Bei den Bundesbahnen soll jetzt alles besser werden: Die Konzernstruktur wird gestrafft. Und weil man schon dabei ist, wird auch gleich ein bisserl Personalpolitik im Aufsichtsrat gemacht. Helmut Kukacka ante portas.
November 2003: In Österreich herrschen chaotische Zustände. Die Eisenbahner-Gewerkschaft ist in einen unbefristeten Streik getreten. Drei Tage lang steht das halbe Land schlussendlich still, der größte Streik der Zweiten Republik.
Doch FPÖ-Verkehrsminister Hubert Gorbach und sein ÖVP-Staatssekretär Helmut Kukacka bleiben hart: Zwar gibt es Zugeständnisse an die Gewerkschaft beim Dienstrecht. Doch die geplante Reform der ÖBB wird gnadenlos durchgezogen. Der Nationalrat beschließt: Das Unternehmen wird in zehn Gesellschaften aufgeteilt – eine Holding, vier Aktiengesellschaften und fünf GmbH. Die stetig steigenden Staatszuschüsse würden eine „grundlegende Reform“ erfordern, betont Kukacka. Kleinere Teilbereiche könnten eben effizienter geführt werden.
Jänner 2005: Die Reform geht über die Bühne, die ÖBB werden zerteilt.
April 2009: Kommando retour. „Die ÖBB brauchen eine Strukturreform, die das Unternehmen zukunftsfit macht“, sagt SPÖ-Verkehrsministerin Doris Bures. Die jetzige Struktur verursache „Reibungsverluste und Doppelgleisigkeiten“, das Unternehmen müsse angesichts der bevorstehenden EU-Liberalisierung des Schienenverkehrs „schlanker werden, um alle Einsparungspotenziale zu ermöglichen“.
Der ÖBB-Konzern soll also gestrafft, einige Unternehmen (wie die beiden Infrastruktur-AG) wieder zusammengelegt werden. Derzeit wird darüber noch politisch verhandelt, aber Bures ist zuversichtlich, sagt sie der „Presse“, dass die Sache noch vor dem Sommer unter Dach und Fach ist.
Ein aufwendiger Spaß war das Ganze halt – vor allem finanziell. Aber wir haben's ja. Und notwendigen Veränderungen sollte man sich nicht entgegenstellen.
Zumal die Zeiten richtiggehend nach allen möglichen Neuordnungen schreien. Auch im personellen Bereich. Und das macht die Sache ganz besonders spannend.
In der Hauptversammlung der ÖBB-Holding, die im Sommer über die Bühne gehen wird, sollen Veränderungen im ÖBB-Aufsichtsrat beschlossen werden. Helmut Kukacka, der sich im vergangenen Herbst aus der Politik zurückgezogen hat, soll dann wieder eine Art „Comeback“ feiern. Er wird ÖBB-Aufsichtsrat.
Ausgerechnet. Denn Kukacka ist für die Eisenbahner zweifellos ein „rotes Tuch“. Schließlich war er ja seinerzeit maßgeblich an der von den Gewerkschaftern verteufelten „Zerschlagung“ des Konzerns beteiligt. Verteufelt vor allem deshalb, weil die Konzernteilung natürlich auch die Macht der Personalvertretung schwächte.
Dass Kukacka von der ÖVP ins ÖBB-Kontrollgremium entsandt wird, ist also fraglos ein politisches Statement. Allerdings auch innerhalb der Partei. Denn der frühere Staatssekretär soll ins Präsidium des Aufsichtsrates ziehen – und dort Vizepräsident Eduard Saxinger ersetzen.
Saxinger sitzt erst seit knapp zwei Jahren im ÖBB-Aufsichtsrat. Damals wurde er von der ÖVP in das Gremium entsandt – als Visavis zum „roten“ Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker. Dafür präsidiert Saxinger den Aufsichtsrat der Straßenbaugesellschaft Asfinag, dort ist Pöchhacker sein Vize.
Lustigerweise ist Rechtsanwalt Saxinger seinerzeit von Kukacka empfohlen worden. Doch mittlerweile ist man in der Partei von der Performance Saxingers nicht so besonders angetan. Kein Wunder: Als Rechtsanwalt weiß Saxinger über betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zwar bestens Bescheid. Nur bei den Finessen des Politspiels hapert es ein wenig. Da ist Kukacka zweifellos ein Profi – in beiden Bereichen.
Saxingers Mandat läuft eigentlich noch bis zum Sommer 2010. Dass er früher geht, dementiert er nicht. „Ich mache das an sich gerne, werde aber nicht jünger und habe einen anstrengenden Hauptberuf“, sagt er.
Sehr aufschlussreich sind seine weiteren Aussagen: „Es gibt einige in der ÖVP, die glücklich wären, wenn ich ginge“, erklärt Saxinger. „Denen bin ich zu flexibel. Ich habe halt bestimmte Personen nicht in den Vorstand gesetzt.“ Und: „Ich bin 62 Jahre alt und schon ziemlich abgeklärt. Da ist die Bereitschaft, sich dreinreden zu lassen, enden wollend.“ Von der Asfinag wolle er sich aber nicht vorzeitig verabschieden: „Das Asfinag-Aufsichtsratsmandat ist keine Belastung. Und dort gibt es keine Parteiinterventionen.“
Wenn das kein Déjà vu ist: Als Manager Wolfgang Reithofer sich 2007 als ÖBB-Aufsichtsratschef zurückzog, beklagte er ebenfalls den politischen Einfluss in den ÖBB und politische Angriffe seiner Person.
Reithofer hatte übrigens seinerzeit zu den Kritikern der von Gorbach und Kukacka initiierten ÖBB-Neustrukturierung gehört. Noch etwas, das er mit Saxinger gemeinsam hat: Saxinger ist massiver Befürworter der von Bures geplanten Straffung des Konzerns.
Kukacka selbst soll da etwas reservierter sein. Sagen will er zu dem Thema allerdings nichts. Und auf die Frage, ob er Saxinger im Aufsichtsrat beerben wird, meint er nur: „Für diese Entscheidung ist ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf zuständig.“
Und wie stehen die Dinge bei der SPÖ? „Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, auch nur ein Aufsichtsratsmitglied auszutauschen“, sagt Verkehrsministerin Bures. Allerdings: „Wenn jemand von sich aus ausscheidet, dann ist das natürlich nicht beeinflussbar.“
Praktisch wär's halt schon. Denn Rechtsanwalt Leopold Specht, der mit einem SPÖ-Ticket in den Aufsichtsrat kam, genießt schon längst nicht mehr das Vertrauen der Partei. Er wurde seinerzeit von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer in das Gremium entsandt und war vom damaligen Verkehrsminister Werner Faymann darob stets mit Argwohn beäugt worden. In der SPÖ nach Gusenbauer würde Specht wohl niemand eine Träne nachweinen.
Doch Spechts Mandat läuft ebenfalls bis 2010. Mal sehen, wie die Sache ausgeht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2009)