USA: Polizisten, die Schwarzen erwürgten, gehen frei

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Weiße Polizeigewalt gegen Schwarze bringt New Yorks linken Bürgermeister, de Blasio, und Präsident Obama in die Zwickmühle.

Am 17. Juli dieses Jahres verkaufte der 43-jährige Eric Garner nahe dem Fährenhafen von Staten Island in New York auf der Straße Zigaretten. Das ist nach lokalem Recht verboten und mit einer Verwaltungsstrafe zu ahnden. Eine Polizeistreife stellte Garner zur Rede, es kam zu einem hitzigen Wortgefecht. Rasch lag der mehr als 1,90 Meter große, übergewichtige und an Asthma leidende Garner mit Handschellen gefesselt auf dem Bauch, während ihn ein Polizist im Würgegriff fixierte. „Ich kann nicht atmen“, keuchte Garner mehrfach. Kurz darauf verlor er das Bewusstsein, hörte sein Herz auf zu schlagen. Nur zögerlich begannen die Polizisten Wiederbelebungsversuche. Wenig später starb Garner im Krankenwagen an Herzstillstand.

Parallele zu Ferguson

War das Mord? Oder Totschlag? Oder zumindest fahrlässige Tötung? Nach Ansicht der zuständigen Gerichtsmediziner wurde Garners Herzinfarkt zweifelsfrei durch den Würgegriff ausgelöst – eine polizeiliche Fixierungsmethode, die New Yorker Polizisten seit dem Jahr 1993 verboten ist. Doch am Mittwochabend kamen 23 Geschworene (die Hälfte davon Weiße, die andere Hälfte Schwarze und Hispanics) zum Schluss, dass den würgenden Polizisten Daniel Pantaleo (29) keine Schuld treffe. Er wird somit nicht strafrechtlich verfolgt; ob er wegen seiner Missachtung der Dienstvorschriften aus dem Polizeidienst entlassen wird, ist offen.

An mehreren Orten in New York und in anderen amerikanischen Städten kam es daraufhin zu spontanen Kundgebungen, die allerdings friedlich verliefen – anders, als das vor einer Woche in Ferguson, einem Vorort der Stadt St. Louis, in einem vergleichbaren Fall geschah. Damals befanden Geschworene, dass ein weißer Polizist namens Darren Wilson im August in vertretbarer Notwehr gehandelt habe, als er den unbewaffneten schwarzen 18-jährigen Michael Brown mit zumindest sechs Schüssen tötete.

Strafrechtlich sind beide Polizisten nun aus dem Schneider, auch wenn Justizminister Eric Holder bekannt gab, dass seine Behörde im New Yorker Fall eine Untersuchung wegen der möglichen Verletzung der Grundrechte von Eric Garner einleite. Dazu müssten die Bundesstaatsanwälte belegen, dass der Polizist Pantaleo aus rassistischem Antrieb heraus gehandelt habe, was schwer zu beweisen sein wird.

Rassismus und Polizeifehler

Für Präsident Barack Obama und den seit Jahresbeginn amtierenden linksliberalen New Yorker Bürgermeister, Bill de Blasio, ist der Fall Garner gleichermaßen peinlich. Obama hatte erst am Montag vorgeschlagen, Geld für den Kauf von 50.000 Ansteckkameras bereitzustellen, mit denen Polizisten während ihrer Amtshandlungen gefilmt werden. Damit, meinte der Präsident, ließen sich Unklarheiten in der Sachverhaltsermittlung künftig vermeiden, wie das bei Michael Browns Tötung der Fall gewesen war (der Polizist Wilson trug keine Kamera).

Eric Garners Todeskampf jedoch wurde von einem Augenzeugen mitgefilmt, und die Geschworenen kannten dieses Beweismittel. Eine Polizistenkamera hätte an ihrem Befund vermutlich wenig geändert.

Und während Obama bisher in sorgsam gewählten Worten die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz einforderte und betonte, dass viele Afroamerikaner sich von der Exekutive drangsaliert fühlen, muss er Kritik dafür einstecken, nicht nach Ferguson zu reisen, um dort direkt mit den betroffenen Menschen zu sprechen.

Der mit einer schwarzen Feministin verheiratete Bürgermeister de Blasio wiederum, der versprochen hatte, die hohe Zahl der willkürlichen Anhaltungen und Leibesvisitationen schwarzer Männer in New York auch in Fällen ohne konkreten Tatverdacht einzudämmen, muss nun auf dem dünnen Grat zwischen Anteilnahme mit den Sorgen der Schwarzen vor Polizeiwillkür und dem Respekt vor rechtsstaatlichen Verfahren balancieren.

Dass Schwarze in den USA sich wesentlich stärker von der Polizei schikaniert fühlen als Weiße, ist regelmäßig Meinungsumfragen abzulesen. Vorige Woche ergab eine des Pew Research Center, dass 46 Prozent der Schwarzen wenig oder kein Vertrauen in die Polizei haben – im Gegensatz zu zwölf Prozent der Weißen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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