, der in der Abstimmung mit einem lautstarken Doppel-Ja rechnen kann, wohl bald seinen Plan B verkünden: vorgezogene Wahlen in Katalonien, in denen den Umfragen zufolge die Separatistenparteien ihre Mehrheit weiter ausbauen dürften. Und dann werde man „unilateral“ die Unabhängigkeit erklären.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2014)