ÖBB steuern auf Rekordverlust zu

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Finanzvorstand Halbmayr bestätigt tiefrote Zahlen durch Abschreibungen und Spekulations-Geschäfte. Detaillierte Zahlen wird er erst am 29. April bei der Präsentation der Bilanz vorlegen.

WIEN (jaz.). Dass die ÖBB-Bilanz für das Jahr 2008 äußerst schlecht ausfallen wird, ist bekannt. Wie schlecht, darüber gibt die Bahn jedoch nur in kleinen Häppchen Auskunft. Im Dezember bezifferte Finanzvorstand Josef Halbmayr den Abschreibungsbedarf für die missglückten Spekulationsgeschäfte – Gesamtvolumen 612,9 Mio. Euro – mit rund 450 Mio. Euro („Die Presse“ berichtete). Vor rund einem Monat sorgte dann ÖBB-Gewerkschaftsboss Wilhelm Haberzettl für Aufregung, als er von einem Rekordverlust von bis zu 840 Mio. Euro sprach. Dies wurde von der Bahn damals heftig dementiert.

Jetzt bestätigte Halbmayr jedoch, dass das Bahn-Ergebnis 2008 durch außertourliche Abschreibungen im Ausmaß von über 800 Mio. Euro belastet wird. Der Verlust der ÖBB dürfte sich daher zumindest auf einem ebenso hohen Niveau bewegen, aber eher darüber liegen. Detaillierte Zahlen wird Halbmayr erst am 29. April bei der Präsentation der Bilanz vorlegen. Das Betriebsergebnis (Ebit) soll mit rund 50 Mio. Euro gerade noch im schwarzen Bereich liegen – nach 513 Mio. Euro im Jahr 2007. Beim Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit wird ein Minus von einer Mrd. Euro kolportiert.

Das tiefe Loch in die Bilanz reißen drei Bereiche: die Spekulationsgeschäfte, Cross-Border-Leasing-Verträge und sogenannte Impairment-Abschreibungen auf rollendes Material (Loks und Waggons).
•Die Spekulationsgeschäfte machen mit über 400 Mio. Euro den größten Brocken aus. Wie berichtet, handelt es sich dabei um eine Art Versicherungsgeschäft, bei dem die ÖBB der Versicherungsgeber sind. Dafür erhielten sie einmalig eine Prämie von 30 Mio. Euro, die sie auf die zehnjährige Laufzeit zwischen 2005 und 2015 aufteilen. Versichert wurden die Kreditrisken von 205 Firmen. Die ÖBB müssen aber nicht anteilig je nach Ausfall dieser Unternehmen zahlen, sondern sobald eine gewisse Schadensgrenze überschritten ist – dann aber zu 100 Prozent.

Totalausfall einkalkuliert

„Wenn eines dieser 205 Unternehmen insolvent wird, hängt es stark von der Konkursquote ab. Liegt diese bei null, dürfen nur 14 der 205 Firmen ausfallen“, meinte Halbmayr im Dezember. Bislang sind schon sechs Unternehmen ausgefallen. Die Bahn will daher das gesamte Geschäftsvolumen – sprich: den drohenden Gesamtverlust von 612,9 Mio. Euro – rückstellen. Da ein Teil von knapp 155 Mio. Euro bereits in den Vorjahren erledigt wurde, fällt für 2008 eine Rückstellung von rund 450 Mio. Euro an.
•Der zweitgrößte Bereich – mit über 300 Mio. Euro – sind sogenannte Impairment-Abschreibungen auf das rollende Material. Diese sind aufgrund der internationalen Bilanzierungsregeln IFRS notwendig, da der Wert der Loks und Waggons in den Büchern höher ist, als durch diese über die geplante Nutzungsdauer verdient werden kann. Gründe dafür sind laut Halbmayr das massive Investitionsprogramm und die Wirtschaftskrise. Ersteres sorgt für hohe Werte in den Büchern, Letztere für reduzierte Ergebnisplanungen. „Wenn sich die Situation ändert, kann es jedoch auch wieder zu Zuschreibungen kommen“, sagt Halbmayr.
•Der dritte Posten betrifft Cross-Border-Leasing-Geschäfte (CBL). Bei diesen Geschäften verkauften die ÖBB zwischen 1995 und 2004 Anlagen oder Züge an US-Investoren und leasten sie zurück. Daraus lukrierten beide Vertragspartner einen Steuervorteil. Aus den in Summe abgeschlossenen 28 Verträgen über rund 2,5 Mrd. Euro ergab sich für die Bahn ein Gewinn von etwa 250 Mio. Euro. Da das aus dem Verkauf erlöste Geld – abzüglich des Gewinns – für die Zahlung der Leasingraten verwendet wird, wurde es meist bei Banken oder Versicherungen gelagert. Diese hatten bei Abschluss der Geschäfte alle eine hervorragende Bonität.

Neue teure Bankgarantien

Bei einigen von ihnen, wie der bereits in den Konkurs geschlitterten Bank Lehman Brothers oder dem Versicherer AIG, hat sich dies inzwischen jedoch geändert. Hier muss die Bahn aus Sicherheitsgründen Teile des Geldes rückstellen oder zusätzliche teure Bankgarantien erbringen. „Uns bleibt aber immer noch ein Gewinn von über 200 Mio. Euro“, meint Halbmayr. Dennoch überprüfe die Bahn sämtliche CBL-Geschäfte danach, ob sie vorzeitig beendet werden sollten.

Bei den Spekulationsgeschäften klagen die Bundesbahnen weiterhin den Vertragspartner Deutsche Bank auf Nichtigkeit des Geschäfts. Das Verfahren in der zweiten Instanz dürfte im Frühsommer starten – für die Bilanz 2008 kommt es auf jeden Fall zu spät.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2009)

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