ÖBB-Konzern wird völlig umgebaut

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Bahn-Aufsichtsrats-Chef Pöchhacker will die Bahn „vom Bau-Unternehmen zum Verkehrs-Betrieb“ umstrukturieren – Koordinationsmängel werden beseitigt.

Wien (ju.). Wenn möglich bis zum Sommer, jedenfalls aber noch in diesem Jahr werden die ÖBB organisatorisch umgebaut. Dann soll „aus einem Bauunternehmen mit angeschlossenem Eisenbahnbetrieb wieder ein Verkehrsunternehmen werden“, sagte ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker im Gespräch mit der „Presse“. Für den Umbau der Bahn ist eine Gesetzesänderung notwendig. Das sei aber kein Problem, weil sich die Koalition über die neue Bahnstruktur einig sei.

Die Bahn war 2004 von der schwarz-blauen Koalition unter dem damaligen Verkehrsminister Hubert Gorbach in zahlreiche eigenverantwortliche Teilbereiche unter dem Dach einer ÖBB-Holding aufgesplittet worden. Die umfassende Konzernstruktur hat sich freilich offenkundig nicht bewährt. Zum einen entwickelte sich die Bau AG zum dominierenden Faktor im Konzern. Zum anderen führte die zersplitterte Konzernstruktur mit einer Holding ohne wirkliches Durchgriffsrecht zu zahlreichen Reibungsverlusten und Koordinationsproblemen, die sich am Markt teilweise sehr negativ auswirkten. Pöchhacker: „Da hat sich das Marketing ohne Rücksprache irgendwas ausgedacht. Und im Betrieb hat sich dann herausgestellt, dass die Bahnsteige für die eingesetzten Züge zu kurz sind.“ Kurzum: „Da wurde oft ohne Koordination parallel gearbeitet.“ Mit Marktorientierung, so der Aufsichtsratschef, habe das nichts zu tun.

Künftig soll das nicht mehr möglich sein. Die zahlreichen Gesellschaften werden mehr oder weniger in drei große Gruppen (Personenverkehr, Cargo und Infrastruktur) zusammengefasst, die Holding übernimmt für diese Bereiche viel stärker als bisher die strategische Steuerung. Die ÖBB-Dienstleistungs Ges.m.b.H. wird in die Holding integriert und damit de facto aufgelöst.

Diese Dienstleistungsgesellschaft, die den gesamten Konzern „in zahlreichen Querschnittsfunktionen unterstützen“ sollte, wie es bei der Gründung der Gesellschaft hieß, war durch ihr eigenständiges Agieren in der Realität hauptverantwortlich für den Koordinationspallawatsch.

Laut Pöchhacker ist die Umstrukturierung des Konzerns schon vor dem offiziellen Beschluss in vollem Gang: „Die neue Struktur wird praktisch schon gelebt“. Man versuche, aus der Bahn jetzt ein „Verkehrsunternehmen zu machen, das am Markt besteht“. So habe man jetzt dafür gesorgt, die bisher „völlig unkoordiniert“ arbeitenden Bereiche Marketing und Produktion so zu verzahnen, das sie nur noch in enger Abstimmung arbeiten können.

„Neue Struktur wird schon gelebt“

Stärker als bisher will die Bahn laut Pöchhacker künftig den Fernverkehr (in dem Bahnen Geld verdienen können) fokussieren. Der sei bisher ein wenig vernachlässigt worden, weil „die Politik ausschließlich den Nahverkehr im Auge hat“. Es sei wichtig, die beiden Verkehrsarten stärker auseinanderzuhalten. Der Fernverkehr leidet ein bisschen an den vielfach vom Rechnungshof als ineffizient gebrandmarkten „Fleckerlteppich-Investitionen“ der Vergangenheit. Der Rechnungshof hatte immer wieder kritisiert, dass bei Infrastrukturinvestionen der Bahn kein wirkliches Gesamtkonzept zu sehen sei. Investiert werde stark nach regionalpolitischen Gesichtspunkten.

„Grundsätzlich“, so Pöchhacker, seien die Investitionen der Vergangenheit „in Ordnung“ gewesen. Jetzt sei man dabei, die Lücken zu schließen und das Trassennetzwerk „langsam zu einem Gesamtkonzept“ zu machen.

Die umstrittenen Tunnelprojekte – Brenner und Koralm – verteidigt der Bahn-Aufsichtsratschef. Aber nicht euphorisch. Vor allem beim Koralmtunnel seien in sehr hohem Ausmaß „regionalpolitische Entscheidungen“ eingeflossen. An der verkehrspolitischen Sinnhaftigkeit der Großprojekte zweifle er nicht. Aus dem Bahnbetrieb (Schienenmaut) könnten diese Investitionen aber niemals verdient werden. Pöchhacker: „Das ist sinnvoll, aber am Markt nicht finanzierbar.“

Zur neuen Marktorientierung der Bahn gehört, so der Aufsichtsratschef, auch eine ständige Evaluierung der Nebenbahnen. Da werde es durchaus noch zu Stilllegungen kommen. Mit den Ländern gebe es darüber Verhandlungen.

Die Krise hat die Bahn vor allem im Frachtbereich betroffen: Dort beziffert der Aufsichtsratschef den Rückgang mit rund 15Prozent. Im Personenfernverkehr gebe es leichte Einbußen, im Nahverkehr überhaupt keine. Pöchhacker: „Es ist wie bei den Mauteinnahmen der Asfinag. Dort merkt man die Krise auch nur bei den Lastwagen, nicht beim Pkw-Verkehr.“

Die Rückgänge der Frachteinnahmen sind für die Bahn ein Problem. Denn die Verschuldung der ÖBB steigt während der Investitionsphase bis 2020 schon „geplant“ scharf an. Wenn die Schere mit der „Schienenmaut“ zu weit auseinanderklafft, dann droht der Republik wegen der Bahnschulden ein Maastricht-Problem.

auf einen blick

ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker will die Bahn „von einem Bauunternehmen zu einem Verkehrsbetrieb“ umbauen. Die völlig zersplitterte Konzernstruktur wird noch heuer bereinigt, innerhalb des Konzerns soll die Abstimmung verbessert werden, kündigt Pöchhacker im „Presse“-Gespräch an. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

ÖBB steuern auf Rekordverlust zu

Finanzvorstand Halbmayr bestätigt tiefrote Zahlen durch Abschreibungen und Spekulations-Geschäfte. Detaillierte Zahlen wird er erst am 29. April bei der Präsentation der Bilanz vorlegen.
Kordikonomy

ÖBB: Frühjahrsputz, den sie meinen

Bei den Bundesbahnen soll jetzt alles besser werden: Die Konzernstruktur wird gestrafft. Und weil man schon dabei ist, wird auch gleich ein bisserl Personalpolitik im Aufsichtsrat gemacht. Helmut Kukacka ante portas.
Österreich

Infrastruktur: Mehr Straßen, Schienen – und Schulden

Bis 2014 werden ÖBB und Asfinag 22,5 Mrd. Euro „verbauen“. Bei den ÖBB werden sich die Schulden dadurch mehr als verdoppeln.
Ausbau
Österreich

22,5 Milliarden Euro für ÖBB und Asfinag

Bis 2014 sollen jedes Jahr im Schnitt 3,7 Milliarden Euro in Österreichs Schienen und Straßen investiert werden. Bei den ÖBB sollen vor allem Strecken modernisiert werden, die Asfinag will Lücken schließen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.